Behand­lungs­­erfolge

bei Multiplem Myelom

Eine Phase I-Studie zeigte, dass die Therapie mit dem bispezifischen Antikörper AMG 420 bei Patienten mit fortgeschrittenem Multiplem Myelom hervor­ragende Ergebnisse erzielen kann. Das Uniklinikum Würzburg konzipierte das multizentrische Projekt und schloss auch die meisten Patienten ein.

Der mit der BiTE-Technologie hergestellte bispezifische Antikörper ist in der Lage, T-Zellen an die Myelom-Zellen zu binden und so deren Zerstörung einzuleiten.

Ein Artikel in der März-Ausgabe der US-amerikanischen medizinischen Fachzeitschrift Journal of Clinical Oncology fasst die Erfolge zusammen, die eine Phase I-Studie mit dem bispezifischen Antikörper AMG 420 bei der Behandlung von Patienten mit Multiplem Myelom erzielen konnte. Die bösartige Krebserkrankung des blutbildenden Systems gilt derzeit als noch nicht heilbar. Nach der in der Studie erprobten Immuntherapie konnte allerdings bei 50 Prozent der Patienten der Tumor selbst mit den empfindlichsten Diagnosemethoden nicht mehr nachgewiesen werden. An dem vor rund drei Jahren gestarteten und Mitte 2019 beendeten Vorhaben waren neben drei französischen Krebsforschungszentren auch die Universitätsklinika in Ulm und Würzburg beteiligt. Eine führende Rolle spielte die Medizinische Klinik und Poliklinik II des Uniklinikums Würzburg (UKW): Die von Prof. Dr. Hermann Einsele geleitete Klinik konzipierte die Studie und rekrutierte auch die meisten Teilnehmer/innen. „Für die ansonsten austherapierten Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung war die Studienteilnahme eine erneute Chance auf eine Verbesserung ihrer Situation“, berichtet Prof. Einsele. Ein Antikörper mit zwei Zielproteinen Wie funktioniert der eingesetzte Wirkstoff? „AMG 420 ist ein gentechnisch designter Antikörper. Er hat zwei Zielproteine, weshalb man ihn auch als ‚bispezifisch‘ bezeichnet“, erläutert Prof. Dr. Max Topp, der Studienleiter der AMG 420-Studie. Der Schwerpunktleiter Hämatologie an der Medizinischen Klinik II und Erstautor der Studienpublikation fährt fort: „Das erste Ziel ist das B-Zell-Reifungsantigen BMCA, das hauptsächlich auf Myelomzellen vorkommt. Das zweite ist CD3, ein Protein, das auf der Oberfläche von T-Zellen – den effektivsten körpereigenen Abwehrzellen – zu finden ist.“ Mit der Kopplung an diese beiden Proteine zieht AMG 420 T-Zellen an die Krebszellen und bindet sie dort. So werden die Killer­zellen in die Lage versetzt, die Myelomzellen, die sich ansonsten durch eine biochemische Tarnung vor dem Zugriff der T-Zellen schützen, zu vernichten. Insgesamt erhielten 42 Patienten per Infusion den Wirkstoff. Hierbei ging es zunächst darum, die richtige Dosierung zu finden. Es zeigte sich, dass 400 Mikrogramm pro Tag die beste Dosis ist. Diese Medikamentenmenge wurde anschließend zehn Patienten verabreicht – jeweils in mehreren Zyklen und per Dauerinfusion. Je nach der individuell unterschiedlichen Anzahl an Zyklen dauerte die Behandlung bis zu 60 Wochen. Hochwirksam – bis zur Totalremission Sieben der zehn Patienten ­erreichten zumindest eine signifikante Remission, bei fünf Patienten konnte sogar keine minimale Resterkrankung mehr erkannt werden. Das heißt: Es waren selbst mit den feinsten Messmethoden keine Myelomzellen mehr nachweisbar. Diese Total­remission hält bei manchen Studienteilnehmern schon seit mittlerweile rund einem Jahr an, die Krebserkrankung ist bei ihnen bislang nicht zurückgekehrt. „Auch die Nebenwirkungen hielten sich insgesamt in einem sehr ­akzeptablen Rahmen“, freut sich Prof. Einsele. Der Letztautor der Studie hofft, dass die Behandlung mit bispezifischen Antikörpern schon in ein bis zwei Jahren in die Routineversorgung von Myelom-Patienten übergehen kann.