Zeichen setzen

In der Medizinischen Klinik und Poliklinik I ist das Pilotprojekt „Discharge Nurse“ gestartet: Mit einem effektiven Entlassmanagement könnten die Langzeitprognose und Lebensqualität der Herzinsuffizienz-Patienten erheblich verbessert werden.

Kaum eine Diagnose ruft so viele verschiedene Reaktionen hervor wie die Herzinsuffizienz. Die einen reagieren gelassen, ‚nun ja, mit dem Alter werde das Herz eben schwächer‘. Für andere ist die Erkrankung eine von vielen weiteren, die sie haben. Dritte beginnen, im Internet zu recherchieren und geraten in Panik. „Das Krankheitsbild ist überraschend unbekannt“, erzählt Franziska Ottenbreit. Die studierte Advanced Practice Nurse arbeitet seit Juli vergangenen Jahres am UKW. Seit Dezember ist sie an zwei ­Tagen in der Woche auf den vier kardiologischen Stationen der Medizinischen Klinik und Poliklinik I als Discharge Nurse tätig. Die 30-Jährige soll die Patienten mit dem hochkomplexen Krankheitsbild vertraut machen, dessen Therapie viel Eigeninitiative vom Patienten erfordert. Sie schult die Patienten und managt sowohl die Entlassung als auch die Zu­weisung zum Haus- und Facharzt für die poststationäre Weiterversorgung. Franziska Ottenbreit kann mit ihrer Arbeit ein Zeichen setzen Denn eine Herzinsuffizienz ist durchaus keine Alterserscheinung. Sie geht mit vielen Wechselerkrankungen einher und ist in ihrer Malignität vergleichbar mit Krebs. „Die Versorgung der Herzinsuffizienz, die mit fast 400.000 Fällen pro Jahr die häufigste Diagnose ist, die bundesweit zu Krankenhauseinweisungen führt, ist nicht nur im Klinikverlauf, sondern auch nach der Entlassung eine der größten medizinischen Herausforderungen“, betont Prof. Dr. Stefan Frantz, Direktor der MedEins. Das Risiko einer erneuen Krankenhausweisung oder, an Komplikationen zu versterben, sei trotz der therapeutischen Fortschritte extrem hoch. „Wir könnten jedoch mit einem effektiven Entlassmanagement die Langzeitprognose und Lebensqualität der Patienten erheblich verbessern“, ist sich Stefan Frantz sicher. „Ich freue mich daher sehr, dass die Stiftung für Chronisch Kranke unser Pilotprojekt „Discharge Heart Failure Nurse“ mit 20.000 Euro unterstützt, Franziska Ottenbreit mit ihrer Arbeit ein Zeichen setzen kann und eine spezialisierte Entlassschwester künftig zum ­festen Bestandteil der Klinik gehört.“ Patienten lernen Veränderungen schnell zu erkennen und zu reagieren Wie groß der Bedarf an Informationen ist, spürt Franziska Ottenbreit bei nahezu jedem Patientenkontakt. „Viele Patienten nehmen Veränderungen ihres Körpers nicht wahr. Oder sie warten erst einmal ab, was äußerst fatal ist“, berichtet sie. Erst kürzlich wurde ein Patient mit 20 Kilogramm Wassereinlagerungen aufgenommen. Dabei sei das tägliche Wiegen zu einem festen Zeitpunkt am Tag ebenso wichtig wie das regelmäßige Blutdruckmessen, mahnt Franziska Otten­breit. „Wer zwei Nächte hintereinander Wasser einlagert, sollte am dritten Tag den Hausarzt kontaktieren.“ Generell tränken die Patienten auch zu viel. Betroffene sollten am Tag nicht mehr als eineinhalb Liter Flüssigkeit zu sich nehmen. Sie fasst die wichtigsten To-dos zusammen: „Täglich wiegen, am besten nach dem Morgenurin. Knöchel und Unterschenkel auf Ödeme untersuchen, Blutdruck und Puls zweimal täglich messen sowie täglich Atemnot und ­Belastbarkeit kontrollieren. Alle Werte sollten in einem Symptomkalender festgehalten werden. So können Veränderungen schnell erkannt und entsprechend reagiert werden.“

Prof. Dr. Stefan Frantz freut sich sehr, dass Franziska Ottenbreit ein Zeichen setzen kann und hofft, dass Discharge Nurses künftig zum festen Bestandteil jeder Klinik werden.

Die Herzinsuffizienzschwestern Gabriele Hartner (links) und Franziska Ottenbreit erläutern dem Patienten das hochkom­plexe Krankheitsbild und seine individu­ellen Therapiemöglichkeiten.

Vernetzung von Klinik, Kardiologe und Hausarzt Ein weiteres Problem sei die Einnahme von Medikamenten. Oft werden sie falsch oder gar nicht eingekommen. Jeder zweite Herzinsuffizienz-Patient hält die Therapie nicht ein. Dabei ist die so genannte Compliance, die Bereitschaft der Patienten zur aktiven Mitwirkung an ­therapeutischen Maßnahmen, gerade bei einer Herzinsuffizienz maßgeblich für den Erfolg der Therapie. Deshalb ist die Aufklärung des Patienten, möglichst im Beisein ihrer Angehörigen, über das Krankheitsbild, die Therapiemöglichkeiten und Prognose sowie eine strukturierte Betreuung nach der Entlassung ungemein wichtig. Franziska Ottenbreit dokumentiert alle erforderlichen Maßnahmen in der Patientenakte. Darüber hinaus nimmt sie Kontakt zum Hausarzt und Facharzt auf. Wird der Patient vom Klinik­arzt als stabil eingestuft, stimmt sie das weitere Vorgehen mit dem Hausarzt ab. Ist der Patient jedoch fragil, organisiert sie einen zeitnahen Kontroll­termin, möglichst innerhalb von sieben Tagen, bei einem niedergelassenen Kardiologen oder im Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg (DZHI). Denn das Risiko ist groß, dass die Pa­tienten erneut dekompensieren. Sowohl der Hausarzt als auch der Kardiologe bekommen umgehend nach der Entlassung des Patienten ein Fax von Franziska Otten­breit mit den wichtigsten Fakten wie ­Laborwerte, Medikation, Auswurfwert und Empfehlungen weiterer Maßnahmen – für den Fall, dass der Patient den Entlassbrief aus der Klinik beim nächsten Arztbesuch vergisst. Ideale Voraussetzungen Das DZHI ist geradezu prädestiniert für das Pilotprojekt „Discharge Nurse“. Denn mit dem Würzburger Weg und dem Krankenhausverbund MAHIN hat das DZHI ein entsprechendes Herzinsuffizienz-Netzwerk aus Kliniken, Fachärzten und Hausärzten initiiert. Darüber hinaus ist das DZHI das erste Zentrum in Deutschland, in dem eine Fortbildung zur Herzinsuffizienz-Pflegekraft ange­boten wurde. Die Fortbildung hat Franziska Ottenbreit erfolgreich im Februar 2020 absolviert, sodass sie sich zusätzlich Herzinsuffizienzschwester nennen darf. Mit ihrem umfangreichen Wissen über das Krankheitsbild steht sie zwischen dem Pflegepersonal und den Ärzten. Denn sowohl die Ärzte als auch die Pflegekräfte haben für die gezielte und wiederholte Aufklärung und Schulung der Patienten viel zu wenig Zeit. Doch dieses nichtärztliche Fachpersonal fehlt vielerorts, da es nicht im Versorgungsbudget vorgesehen ist. Noch nicht.

Beitrag: Kirstin Linkamp

Franziska Ottenbreit hat Pflege im Bachelor studiert und ihr Examen zur Gesundheits- und Krankenpflegerin absolviert, dann in Frankfurt a.M. ihren Master im Pflegestudiengang Advanced Practice Nursing gemacht und drei Jahre in der Kardiologie in Mainz gearbeitet. Ihre Zukunft hat sie schon länger auf dem Gebiet der Herzinsuffizienz gesehen und sich daher beim Uniklinikum Würzburg beworben. Pflegedirektor Günter Leimberger stellte den Kontakt zu Stefan Frantz und Stefan Störk her, die sie sofort beide auf der Stelle der Discharge Nurse sahen.