Das Virus muss nicht mehr reisen

Tropische Infektionskrankheiten wie das Dengue-Fieber werden in Europa heimisch. Reisemediziner Prof. Dr. August Stich sieht neue Gesundheitsrisiken durch den Klimawandel, warnt aber zugleich vor Panik.

Nahaufnahme einer Tigermücke, die offenbar gerade zusticht. Es könnte sich um die Haut eines Menschen handeln. Der Hintergrund ist unscharf und hellgrün.
Porträt von Prof. August Stich, der ein aufgeschlagenes Fachbuch in den Händen hält und freundlich in die Kamera lacht.

Die globale Erwärmung hat Folgen für die Gesundheit – und das nicht nur an Sommertagen, wenn die Hitze das Herz-Kreislauf-System belastet und Feinstaub zur Gefahr für die Lunge wird. Der Klimawandel macht sich auch subtil bemerkbar: durch Infektionskrankheiten, die aus den Tropen und Subtropen nach Europa gelangen und bleiben. Und durch bei uns bereits verbreitete Erreger, die Jahr für Jahr ihr Terrain vergrößern.

Die Ursachen sind mildere Winter, heiße Sommer und stehende Gewässer nach starken Regenfällen, die die Lebensbedingungen von Krankheitsüberträgern verbessern, insbesondere von Mücken und Zecken. „Wenn wir uns die Moskitos anschauen, haben wir zwei Dinge, die gegen uns arbeiten: die Einwanderung neuer Arten wie der Tigermücke und die schnellere Vermehrung von Erregern im Leib von Moskitos. Je feuchter und wärmer, desto effizienter ist die Übertragung“, sagt Prof. Dr. August Stich, Leiter des Schwerpunkts Infektiologie am UKW.

Porträt von Prof. August Stich, der ein aufgeschlagenes Fachbuch in den Händen hält und freundlich in die Kamera lacht.

Drei Fragen an Prof. Dr. August Stich

Wie können wir die klimabedingte Ausbreitung von Infektionskrankheiten aufhalten? Wir können diese Phänomene nur verlangsamen, aber die Einwanderung zum Beispiel der Tigermücke nicht rückgängig machen. In der Bewältigung der Klimakrise haben wir zwei Hebel: Wir können erstens noch verhindern, dass die Temperaturen weiter so rasant ansteigen wie aktuell. Jeder Einzelne kann für sich an den Stellschrauben Energie, Mobilität und Ernährung drehen. Und zweitens können wir uns anpassen an das, was wir nicht mehr aufhalten können, uns also vor Infektionen schützen.

Wie sieht dieser Schutz konkret aus? Gegen FSME haben wir eine sehr wirksame Impfung. Zecken frühzeitig zu entfernen, ist ein weitgehender Schutz vor Borreliose. Gegen moskitoübertragene Infektionen helfen Insektenschutzsprays, wobei ich nicht raten würde, dass sich nun alle Würzburger ständig damit einsprühen, nur weil es in der Sanderau mal eine Tigermücke gab.

Sehen Sie Fortschritte in der Forschung, was die Bekämpfung von Infektionskrankheiten betrifft? Ja. Ein Beispiel ist der neue Impfstoff gegen das Dengue-Fieber, der Reisende schützt. In der Fachwelt besteht ein immer größeres Bewusstsein für die Auswirkungen des Klimawandels auf unsere Gesundheit. Es gibt viele Veröffentlichungen im Wissenschaftszweig „Planetary Health“. Das Thema muss aber noch stärker im Medizinstudium und in der Ausbildung der Pflegeberufe verankert werden.

Tigermücke breitet sich aus

Die Tigermücke gilt als besonders potent für die Übertragung der tropischen Infektionskrankheiten Dengue, Chikungunya und Zika. Diese äußern sich in Fieber und weiteren Begleiterscheinungen. Oft bleiben sie symptomlos oder verlaufen mild. Insbesondere für chronisch Erkrankte, Kinder, ältere Menschen und Schwangere können sie aber eine Gefahr darstellen. In Südeuropa haben sich in den vergangenen Jahren bereits Menschen durch einen Mückenstich mit diesen Viruserkrankungen angesteckt.

„Wir erwarten jährlich die Übertragung von Dengueviren in Deutschland“, sagt Prof. Stich. Die Tigermücke ist schon da, auch in Würzburg wurde sie bereits gesichtet. Nun braucht es noch den Zufall, dass eine Mücke einen Menschen sticht, der das Dengue-Virus aus dem Urlaub mitbringt, und sie im Anschluss eine weitere Person infiziert. Das West-Nil-Virus, das über Zugvögel eingeschleppt und über eine andere Mückenart übertragen wird, ist in Ostdeutschland bereits seit 2018 vertreten.

FSME zieht gen Norden

Andere Infektionskrankheiten treten seit Jahrzehnten hierzulande auf und breiten sich aufgrund des Klimawandels aus. Ein Beispiel ist die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Bayern und Baden-Württemberg gehören zu den Risikogebieten, die sich von Jahr zu Jahr in Richtung Norden ausdehnen. „Das ist eindeutig eine Folge des Klimawandels“, sagt Prof. Stich. Milde Winter und warme Frühlinge verbessern die Lebensbedingungen des Holzbocks, der das Virus auf den Menschen übertragen kann. Auch die Bakterien, die eine Lyme-Borreliose auslösen, werden über einen Zeckenstich übertragen. Das Robert-Koch-Institut geht davon aus, dass die veränderten klimatischen Bedingungen auch hier zu einem Anstieg an Infektionen führen werden.

Tropenmediziner Prof. Stich betrachtet die Entwicklung mit Sorge, aber „es gibt keinen Grund zur Panik“. Es sei ein schleichender und kein explosionsartiger Effekt, Einzelfälle würden in Zukunft immer häufiger auftreten. „Mit unserer Lebensweise haben wir einen Prozess in Gang gesetzt, der für uns langfristig gesundheitsschädlich ist. Wir gefährden aber noch mehr die Gesundheit von Menschen in anderen Regionen der Erde, die schon heute stärker vom Klimawandel betroffen sind als wir.“

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Schutz vor dem Start in den Urlaub

Auch wenn der Klimawandel tropische Infektionskrankheiten nach Deutschland bringt, liegt die Hauptaufgabe der Tropenmedizin am UKW in der Behandlung von Patientinnen und Patienten, die aus dem Ausland eine Erkrankung mitbringen. Für akute Beschwerden nach der Rückkehr steht die Notaufnahme bereit. Prof. Dr. August Stich und sein Team beraten Reisewillige und nehmen Impfungen vor. Eine Terminvereinbarung ist per E-Mail an reisemedizin@ukw.de möglich.

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