Wie erhöhter Blutzucker

Herz und Nieren schadet

Zum Weltdiabetestag am 14. November machten Diabetologen, Nephrologen und Kardiologen des Uniklinikums Würzburg (UKW) auf die Risiken aufmerksam, die Diabetes mellitus mit sich bringt. Die Zuckerkrankheit ist eine der häufigsten Ursachen für Herz-Kreislauf- und Nieren­erkrankungen. Ein gut eingestellter Blutzucker und regelmäßige Herz- und Nierenchecks sind daher essentiell für Diabetiker.

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Laut der International Diabetes Federation (IDF) leben 463 Millionen Erwachsene weltweit mit Diabetes. Jede zweite Diabetes-Erkrankung bleibt lange unentdeckt. 232 Millionen Betroffene leben demnach mit Diabetes, ohne es zu wissen. Ein erhöhter Blutzucker tut erst einmal nicht weh, was die Erkrankung umso fataler macht. Betroffene sterben im Schnitt fünf bis zehn Jahre früher, meist, weil der Diabetes zu spät diagnostiziert und behandelt wird, die Nieren oder das Herz versagen. Das Herz-Nieren-Diabetes-Dilemma Eine besonders unglückliche Kombination ist die Trias aus Diabetes, chronischer Nierenerkrankung und Herzinsuffizienz, wie Prof. Dr. Martin Fassnacht, der Leiter der Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Würzburg erklärt. In einer zusammenfassenden Analyse vieler Studien wurde bei Menschen mit Diabetes ein sechsfach höheres Risiko für die Entwicklung eines Nierenversagens mit anschließend erforderlicher Nierenersatztherapie festgestellt, als bei Menschen ohne Diabetes. Viele sterben während des Fortschreitens der Nierenerkrankung an kardiovaskulären Ursachen. Tatsächlich ist die Kombination von Diabetes und chronischer Niereninsuffizienz stark mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und einer höheren Morbidität und Sterblichkeit verbunden. Am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz (DZHI) werden schon seit vielen Jahren die wechselseitigen Erkrankungen erforscht. Man dürfe die Herzinsuffizienz nicht als isolierte Erkrankung des Herzens ansehen, sondern als System­erkrankung, sagt Prof. Dr. Stefan Störk, Leiter der Herzinsuffizienz-Ambulanz DZHI. „Mehr als die Hälfte der Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz haben sieben oder mehr Begleiterkrankungen!“ Die häufigste Begleiterkrankung ist der hohe Blutdruck mit 66 Prozent, gefolgt von chronischer Niereninsuffizienz mit 50 Prozent, Diabetes mit 32 Prozent und Übergewicht mit 26 Prozent.

Je eher jedoch eine Funktionsstörung des Herzens oder der Niere entdeckt wird, desto besser sind die Behandlungschancen. Eine chronische Herz- oder Niereninsuffizienz ist bislang nicht heilbar, aber das Fortschreiten der Erkrankung lässt sich verlangsamen oder gar aufhalten! Umso wichtiger sind Prävention, Früherkennung sowie der Zugang zu entsprechenden Therapien – vor allem für Diabetikerinnen und Diabetiker. Blutzucker und Blutdruck im Auge behalten Eine Herz- oder Niereninsuffizienz kommt wie Diabetes und übrigens auch Bluthochdruck in der Regel still und leise. Zur Zeit der Diagnosestellung haben alle vier Erkrankungen oft schon vollkommen unbemerkt ihre Zerstörungsarbeit geleistet. Wer denkt bei Müdigkeit, geschwollenen Beinen, Juckreiz der Haut und Appetitlosigkeit direkt an eine Herz- oder Nierenerkrankung? Daher ist besondere Aufmerksamkeit geboten! „Denn wer Blutzucker und Blutdruck kennt und unter Kontrolle hat, kann sein Risiko für eine Funktionsstörung des Herzens oder der Nieren erheblich senken. Und wer bereits Diabetiker ist, sollte unbedingt einmal im Jahr sein Blut und Urin untersuchen lassen“, rät Prof. Dr. Christoph Wanner. Wanner leitet am Uniklinikum Würzburg die Nephro-logie und hat als Präsident der European Renal Association ERA die Kampagne Strong Kidneys ins Leben gerufen (www.strongkidneys.eu). Urin- und Bluttests sind wichtiges Frühwarnsystem Erhöhte Albuminausscheidung im Urin deutet sehr früh auf eine gestörte Filterleistung der Niere hin, lange bevor die Auswirkungen der Nierenschwäche überhaupt spürbar sind. Und je höher zum Beispiel die Kreatinin-Konzentration im Blut ist, desto schlechter arbeiten die Nieren. Anhand des Kreatinin-Wertes im Blut und unter Berücksichtigung von Alter und Geschlecht wird zudem die glomeruläre Filtrationsrate GFR berechnet. Dieser wichtige Marker dient zur Entscheidung über Diagnose, Prognose und Behandlung. Bei Verdacht auf das Vorliegen einer Herzinsuffizienz sollte das Hormon BNP (Brain Natriuretic Peptide) oder seine Vorstufe (NT-proBNP) im Blut bestimmt werden. Je höher der BNP-Wert, desto wahrscheinlicher ist eine Herzinsuffizienz. Ein sehr niedriger BNP-Wert schließt das Vorliegen einer Herzinsuffizienz praktisch aus. Neue Medikamente als Hoffnungsträger Lange war die Behandlung von Patienten mit Diabetes, Herz- und Niereninsuffizienz ein Dilemma. Doch es gibt nun Hoffnung. Christoph Wanner war einer der ersten, die das Potenzial von SGLT2-Hemmern erkannt hat. Diese Medikamente helfen nicht nur bei Diabetes, sie verlangsamen auch das Fortschreiten von Herz- und Niereninsuffizienz, und zwar auch bei Patienten ohne Diabetes. Wanner: „SGLT2-Hemmer sorgen dafür, dass vermehrt Zucker über den Urin ausgeschieden wird. Dadurch sinkt der Blutzuckerspiegel und es kann zu einer leichten Abnahme von Gewicht und Blutdruck führen. Gleichzeitig werden Niere und Kreislauf entlastet.“ Martin Fassnacht ergänzt: „Generell hat sich die Wertigkeit der unterschiedlichen Anti-Diabetesmedikamente in den letzten Jahren deutlich geändert und neben SGLT2-Hemmern und dem altbekannten Metformin spielen GLP1-Analoga zunehmend eine wichtige Rolle in der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Typ 2 Diabetes, da auch diese die Folgeerkrankungen, unter anderem an Herz und Niere, reduzieren können. Autorin: Kirstin Linkamp

Diabetes mellitus

Typ-1-Diabetes tritt meist bei Kindern auf, daher wird er oft als jugend­licher Diabetes mellitus bezeichnet. Die Bauchspeicheldrüse stellt beim Typ-1-Diabetes die Produktion von Insulin ein, sodass Betroffene für den Rest des Lebens auf Insulin von außen angewiesen sind. Die deutlich häufigere Variante, der Typ-2-­Diabetes, tritt in der Regel bei Menschen über 50 auf und wurde deshalb früher auch als Alters­diabetes mellitus bezeichnet, allerdings sind inzwischen deutlich ­häufiger auch junge Menschen betroffen. Beim Typ 2 sind nur wenige Betroffene auf Insulin angewiesen, da der Körper noch Insulin produziert, es aber nicht verwerten kann. Mit einer Lebensstiländerung, unter anderem Diät und mehr Bewegung, und der Einnahme von Medikamenten können die Patientinnen und Patienten ihren erhöhten Blutzucker oftmals in den Griff bekommen.