Stiftungsprofessur für eine bessere Krebstherapie

Eine bestmögliche Versorgung von Krebspatienten: Das ist das Ziel einer neuen Stiftungsprofessur an der Uni Würzburg.

Die Uni Würzburg und das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittel­sicherheit (LGL) unterzeichneten im September eine ­Kooperationsvereinbarung. Damit rief das LGL eine „Professur für klinische Epidemiologie von Krebserkrankungen“ ins Leben, die am Institut für Klinische Epidemiologie und Biometrie (IKE-B) angesiedelt ist. Bei der Vertragsunterzeichnung anwesend waren Prof. Dr. Manfred Wildner, Leiter des Landesinstituts für Gesundheit am LGL, Unipräsident Prof. Alfred Forchel und Prof. Dr. Peter Heuschmann, Vorstand des IKE-B. Ziel der durch das LGL finanzierten und fachlich unterstützten Stiftungsprofessur ist es, eine individuelle und bestmögliche Versorgung der an Krebs erkrankten Patienten zu erreichen. „Die Epidemiologie – also die Wissenschaft von der Häufigkeit und Verteilung von Krankheiten oder Gesundheitszuständen sowie den sie beeinflussenden Faktoren in der Bevölkerung – kann hierzu einen entscheidenden Beitrag leisten“, sagte Prof. Wildner. Aus den im Bayerischen Krebsregister gesammelten Daten lassen sich Antworten auf viele Fragen herauslesen: Welche Arten von Krebs treten besonders häufig auf? Gibt es Regionen, in denen eine spezielle Krebsart überdurchschnittlich oft zu finden ist? Wie ist die Altersstruktur der Betroffenen? Wie sind ihre Überlebenschancen? Die Professur richtet ihren Blick auf detailliertere Untersuchungen zu den klinischen Verläufen einzelner Krebserkrankungen während der gesamten Behandlung. Sie ist gleichzeitig verbunden mit der Leitung des „Regionalzentrums Würzburg des Bayerischen Krebsregisters“ des LGL für die Region Unterfranken. Damit schlägt die neue Professur eine Brücke zwischen Theorie und Praxis. Übergeordnetes Ziel ist es, den Ansatz der evidenzbasierten Medizin weiter zu stärken.

Nach der Vertragsunterzeichnung (v.l.): Dr. Uwe Klug, Kanzler der Uni Würzburg, Unipräsident Prof. Alfred Forchel, Prof. Peter Heuschmann, Vorstand des IKE-B, und Prof. Manfred Wildner, Leiter des Landesinstituts für Gesundheit am LGL.

Noch schneller zur ­bestmöglichen Versorgung Dieser Ansatz betont die individuelle Situation eines erkrankten Menschen und sucht nach der jeweils best­mög­lichen, wissenschaftlich abgesicherten Behandlung. Die intensive Zusammen­arbeit von behandelnden Ärzt*­innen und den epidemiologischen Expert*innen des Krebsregisters bietet die Chance, fortlaufend Erkenntnisse zu den Behandlungs­ergebnissen im gesamten Krankheitsverlauf zu gewinnen. Die enge Zusammen­arbeit mit der klinischen Versorgung soll dazu beitragen, eine individuell bestmögliche Versorgung der Patient*innen noch schneller als bisher zu gewährleisten. Die Professur wird mit Einrichtungen der Uni und des Uniklinikums im Bereich der Tumorerkrankungen kooperieren, wie dem Comprehensive Cancer Center Mainfranken sowie dessen regionalem Netzwerk. Auch wenn die Erkenntnisse zunächst für die Region Unterfranken gewonnen werden, fließen sie darüber hinaus auch überregional in die wissenschaftliche Diskussion und eine verbesserte Behandlung der verschiedenen Krebserkrankungen deutschlandweit und international ein.

Bild: G. Bartsch - Universität Würzburg | Illustration: Valenty - stock.adobe.com

Neue Therapie bei Schilddrüsen- und Lungenkrebs

Der RET-Inhibitor Selpercatinib kann bei bestimmten Formen von fortgeschrittenem Schilddrüsenkrebs einen deutlichen Rückgang der Erkrankung bewirken. Das ist eines der Ergebnisse einer internationalen Studie, an der auch das UKW beteiligt war.

Neue Therapie bei Schilddrüsen- und Lungenkrebs

Der RET-Inhibitor Selpercatinib kann bei bestimmten Formen von fortgeschrittenem Schilddrüsenkrebs einen deutlichen Rückgang der Erkrankung bewirken. Das ist eines der Ergebnisse einer internationalen Studie, an der auch das UKW beteiligt war.

Das Team des UKW, das gemeinsam die Studie zu Selpercatinib beim medullären Schilddrüsenkarzinom durchführte und die Substanz in weiteren Studien erprobt (v. l.): Prof. Dr. Ralf Bargou, Dr. Maria-Elisabeth Goebeler, Prof. Dr. Martin Fassnacht, PD Dr. Barbara Deschler-Baier, Linda Ziebeker, Dr. Horst-Dieter Hummel, Christian Reitz und Prof. Dr. Dr. Matthias Kroiß.

Krankmachende Veränderungen in der Erbsubstanz von Zellen, im sogenannten RET-Gen, sind ursächlich für die Ent­stehung diverser Krebs­arten. Diese Veränderungen bieten einen Ansatzpunkt für neue Präzisionsmedikamente, da sie nur in Krebszellen, aber nicht in gesunden Zellen vorkommen. Ein solches Medikament ist der RET-Inhibitor Selpercatinib. Er wurde in einer internationalen Phase I/II-Studie bei Patienten mit medullärem Schilddrüsenkarzinom erfolgreich erprobt. Die Ergebnisse wurden im August 2020 in der Fachzeitschrift New England Journal of Medicine (NEJM) veröffentlicht. Einer der Koautoren der Publikation ist Prof. Dr. Dr. Matthias Kroiß von der Medizinischen Klinik I des UKW. Der Endokrinologe erläutert: „Beim fortgeschrittenen medullären Schilddrüsenkarzinom und bei seltenen Formen anderer Schilddrüsenkarzinome sind die bisherigen Therapieoptionen limitiert. In der Studie gelang es, mit dem neuen RET-Inhibitor bei 69 % der Patienten mit vorbehandeltem medullärem Schilddrüsen­karzinom ein Ansprechen zu erzielen. Bei 82 % der Patienten schritt die Erkrankung innerhalb eines Jahres nicht weiter fort.“ Betreuung im ISZ Insgesamt berichtet die Ver­öffentlichung über die ersten 162 behandelten Patienten. Das UKW konnte bislang fünf Patienten in die Studie einbringen. Betreut werden sie vom Interdisziplinären Studienzentrum (ISZ) am Comprehensive Cancer Center (CCC) Mainfranken. „Die Studie ist für uns ein Meilenstein, da RET-­Veränderungen nicht nur bei Schilddrüsentumoren vorkommen, sondern selten auch bei anderen bösartigen Erkrankungen“, unterstreicht Dr. Maria-Elisabeth Goebeler, die Leiterin des ISZ. Wie eine parallel im NEJM erschienene Studie zeigte, können nicht nur Patienten mit seltenen Schilddrüsenkarzinomen von Selpercatinib profitieren – auch bei einer kleinen Untergruppe von Patienten mit nicht-kleinzelligen Lungenkarzinomen sind Behandlungserfolge möglich. Die Ergebnisse veranlassten die US-Arzneimittelbehörde FDA bereits zur Zulassung von Selpercatinib sowohl beim Schilddrüsenkarzinom, wie auch beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom. „Solange Selpercatinib in Deutschland noch nicht zugelassen ist, besteht für Patienten mit Schilddrüsenkarzinom und Lungenkrebs, bei denen eine RET-Veränderung vorliegt und die Standardtherapie bereits angewendet wurde, even­tuell die Möglichkeit, an einem Härtefallprogramm teilzunehmen, das wir am CCC bereithalten“, berichtet Prof. Dr. Ralf Bargou, Direktor des CCC Mainfranken. Weitere Entwicklungen laufen Die Entwicklung von Selpercatinib – und anderer RET-Inhibitoren – ist allerdings noch keineswegs abgeschlossen. „Derzeit läuft auch am UKW eine Studie, bei der Patienten mit RET-mutiertem fortschreitendem medullärem Schilddrüsenkarzinom nach dem Zufalls­prinzip Selpercatinib oder die derzeitige Standardtherapie erhalten“, sagt Prof. Dr. Martin Fassnacht, Leiter des Schwerpunkts Endokrinologie. Prof. Bargou ergänzt: „Über unser CCC-Netzwerk haben Patienten mit einem der seltenen RET-aktivierten Lungenkarzinome die Möglichkeit, an einer ähnlichen Studie mit dem RET-Inhibitor Praseltinib teilzunehmen.“