Tödlicher Stress für Krebszellen

Aus dem Online-Magazin der Julius-Maximilians-Universität Würzburg vom 05.12.2017

Eine bessere Therapie bei Nebennierenkrebs: Das ist Ziel eines Forschungsprojekts an Uni und Uniklinikum Würzburg. Im Idealfall lassen sich die Ergebnisse auch auf andere Krebsarten übertragen.

Das Nebennieren-Karzinom ist ein besonders bösartiger Tumor, an dem häufig junge Erwachsene und bisweilen sogar Kinder erkranken. Es gilt als seltenes Leiden; jährlich treten in Deutschland 80 bis 120 neue Fälle auf. Die Sterblichkeit ist hoch, denn auch nach der kompletten chirurgischen Entfernung des Tumors tritt er bei bis zu 70 Prozent der Patienten erneut auf.

Kaum besser ist der Erfolg der zur Zeit einzigen zugelassenen medikamentösen Therapie mit dem Wirkstoff Mitotane: Nur etwa 30 Prozent der Patienten profitieren davon. Dabei leiden sie häufig unter schweren Nebenwirkungen – angefangen bei Übelkeit, Erbrechen und Durchfall über Stoffwechselstörungen bis hin zu Störungen des zentralen Nervensystems. Nicht wenige Patienten brechen deshalb die Behandlung vorzeitig ab.

650.000 Euro von der DFG

Die Treffsicherheit der Therapie zu steigern und effektivere Medikamente zu entwickeln: Das ist deshalb das Ziel eines Forschungsprojekt an Universität und Universitätsklinikum Würzburg. Die Leitung dieses Projekts liegt in den Händen von Professor Martin Fassnacht, Leiter des Schwerpunkts „Endokrinologie und Diabetologie“ an der Medizinischen Klinik I, und dem Privatdozenten Dr. Matthias Kroiß, Oberarzt an der gleichen Klinik. Ebenfalls daran beteiligt ist Dr. Silviu Sbiera, Leiter des Endokrinologischen Forschungslabors. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert das Vorhaben in den kommenden drei Jahren mit rund 650.000 Euro.
Bei ihrer Suche nach einer besseren Therapie müssen die Wissenschaftler nicht bei Null beginnen. In einem vorangegangenen Projekt ist es ihnen bereits gelungen, ein Enzym zu identifizieren, das relativ spezifisch in Nebennierenkarzinomzellen vorkommt und durch Mitotane gehemmt wird. Dieses Sterol-O-Acyltransferase 1 – oder kurz SOAT1 – genannte Enzym ist für die Bildung von Cholesterin-Speichern erfordelich. „Wir konnten zeigen, dass Mitotane die Lipidzusammensetzung besonders in hormonproduzierenden Zellen der Nebennierenrinde beeinflusst und dadurch einen speziellen Stress-Signalweg stark aktiviert“, erklärt Matthias Kroiß. Auslöser dieses Geschehens sei die direkte Hemmung von SOAT1 durch Mitotane.

Europaweit führend bei Nebennieren-Erkrankungen

In mehreren Teilprojekten wollen die Würzburger Wissenschaftler nun die molekularen Mechanismen im Detail entschlüsseln und – darauf aufbauend – Ansatzpunkte für eine bessere Therapie identifizieren.
An oberster Stelle steht dabei die Idee, SOAT1 als Marker für den Therapieerfolg von Mitotane zu nutzen. „Wir werden in mehr als 300 klinisch sehr genau charakterisierten Tumorproben prüfen, inwieweit die Expressionsstärke von SOAT1 das Ansprechen des Nebennierenkarzinoms auf eine Monotherapie mit Mitotane vorherzusagen vermag“, erklärt Martin Fassnacht.
Die Würzburger Uni und Uniklinik zählen zu den weltweit führenden Einrichtungen bei der Erforschung und Behandlung von Erkrankungen der Nebenniere. Sie sind Gründungsmitglied des European Network for the Study of Adrenal Tumours und initiierten das Deutsche Nebennierenkarzinom-Register, das inzwischen zu einem europäischen Register mit Biobank ausgebaut wurde. Dort lagern heute Gewebeproben von mehr als 1.000 Patienten mit detaillierten klinischen Angaben, auf die die Wissenschaftler jetzt zugreifen können.

Besser verträgliche Wirkstoffe gesucht

Sollte sich SOAT1 tatsächlich als Marker für die Wirkung einer Mitotane-Therapie erweisen, verbessert das natürlich noch nicht die Behandlungschancen aller Patienten. Es könnte allerdings zur Folge haben, dass der Gruppe unter den Erkrankten, die sowieso nicht davon profitieren, weil das Enzym nicht im Tumor vorhanden ist, eine belastende Therapie erspart bleibt.

Auch alternative SOAT1-Hemmer, die möglicherweise wirksamer und verträglicher sind als Mitotane, wollen die Wissenschaftler unter die Lupe nehmen. Es treibt sie die Frage, ob und in welchem Maße diese eine Wirkung im Nebennierenkarzinom besitzen. „Interessanterweise wurden etliche SOAT1-Inhibitoren in den 1990er-Jahren als Cholesterinsenker entwickelt“, erklärt Matthias Kroiß. Wegen massiver Nebenwirkungen im Bereich der Nebennieren haben es viele dieser Substanzen allerdings nie zum marktreifen Medikament geschafft, so der Mediziner. Kroiß und seine Mitarbeiter werden deshalb mit unterschiedlichen Methoden die Effekte verschiedener SOAT-Hemmer auf Nebennierenzellen zu entschlüsseln versuchen.
Vergleichbare Mechanismen bei weiteren Krebsarten
Auch wenn das Nebennierenkarzinom im Mittelpunkt dieses Forschungsprojekts steht: Die Erkenntnisse, die dabei gewonnen werden, könnten ebenfalls die Behandlung weiterer Krebsarten voranbringen. „Wir vermuten, dass Tumorarten, die einen erhöhten Cholesterin-Stoffwechsel aufweisen, ebenfalls von einer Therapie profitieren, die an SOAT1 angreift“, sagt Martin Fassnacht.

Drei Jahre sind in der Forschung keine lange Zeit. Trotzdem sind die Wissenschaftler zuversichtlich, dass es ihnen in dieser Zeit gelingen wird, einen entscheidenden Schritt zur Verbesserung der Therapie des Nebennierenkarzinoms zu erzielen und möglicherweise auch die Grundlage für SOAT1 als Zielmolekül der Therapie anderer Tumoren zu schaffen.

Kontakt
Prof. Dr. Martin Fassnacht, Telefon: +49-931-201-39201 oder -39200, fassnacht_m@ ukw.de
PD Dr. Dr. Matthias Kroiß, Telefon:+49-931-201-39939; kroiss_m@ ukw.de