Zentrum für zelluläre Immun­therapie gebildet

Das Uniklinikum Würzburg hat in diesem Sommer ein Zentrum für zelluläre Immuntherapie gegründet. Neben der – nun gebündelten – interdisziplinären Expertise der beteiligten Mediziner zeichnet sich die Einrichtung durch ein hochspezialisiertes Labor aus. Dort kann klinikumsintern eine Vielzahl von Zellpräparaten hergestellt werden.

Der Leiter der Qualitätskontrolle, Dipl.-Biol. Johannes Rachor, im Reinraum­bereich des GMP-Zelltherapie-Labors beim Bestücken eines neuen, vollauto­matischen Zellseparators.

„Die Immuntherapie hat die Therapiemöglichkeiten in der Onkologie revolutioniert und in den letzten Jahren Erfolge erzielt, die bislang undenkbar waren“, zeigt sich Prof. Dr. Matthias Eyrich vom Uniklini­kum Würzburg (UKW) begeistert. Der auf Krebs in der Kinderheilkunde spezialisierte Mediziner leitet auch den Bereich Zelltherapie an der Uni­versitäts-Kinder­klinik. Dort, wie auch an der von Prof. Dr. Hermann Einsele geleiteten Medizinischen Klinik II, werden schon seit über 15 Jahren Immuntherapien, überwiegend im Bereich der allogenen Stammzelltransplantation, angewandt. In der Onkologie sollen aktivierte Immunzellen die körpereigene Immunabwehr gezielt dabei unterstützen, Krebszellen auf­zuspüren und anzugreifen. Die meisten Erfahrungen und Erfolge liegen dabei bislang bei der ­Behandlung von Blut- und Lymphknotenkrebs vor. Nun sollen auch solide Tumoren auf diesem Weg therapiert werden. „Es zeigt sich, dass dies ungleich schwieriger ist, aber auch dies wird gelingen“, ist sich Prof. Eyrich sicher. Weitere Fachbereiche des UKW haben ein zunehmend starkes Interesse, das Immunsystem für die Behandlung von Krebserkrankungen in ihren Organbereichen zu nutzen, zum Beispiel bei Hautkrebs und Gehirntumoren. Diese Bestrebungen und Aktivitäten bündelt das UKW jetzt in dem im August dieses Jahres ins Leben gerufenen Zentrum für zelluläre ­Immuntherapie. Erwartungen an die neue Zentrumsstruktur Mit der neuen Struktur sind eine ganze Reihe von weit­reichenden Erwartungen verbunden. „Dazu zählen sowohl eine Steigerung der Behandlungskapazität, wie auch eine Ausweitung der Anwen­dungs­gebiete“, sagt Prof. Dr. Michael Hudecek, CAR-T-Zell-Spezialist an der Medizinischen Klinik II. Was nichts anderes bedeutet, als dass in Zukunft noch mehr Patienten auf diese Weise behandelt werden sollen – und die Medizinerinnen und Mediziner gleichzeitig ein noch breiteres Spektrum an Tumorerkrankungen in Angriff nehmen wollen. „Passend zum Aus- und Weiterbildungsauftrag des Uniklinikums werden wir im Zentrum außerdem für Ärztinnen und Ärzte, wie auch für Patienten gemeinsam verstärkt Schulungen zum richtigen Umgang mit Immuntherapien ent­wickeln und anbieten“, kündigt Prof. Eyrich an. Last but not least ist eine Zentrumsstruktur gut für die Forschung und ihre Unterstützung auf diesem Gebiet.

Prof. Dr. Matthias Eyrich zusammen mit den Medizinisch-technischen Assistentinnen Judith Gierse (vorne) und Christine Öhrlein bei der Qualitätskontrolle eines im GMP-Zelltherapie-Labor des UKW selbsthergestellten Zelltherapie-Produktes.

GMP-Zelltherapie-Labor als essentieller Leistungsträger Immuntherapien gibt es in aller Regel nicht „von der Stange“. Vielmehr werden sie für jeden Patienten individuell hergestellt. Im Moment läuft das meistens so, dass dem Patienten werden eigene Zellen entnommen werden, diese werden dann in einem Speziallabor verändert und dem Patienten anschließend zurückinfundiert. Das UKW hat den großen Vorteil, dass es viele dieser Zellmanipulationen selbst durchführen kann. Dazu betreibt es im Untergeschoss des Gebäudes D30 seit dem Jahr 2006 ein GMP-Zelltherapie-Labor. GMP steht für „Good Manufacturing Practice“, was bedeutet, dass hier nachweislich alle gesetzlichen Anforderungen wie bei der Herstellung von Fertigarzneimitteln erfüllt werden. Als Herstellungsleiter und sogenannte Sachkundige Person ist Prof. Eyrich für die hochspezialisierte Einrichtung verantwortlich. Er erläutert: „Aktuell haben wir vom Paul-Ehrlich-Institut als zuständiger Bundesoberbehörde die Genehmigungen für die Herstellung von 16 verschiedenen Zellprodukten und ar­beiten daran, weitere zu bekommen. Diese Produktbreite ist bayernweit einzigartig.“ Pro Jahr stellt sein Laborteam aus sechs Medizinisch-technischen Assistentinnen und einem Leiter der Qualitätskontrolle unter Reinraumbedingungen rund 120 Produkte her, hauptsächlich im Bereich der Stammzelltransplantation. Etwa zwei Drittel der Produkte werden in der Medizinischen Klinik II an Erwachsene verabreicht, ein Drittel kommt in der ­Kinder­klinik zum Einsatz. Des­weiteren kommen mittlerweile auch Anfragen aus der gesamten Bundesrepublik.

Manche Zellmanipulationen müssen im Moment noch bei externen Biotechnologie- und Pharmafirmen stattfinden. „Hier arbeitet unser GMP-Labor als Kooperationspartner, der die hochkomplexe Logistik leisten kann, die erforderlich ist, um die Patientenzellen sicher um die halbe Welt zu senden“, beschreibt Prof. Eyrich. Breite Forschungs­bemühungen am UKW Am UKW laufen derzeit mannigfaltige Forschungsbemühungen, um gerade auch für seltenere Tumore neue Zelltherapien zu entwickeln und verfügbar zu machen. „Das GMP-Zelltherapie-Labor fungiert hier unter anderem als Bindeglied zwischen präklinischer Laborforschung und klinischen Studien“, verdeutlicht der Herstellungsleiter. Aktuelle Studien am Würzburger Uniklinikum beschäftigen sich beispielsweise mit den Einsatzmöglichkeiten von Immuntherapien bei Erwachsenen mit Multiplem Myelom. Bei Kindern wird unter anderem an Behandlungsmöglichkeiten für das Neuroblastom, einem bösartigen Nerven­tumor, sowie an einem ­Tumorimpfstoff für kindliche Hirntumoren gearbeitet. Um für die jungen Krebspatienten solche Fortschritte nutzbar zu machen, konnte das UKW ­einen italienischen Wissenschaftler, Dr. Ignazio Caruana, rekrutieren, der erst vor wenigen Wochen seine Arbeit an der Kinderklinik aufnahm. Neue Reinräume im ZIM geplant Was die Weiterentwicklung des GMP-Labors angeht, so ist laut Prof. Eyrich neben ­einer stärkeren Automatisierung von Herstellungsschritten vor allem die technische Weiterentwicklung der Herstellungsräume wichtig. Für den „Wachstumsbereich Zelltherapie“ werden in zwei bis drei Jahren im Zentrum für Innere Medizin des UKW neue Reinräume zur Ver­fügung stehen. „Dies wird unsere Abhängigkeit von industriell hergestellten Präparaten vermindern und es uns ermöglichen, auch für seltene Erkrankungen individualisierte Zellprodukte anbieten zu können,“ kündigt der Herstellungsleiter an.