Spezifisches Steuerungs­molekül in Blutplättchen identifiziert

Ein bislang weitgehend unbekannte Molekül spielt bei der Aktivierung der Blut­plättchen eine zentrale Rolle, wie Würzburger Forscherinnen und Forscher kürzlich in einem Gemeinschaftsprojekt ermittelten. Daraus können sich Ansatzpunkte für die Medikamentenentwicklung gegen Thrombosen, Herzinfarkte und Schlaganfälle ergeben.

Kalzium ist in fast allen Zellen ein wichtiges Signalmolekül. Auch Blutplättchen, in der Fachsprache Thrombozyten genannt, werden durch Kalzium aktiviert und tragen dann zur Blutstillung und zum Wundverschluss bei. Allerdings kann eine fehlgeleitete Aktivierung der Blutplättchen durch unkontrollierte Kalzium-Signale auch zu akut lebensbedrohlichen Ereignissen wie Thrombosen, Herzinfarkten und Schlaganfällen führen, sowie Entzündungsreaktionen in den Blutgefäßen auslösen.

Aufklärung der Kolokalisierung von BIN2 (grün) und STIM1 (magenta) mit Hilfe von superhochauflösender Fluoreszenz­mikroskopie (dSTORM) im aktivierten Blutplättchen.

Mitspieler der Thrombozyten-­Aktivierung identifiziert Bisher war vor allem das Molekül STIM1 als essentieller Baustein bei der Regelung von Kalziumsignalen bekannt. Allerdings hat es diese Funktion in fast allen Zellen des Körpers inne. Ein Verlust von STIM1 hat daher starke Auswirkungen wie die Schwächung des Immunsystems. Deshalb eignet es sich nicht als Zielstruktur für die Entwicklung von ­Medikamenten.

„In unserer Studie konnten wir das bisher recht unbekannte Molekül BIN2 als neuen Interaktionspartner von STIM1 in Blutplättchen identifizieren und darüber hinaus zeigen, dass BIN2 auch mit einem weiteren Baustein der Kalzium-Maschinerie interagiert“, erklärt Prof. Dr. Bernhard Nieswandt. Er ist Inhaber des Lehrstuhls für Experimentelle Biomedizin mit Schwerpunkt Vaskuläre Biologie und Leiter des Instituts für Experimentelle Biomedizin, das vom Uniklinikum Würzburg (UKW) und dem Rudolf-­Virchow-Zentrum der Uni Würzburg ­gemeinsam getragen wird. Das Besondere an BIN2 ist, dass es sehr spezifisch in Blutplättchen vorkommt und nicht, wie STIM1, in vielen anderen Zellen. „Dadurch können wir die Thrombozyten zielgenau ansteuern, ohne die Funktionen in anderen Zellen zu stören“, ergänzt Julia Volz. Die Doktorandin wirkte entscheidend an der Studie mit, die im August dieses Jahres in der Fachzeitschrift „The Journal of Clinical Investigation“ veröffentlicht wurde.

Möglich wurde die Entdeckung durch die Zusammenarbeit mehrerer Forschungsgruppen aus dem Sonderforschungsbereich Transregio 240, der Uni Würzburg und des UKW. „Durch Superhochauflösende Fluoreszenzmikroskopie konnten wir nachweisen, dass die Mole­küle STIM1 und BIN2 im Plättchen in gewissen Abständen kolokalisieren und damit die biochemischen Daten untermauern“, erläutert Charly Kusch, der ebenfalls als Doktorand maßgeblich an der Arbeit beteiligt war. Ohne BIN2 verlaufen Schlaganfälle milder Mäuse, die kein BIN2 haben, weisen stark reduzierte Kalziumsignale in den Thrombozyten auf. Dadurch kommt es in ihren Blutgefäßen nach Beschädigung der Gefäßwand zu kleineren Blutgerinnseln, die Tiere sind teilweise geschützt vor arterieller Thrombose und Schlag­nfälle haben einen milderen Verlauf. Das zeigt, dass Moleküle wie BIN2 ein Ansatzpunkt für die Medikamentenentwicklung gegen Thrombosen, Herzinfarkte und Schlaganfälle sein könnten. Dazu müssen nun die genauen molekularen Mechanismen und weitere Interaktionspartner untersucht werden.

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