Neben­nieren­tumore

im Blick behalten

Eine von Würzburg aus geleitete internationale multizentrische Studie belegt, dass eine erhöhte Kortisolausschüttung von gutartigen Nebennierentumoren mit einer gesteigerten Sterblichkeit einhergeht.

Bild: Das MRT zeigt einen drei Zentimeter großen Nebennierentumor auf der rechten Seite. 80 bis 90 Prozent dieser Tumore, die meist zufällig entdeckt werden, sind gutartig. © UKW

Drei Prozent der über 50-Jährigen haben Nebennierentumore. Bei den über 80-Jährigen ist sogar jeder zehnte betroffen. 80 bis 90 Prozent dieser Tumore, die meist zufällig, zum Beispiel bei einer Computertomographie bei Gallenpro­blemen, Nierensteinen oder Rücken­leiden, entdeckt werden, sind jedoch gutartig und vermeintlich harmlos. Vermeintlich. Denn eine leicht gesteigerte Produktion des Hormons Kortisol, die viele dieser Tumore mit sich bringen, spaltete vor einiger Zeit die Meinungen. Haben diejenigen mit einem Zuviel an Kortisol ein höheres Sterberisiko?

Martin Fassnacht (oben) und Timo Deutschbein vom Uniklinikum Würzburg leiten die multi­zentrische Studie NAPACA, die bei 3.656 Studienteilnehmerinnen und Studienteilnehmer die Auswirkungen einer Kortisolaussschüttung von gutartigen Nebennierentumoren untersucht.

Martin Fassnacht (links) und Timo Deutschbein vom Uniklinikum Würzburg leiten die multi­zentrische Studie NAPACA, die bei 3.656 Studienteilnehmerinnen und Studienteilnehmer die Auswirkungen einer Kortisolaussschüttung von gutartigen Nebennierentumoren untersucht.

Bei einem europäischen Nebennieren­treffen im Jahr 2014 in München adres­s­ierte Prof. Dr. Martin Fassnacht, Leiter des Lehrstuhls Endokrinologie und ­Diabetologie am Universitätsklinikum Würzburg die Hypothese, dass das Krankheitsbild bei den meisten Betroffenen zu ignorieren sei und animierte seine europäischen Kolleginnen und Kollegen zu einer großen Kohortenstudie namens NAPACA-Outcome. 28 Zentren aus 16 europäischen Ländern und zwei Zentren aus den USA schlossen sich an. Von den 4.374 aufgenommenen ­Patientinnen und Patienten erfüllten 3.656 sämtliche Studienkriterien: Erwachsene mit gutartigem Nebennierentumor, der größer als ein Zentimeter ist und laut Dexamethason-Test vermehrt Kortisol produziert.

Die Auswertung, die jetzt im renommierten Journal Lancet Diabetes Endocrinology publiziert wurde, hat selbst Skeptiker wie Martin Fassnacht überzeugt: „Entgegen meiner Hypothese sterben diejenigen mit einem Zuviel an Kortisol tatsächlich eher als diejenigen ohne.“ Frauen unter 65 gefährdet das Zuviel an Kortisol am meisten Doch es trifft nicht alle gleich. „Zu unserer Überraschung haben wir festgestellt, dass junge Frauen unter 65 mit vermehrter Kortisolausschüttung ein vierfach höheres Risiko haben, eher zu sterben als Frauen ohne Kortisolüberschuss. Interessanterweise scheint letzterer bei Männern über 65 kaum eine Rolle zu spielen.“

Warum ist das so? Es könnte an dem Schutz liegen, den Frauen generell bis zu den Wechseljahren und zehn Jahre danach haben. Sie seien generell gesünder als Männer und hätten eine ­höhere Lebenserwartung. „Je gesünder die Betroffenen sind, desto relevanter ist die Rolle des Kortisols“, vermutet Priv.-Doz. Dr. Timo Deutschbein, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Endokrinologie und Erstautor der Publikation. „Hätten die jungen Frauen unabhängig vom Kortisol ein relevant erhöhtes Risikoprofil, zum Beispiel ­Diabetes, Bluthochdruck, Übergewicht und Nikotinkonsum, würde das Kortisol wahrscheinlich keine wesentliche Rolle mehr spielen.“ All das werde jetzt in Folgestudien genauer untersucht. Auch der kausale Zusammenhang zwischen Zuviel an Kortisol und höherer Sterblichkeit müsse unter die Lupe genommen werden. Schließlich könnte die Sterblichkeit auch mit einem bisher unbekannten Faktor zusammenhängen, der für die Entstehung und das Wachstum des Nebennierentumors verantwortlich ist und „nur nebenbei“ zur vermehrten Kortisolausschüttung führt.

Zukünftig gilt es vor allem zu prüfen, wem eine Operation oder medikamentöse Behandlung empfohlen werden kann. „Ein Teil der Patientinnen und Patienten würde vermutlich von einer Operation oder medikamentösen Behandlung profitieren“, revidiert Martin Fassnacht seine anfängliche Meinung.

Bilder: D. Peter