STUDIE

Mehr Mut zum Training!

Die Pilotstudie „HIP-in-Würzburg“ des Deutschen Zentrums für Herzinsuffizienz Würzburg zeigt, dass körperliches Training sowohl die Lebensqualität als auch den Schweregrad der Herzinsuffizienz verbessern kann.

Bilder: K. Ebert | Halfpoint sowie Nadezda Grapes- stock.adobe.com

„Sport mit schwachem Herzen? Unmöglich!“ Das denken viele Betroffene, aber auch Trainer*innen. Die Angst vor einem kardiovaskulären Ereignis während des Trainings ist auf allen Seiten zu groß. Doch eine Pilotstudie des Deutschen Zentrums für Herzinsuffizienz Würzburg (DZHI) zeigte, dass ein ärztlich überwachtes körperliches Training für Patient*innen mit Herzinsuffizienz durchaus machbar, sicher und förderlich ist. „Wir hoffen, dass wir mit unserem erfolgreichen Übungsexperiment die Entwicklung weiterer risikoadaptierter Trainingsprogramme für Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz erleichtern“, kommentiert Prof. Dr. Stefan Störk, Leiter der Klinischen Forschung und Epidemiologie am DZHI. Schließlich brachte bereits im Herbst 2019 die Deutsche Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauf-Erkrankungen e. V. (DGPR) gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) ein Positionspapier zu Herzinsuffizienzsportgruppen heraus. Seit dem Jahr 2020 können diese durch die Einführung einer neuen Positionsnummer mit einem höheren Vergütungssatz abgerechnet werden.

Studie ist ein Weckruf „Doch dann kam Corona!“, fügt die Erst­autorin der Studie, Prof. Dr. Gülmisal Güder, hinzu. „Leider sind viele Herzkranke sowie Herzinsuffizienzpatientinnen und -patienten während der Pandemie zuhause geblieben und haben sichtlich abgebaut“, berichtet die Kardiologin aus der Medizinischen Klinik und Poliklinik I am Uniklinikum Würzburg. Daher sieht sie diese Studie als eine Art Weckruf. „Werdet wieder aktiv! Trainiert Eure Kraft und Kondition! Und seid ruhig etwas mutiger!“ Lobby für betreutes Herzinsuffizienztraining Die Pilotstudie, die in der Fachzeitschrift Clinical Research in Cardiology veröffentlicht wurde, zeigte, dass die Studienteilnehmenden, zwölf Patientinnen und Patienten mit eingeschränkter Pumpleistung des Herzens (Ejektionsfraktion < 45 %, NYHA* Klasse II/III), das wöchentliche Training in der Sporthalle der DJK Würzburg sehr gut absolvieren konnten und es während der Trainingseinheiten keine Herz-Kreislauf-­Zwischenfälle gab. „Wir waren sehr vorsichtig. Das Training hätte sogar noch etwas intensiver ausfallen können“, bemerkt Gülmisal Güder rückblickend. Ein Jahr lang trainierten die Männer und Frauen zwischen 42 und 77 Jahren (Mittel 64 Jahre) unter ärztlicher Aufsicht und nach Anleitung von speziell ausgebildeten Übungsleiter*innen ihre Ausdauer, Kraft und Koordination. Vor jedem Training wurden die Basiswerte wie Bluthochdruck und Puls gemessen und somit die Trainingstauglichkeit geprüft. „Eine dekompensierte Patientin oder ein dekompensierter Patient ist natürlich nicht belastbar und sollte nicht am Training teilnehmen“, legt der niedergelassene Kardiologe Dr. Christian Rost dar. Der Vizepräsident des Bayerischen Sportärzteverbandes hat die Herzinsuffizienzsportgruppe mitgegründet und betreut. Es ist ihm eine Herzensangelegenheit, seine Patient*innen zum Training zu motivieren, sie zu unterstützen und entsprechende Ressourcen zu schaffen, damit die Sporttherapie in ganz Deutschland auch für Herzinsuffizienzpatienten zugänglich ist. Es gibt bereits rund 6.000 Herzsportgruppen in Deutschland, in denen 120.000 Herzkranke Rehabilitationssport betreiben. Patient*innen mit einer schweren Herzinsuffizienz wurden von diesem Training jedoch mitunter ausgeschlossen. Sie seien zu wenig belastbar, ihre Betreuung sei zu intensiv.

Einmal pro Woche trainiert in Würzburg die Herzinsuffizienzsportgruppe.

Leistungsfähigkeit und Lebens­qualität maßgeblich verbessert Mit der klinischen Studie „HIP-in Würzburg“ bewies das DZHI das Gegenteil. Bei jedem Training war eine Ärztin oder ein Arzt zugegen, so wie es auch bei jeder anderen Herzsportgruppe vorgeschrieben ist. Während des Trainings trugen die Teilnehmer*innen einen Aktivitäts-Tracker mit integrierter Pulsuhr. Vor Studienbeginn sowie nach vier, acht und zwölf Monaten wurden die Teilnehmer im DZHI umfassend untersucht. Neben einem Herzultraschall, Herz-Lungen-Belastungstest und 6-Minuten-Gehtest gab es einen Fragebogen zur Lebensqualität. Die Ergebnisse wurden in Kooperation mit den Instituten für Informatik und für Sportwissenschaft der Universität Würzburg ausgewertet. Sie unterstreichen einmal mehr den Erfolg der Sporttherapie: Nach einem Jahr halbierte sich der Biomarker für Herzinsuffizienz, der so genannte NT-proBNP-Wert. Die Auswurffraktion erhöhte sich von durchschnittlich 36 ­Prozent auf 41 Prozent. Die Leistungsfähigkeit und Aktivität im Alltag wurden maßgeblich verbessert und somit auch die Lebensqualität.

„Wir sind so begeistert von unseren Ergebnissen, dass wir in einer Folgestudie Patientinnen und Patienten aktivieren möchten, die derzeit noch weniger belastbar sind und sich ausschließlich in der ­NYAH-Klasse III befinden“, berichtet Gülmisal Güder. Interessenten können sich schon jetzt gern in der Herzinsuffizienz-Ambulanz anmelden:

dzhi-ambulanz@ukw.de, Telefon 0931 201-46300. Weitere Informationen zum ­herzgesunden Leben: www.meinherz.eu

Autorin: Kirstin Linkamp

*Die NYHA-Klassifikation ist ein von der New York Heart Association veröffentlichtes Schema, das die Herz­insuffizienz in bestimmte Stadien einteilt, von keiner (I) über leichte (II) und starke (III) Einschränkungen der Belastbarkeit bis hin zu dauerhafter Symptomatik selbst im Ruhezustand (IV).