Prof. Dr. Norbert Roewer: In­no­­­­­va­­­tions­­­­starker Klinik­­direktor

im Ruhestand

Fast 25 Jahre lang leitete und formte Prof. Dr. Dr. h.c. Norbert Roewer den Fachbereich Anästhesiologie am Uniklinikum Würzburg. Mit Beginn dieses Jahres trat er in den Ruhestand.

Nach über zwei Jahrzehnten als Klinikdirektor seit kurzem im Ruhestand: Prof. Dr. Dr. hc. Norbert Roewer.

1995 kam Prof. Dr. Norbert Roewer (Jahrgang 1951) vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf nach Würzburg. Zunächst war er hier kurz als kommissarischer Vorstand des Instituts für Anästhesiologie tätig, bevor er 1996 die Nachfolge von Prof. Dr. Karl-Heinz Weis als Lehrstuhl­inhaber und Direktor der ­Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie antrat. Fast 25 Jahre später, mit dem Wechsel in den Ruhestand Anfang dieses Jahres, endete für den zielstrebigen Mediziner eine intensive Schaffensphase, in der er Klinik, Forschung und Lehre in seinem Fachbereich sowie auch die Gesamtentwicklung des Uniklinikums Würzburg (UKW) maßgeblich prägte. Moderni­sierungen bringen Vorreiterposition „Mein Anliegen war es immer, in der Patientenversorgung wie auch in den anderen Aspekten der Universitätsmedizin nicht den Entwicklungen hinterherzulaufen, sondern selbst Standards zu setzen“, schildert der nun ehemalige Klinikdirektor eines seiner Führungsmotive. Beispielsweise initiierte er im Jahr 1998 eine Modernisierung der Anästhesiologischen Intensivstation des UKW, an deren Ende – neben vielen weiteren technischen Neuerungen – seine Klinik die erste „papierlose Intensivstation“ in Bayern vorweisen konnte. Im selben Jahr wurden auf sein Betreiben hin klinikumsweit alle Narkosearbeitsplätze erneuert. Sie erhielten unter anderem einheitliche Messapparaturen und Monitore zur Überwachung der Narkose­tiefe und der Muskelrelaxation. „Heute ist das allgemeiner Standard – damals waren wir damit bundesweiter Vorreiter“, betont Prof. Roewer. Von diesem Zeitpunkt an fand jeder Anästhesist an jedem der insgesamt 110 Anästhesie-Arbeitsplätze im UKW und im mitzuversorgenden König-­Ludwig-Haus die gleichen technischen und ergonomischen Bedingungen vor. „Dies trug nicht nur zu einem noch effizienteren Arbeiten bei, sondern erhöhte auch die ­Patientensicherheit“, verdeutlicht der Technologie-Pionier. Pionierarbeit leistete er übrigens auch mit dem frühen, heute unverzichtbaren Einsatz von diagnostischen Ultraschallverfahren in der Anästhesiologie. Ein weiterer Beleg seines Innovationswillens: Im Jahr 2010 führten er und sein Team die extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) auf der Anästhesiologischen Intensivstation ein. „Die ECMO ist ein für Patienten mit akutem Lungenversagen überlebenswichtiges Hochtechnologieverfahren“, beschreibt der Klinikdirektor a. D. und fährt fort: „Seit dem Jahr 2012 betreiben wir eines der größten überregionalen ECMO-Zen­tren in Deutschland.“ Notfall- und Katastrophenmedizin vorangetrieben Unter der weitsichtigen Ägide von Prof. Roewer entwickelte sich am UKW ferner die erste und deutschlandweit einzige Professur für Notfall- und ­Katastrophenmedizin. Über die Vorbereitung auf große Schadens­lagen und die notärztliche Versorgung in Würzburg sowie in den angrenzenden ländlichen Regionen, verbunden mit Forschung und Lehre, entstand damit nach seinen Worten eine Sektion mit regionaler und überregionaler Bedeutung. „Auch die Schmerztherapie war und ist für mich ein besonders wichtiges Leistungsangebot“, unterstreicht Prof. Roewer. So wurde unter seiner Leitung die seit 1985 bestehende Schmerzambulanz des UKW sukzessive zum heutigen „Interdisziplinären Zentrum für Schmerzmedizin“ ausgebaut. Zu dessen Angeboten zählt unter an­derem die zweitgrößte universitäre Schmerztagesklinik Deutschlands.

„Mein Anliegen war es immer, in der Patientenversorgung wie auch in anderen Aspekten der Universitätsmedizin nicht den Entwicklungen hinterherzulaufen, sondern selbst Standards zu setzen.“
Prof. Dr. Dr. hc. Norbert Roewer

Simulationszentrum mit Vorbildcharakter Hohe Qualitätsansprüche hatte der Professor auch bei der studentischen Lehre sowie der ärztlichen Aus- und Weiterbildung. So war seine Klinik eine der ersten in Deutschland, die über ein hochtechnologisches Simulationszentrum verfügten. „Mit den an der Würzburger Anlage gewonnenen Erfahrungen waren mein Team und ich auch beim Aufbau von ähnlichen Zentren im Ausland gefragte Experten“, berichtet Prof. Roewer. Unter anderem an Würzburgs Partneruniversität im slowenischen Maribor, die ihm seine diesbezügliche Unterstützung mit der Verleihung der Ehrendoktorwürde im Jahr 2011 dankte. Gute Anästhesisten-Ausbildung bedeutete für den Menschenfreund Roewer jedoch nicht nur die Schulung des klinischen Könnens. Er erläutert: „Während des Narkosegespräches haben wir meist nur sehr wenig Zeit, das für einen runden Behandlungsablauf so wichtige Vertrauen der Patienten zu gewinnen. Ich habe mich immer bemüht, meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch die dafür erforderlichen ‚Soft Skills‘ zu vermitteln.“ Forschung für den ­Patienten Ein Nachweis für die hohe wissenschaftliche Aktivität der Würzburger Universitäts-Anästhesiologie sind u. a. die Habilitationen von 28 Mit­arbeiter/innen, die von Prof. Roewer in verschiedenen Forschungsbereichen gefördert wurden. Er selbst widmete sich v. a. der Wirkstoffoptimierung, der Organprotektion und der Maligen Hyperthermie. Letztere ist eine sehr seltene, aber lebensbedrohliche Narkose-Komplikation. „Zu meinen Herzensangelegenheiten zählte immer auch die Förderung junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler“, sagt Prof. Roewer. So unterstützte er z. B. die Entwicklung eines Mentoring-Programms der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie & Intensivmedizin (DGAI) und betreute selbst als Mentor mehrfach aufstrebende Nachwuchsforscher/innen. Für diesen Einsatz ehrte ihn die DGAI im Jahr 2018 mit der Manfred-Specker-Medaille. Darüber hinaus richtete Prof. Roewer seit seinem Amtsantritt die jährlichen „Wissenschaftlichen Arbeitstage“ der DGAI in Würzburg aus und leitete diese Veranstaltung zuletzt im Februar 2020. „Bei dieser Tagung steht der wissenschaftliche Nachwuchs im Mittelpunkt, der unserem Fach den akademischen ­Anspruch sichert“, erklärt Roewer. Dankbare Empfänger/innen für sein Wissen gab es im Lauf der weit über zwei Jahrzehnte am UKW genug: Hatte seine Klinik bei der Übernahme im Jahr 1996 gerade mal 76 ärztliche Planstellen, so stiegen diese mit zunehmenden Patientenzahlen und Versorgungsaufgaben bis heute auf rund 150 ärztliche Voll- und Teilzeitstellen an. Neben den vielfältigen Tätigkeiten in seinem Fachbereich war Prof. Roewer von 2009 bis Ende 2019 Stellvertretender Ärztlicher Direktor des UKW und brachte seine Kenntnisse im Vorstand sowie in verschiedenen Gremien – insbesondere in der Strategiekommission, bei Bauprojekten und im OP-Management – ein. Weiter als Seniorprofessor aktiv Und jetzt der Ruhestand? „Ich bin noch voller Schaffenskraft und tatendurstig. Außerdem gestalte ich immer noch gerne“, verkündet der humorvolle Mediziner. Die Medizinische Fakultät der Uni Würzburg weiß sich diese nach wie vor überschäumende Energie zunutze zu machen: Sie ernannte Norbert Roewer zum Seniorprofessor und betraute ihn mit dem Aufbau des Stiftungswesens für die Würzburger Universitätsmedizin. Ein weiteres großes Projekt für den Seniorprofessor: Der Aufbau eines bayerischen Netzwerks für Tele-­Intensivmedizin. Roewers Nachfolge als Klinikdirektor trat zum Jahresbeginn 2020 Prof. Dr. Patrick Meybohm an (siehe hier).

Bild: A. Natter