Wie

gesund

sind

Würzburger

Herzen?

Die erste große Auswertung der STAAB-Kohortenstudie am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz (DZHI) wurde jetzt im European Journal of Preventive Cardiology publiziert. Die Untersuchung von 5.000 Würzburgern auf Vorstufen einer Herzinsuffizienz sorgt für einige Überraschungen. 59 Prozent weisen die Vorstufe einer Herzschwäche, medizinisch Herzinsuffizienz, auf. Jetzt wollen die Forscher wissen, wie es ihren Studienteilnehmern zu Zeiten Corona gegangen ist.

Über die Annahme der ersten Auswertungsergebnisse zur Publikation* freuen sich die Studienleiter Professor Stefan Störk, Leiter der klinischen Forschung am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz (DZHI), und Professor Peter U. Heuschmann, Direktor des Instituts für Klinische Epidemiologie und Biometrie (IKE-B), mit dem gesamten Studienteam. Die beiden Wissenschaftler hatten die STAAB-Studie vor sieben Jahren als gemeinsames Projekt der beiden Einrichtungen an der Universität und am Universitätsklinikum Würzburg gestartet. Der Dank der Forscher gilt an dieser Stelle den 5.000 Würzburgerinnen und Würzburgern, ohne deren Teilnahme und Bereitschaft, ihre medizinischen Daten zur Verfügung zu stellen, dieser Erfolg nicht möglich gewesen wäre. Fast jeder zweite hat mindestens einen Risikofaktor In der STAAB-Studie wird erforscht, wie häufig Risikofaktoren und Vorstufen der Herzinsuffizienz, die Stadien A und B, in der Bevölkerung im Alter von 30 bis 79 Jahren auftreten und in ein höheres Stadium der Herzinsuffizienz übergehen. Die Studienteilnehmer wurden von der Stadt Würzburg nach dem Zufallsprinzip ausgewählt und vom Studienteam angeschrieben. Diejenigen, die keine vorbekannte Herzinsuffizienz hatten, wurden innerhalb von rund vier Jahren zweimal untersucht.

Von den in der Studie Untersuchten hatten 42 Prozent einen oder mehrere Risikofaktoren für Herzschwäche, aber im Ultraschall ein normales Erscheinungsbild des Herzens. Sie befanden sich im Stadium A. In dieser Gruppe ist mit 45 Prozent am meisten verbreitet der Risikofaktor Bluthochdruck. An zweiter Stelle steht mit 20 Prozent starkes Übergewicht. Diese Risikofaktoren findet man bereits zu einem erheblichen Teil bei jüngeren Menschen von 30 bis 39 Jahren; elf Prozent hatten Bluthochdruck, zehn Prozent Adipositas.

Sind 60 Prozent der Bevölkerung herzkrank? Bei weiteren 17 Prozent der Studienteilnehmer wurde im Ultraschall eine strukturelle Veränderung am Herzen ge­funden, die noch keine Symptome verursacht, zum Beispiel verdickte Herzwände, erweiterte Herzkammern oder Einschränkungen der Pump- oder Füllungsfunktion. Sie gehören demnach zum Stadium B.

A und B zusammengerechnet, bedeutet das, dass etwa 60 Prozent der Bevölkerung für herzkrank erklärt werden? „Nein!“, sagt Götz Gelbrich, Professor für Biometrie am IKE-B. „Die Vorstufen einer Herzinsuffizienz münden nicht zwingend in einer Herzschwäche, sollten aber ärztlich abgeklärt werden, zumal sie auch andere gesundheitliche Folgen haben können. Bluthochdruck kann zum Beispiel Schlaganfall oder Nierenversagen verursachen.“ Suche nach dem unbekannten Risikofaktor Für eine Überraschung sorgte ein Sachverhalt, der in den Daten festgestellt wurde: Etwa jeder dritte Teilnehmer ­hatte keinen der bekannten Risikofaktoren und dennoch eine Veränderung der Herzstruktur. Diese Subgruppe war mit einem Durchschnittsalter von 47 Jahren auffällig jung und vorwiegend weiblich (78 %).

Was schädigt vor allem die Herzen jüngerer Frauen? Dr. Caroline Morbach, Kardiologin und Studienärztin am DZHI: „Wir können uns derzeit nicht erklären, was dazu beiträgt, dass so viele überwiegend jüngere Frauen eine vergrößerte linke Herzkammer haben, ohne dass wir einen der bekannten Risikofaktoren finden. Wir haben sehr viele Faktoren unter die Lupe genommen, Alkohol, Bewegung, Depression, eine Anämie, also einen Mangel an rotem Blutfarbstoff, der den Sauerstoff transportiert. Aber wir haben keine eindeutige Ursache gefunden.“

Stefan Störk ergänzt: „Es liegt nahe, dass es Risikofaktoren gibt, die bislang nicht als solche bekannt sind und nach denen daher bisher auch in der Vorsorge nicht gesucht wird. Das zeigt uns, dass bei dieser Gruppe die derzeitigen Präventionsmaßnahmen nicht greifen.“

Peter U. Heuschmann resümiert: „Im Rahmen der geplanten Folgeunter­suchungen aller Studienteilnehmer werden wir zum einen untersuchen, ob diese spezielle Gruppe wirklich ein höheres Risiko hat, eine Herzschwäche zu ent­wickeln, und zum anderen der Frage nach weiteren möglichen Risikofaktoren detailliert nachgehen.“ Würzburger STAAB-COVID Programm Die Folgeuntersuchungen der Studienteilnehmer sollen im Abstand von drei bis vier Jahren stattfinden. Die erste Welle war bereits in vollem Gange: Mehr als 3.000 Probanden hatten erfreulicherweise schon ihren Folgetermin. Aufgrund der Corona-Pandemie wurden die Untersuchungen im Interesse der Sicherheit aller Beteiligten unterbrochen beziehungsweise haben einen weiteren Fokus bekommen: SARS-CoV-2.

Mit Covid-19 ist nun ein neues Risiko in unser Leben gekommen. Es gibt zahlreiche unbeantwortete Fragen zu SARS-CoV-2, die unseren Alltag bestimmen und unser Leben einschränken. Das STAAB-Programm bietet die einzigartige Möglichkeit, aus einer lokal repräsentativen und bereits umfassend charakterisierten Gruppe von Menschen rasch und mit höchster Qualität hoch­relevante Fragen zu beantworten: Wie ist die tatsächliche Verbreitung des ­Virus in der Bevölkerung? Wer trägt bereits Antikörper und ist immun, ohne es zu wissen beziehungsweise ohne die Infektion durchgemacht zu haben? Wie verändert sich der Antikörperstatus im Laufe der Zeit? Und wie wirkt sich die Corona-Pandemie im Allgemeinen und eine Infektion im Speziellen auf Körper, Geist und Seele aus?

Wissenschaftsminister Bernd Sibler bedankte sich persönlich für die beeindruckende Pionierarbeit und übernahm gern die Schirmherrschaft für das von seinem Ministerium mit 1,5 Millionen Euro unterstützte Würzburger STAAB-COVID-Programm. „Die Datengrundlage ist enorm, wir hoffen nun, daraus grundlegende Erkenntnisse zu gewinnen", sagte Sibler im Rahmen einer Pressekonferenz im DZHI. "Wir wollen das Virus besiegen und den Menschen Lebenssicherheit geben.“

Autorin: Kirstin Linkamp

*Publikation der Studie "Prevalence and determinants of the precursor stages of heart failure: results from the population-based STAAB cohort study” im European Journal of Preventive Cardiology: https://doi.org/10.1177/2047487320922636