STUDIE

Anti-Tumormittel aus dem Darm

Bestimmte Stoffwechselprodukte von Bakterien aus dem Darm machen ­Immunzellen aggressiver. Das zeigt eine neue Studie des UKW und der Uni ­Marburg. Die Erkenntnisse könnten helfen, Krebstherapien zu verbessern.

Die Stoffwechselprodukte von Darmbakterien können die zytotoxische Aktivität bestimmter Immunzellen steigern und damit die Effizienz von Tumortherapien verbessern. Bild: skd - stock.adobe.com

Jeder Mensch trägt geschätzt rund 100 Billionen Bakterienzellen in seinem Verdauungstrakt, die mehreren tausend ­Arten angehören. Es häufen sich die Befunde, dass dieses Mikrobiom nicht nur für die Verdauung von zentraler Bedeutung ist, sondern auch viele Körperfunktionen, wenn nicht steuert, so doch zumindest beeinflusst. Besonders häufig genannt wird dabei das Immunsystem.

Wissenschaftler*innen des Uniklinikums Würzburg und der Uni Marburg gelang erstmals der experimentelle Nachweis, dass bakterielle Stoffwechselprodukte in der Lage sind, die zytotoxische Aktivität bestimmter Immunzellen zu steigern und damit die Effizienz von Tumortherapien zu verbessern. Über die Zusammensetzung der Bakterienarten im Mikrobiom könnte somit im Idealfall dessen Einfluss auf den Therapieerfolg gesteuert werden.

Die Ergebnisse der Studie wurden im Juli 2021 in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht. Verantwortlich dafür war Dr. Maik Luu, Postdoc im Labor von Prof Dr. Michael Hudecek an der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des UKW. Weiterer Beteiligter war Prof. Dr. Alexander Visekruna vom Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene der Philipps-Universität Marburg, wo Luu vor seinem Wechsel nach Würzburg forschte. Fettsäuren steigern die Aktivität der Killerzellen „Wir konnten zeigen, dass die kurzkettigen Fettsäuren Butyrat und insbesondere Pentanoat in der Lage sind, die zytotoxische Aktivität von CD8-T-Zellen zu steigern“, beschreibt Dr. Luu die zentrale Erkenntnis der Studie. CD8-T-Zellen werden bisweilen auch Killerzellen genannt. Als Teil des Immunsystems ist es ihre Aufgabe, für den Organismus schädlich Zellen gezielt zu töten.

Kurzkettige Fettsäuren wiederum gehören zur dominantesten Klasse von Stoffwechselprodukten des Darmmikro­bioms. Sie können auf der einen Seite den Stoffwechsel von T-Zellen ankurbeln, indem sie zentrale Regulatoren des Energie­stoffwechsels induzieren. Auf der anderen Seite können sie spezielle Enzyme hemmen, die in den T-Zellen die Zugänglichkeit zum Erbgut und somit die Gen-Expression regulieren. Dabei rufen sie epigenetische Veränderungen hervor. Solide Tumormodelle werden effektiver bekämpft „Wenn kurzkettige Fettsäuren CD8-T-Zellen umprogrammieren, führt dies unter anderem zu einer gesteigerten Produktion entzündungsfördernder und zytotoxischer Moleküle“, erklärt Luu. Im Experiment steigerte eine Behandlung mit der Fettsäure Pentanoat die Fähigkeit von Tumor-spezifischen T-Zellen, solide Tumormodelle zu bekämpfen. „Denselben Effekt konnten wir bei der Bekämpfung von Tumorzellen mit sogenannten CAR-T-Zellen beobachten“, sagt der Wissenschaftler. CAR-T-Zellen sind ausgeschrieben „Chimäre Antigen-Rezeptor-T-Zellen“. Während normale T-Zellen gegenüber Tumorzellen weitgehend „blind“ sind, sind CAR-T-Zellen dank einer gentechnologischen Veränderung in der Lage, spezifische Ziel-Antigene auf der Tumoroberfläche zu er­kennen und die Krebszellen zu vernichten. Prof. Hudecek ist einer der führenden Experten auf dem Gebiet der CAR-T-Zell-Forschung.

Finanziell unterstützt wurde die Studie von der P. E. Kempkes-­Stiftung, der Von Behring-Röntgen-Stiftung, der Deutschen Krebshilfe, der Fazit-Stiftung und der Deutschen Forschungsgemeinschaft.