Im Schulterschluss mit der

Ukraine

Ob durch die Behandlung von kranken Kindern oder die Versorgung mit Medikamenten und Medizintechnik – das Uniklinikum Würzburg engagiert sich bei der Ukraine-Hilfe.

Unter den Menschen, die die Ukraine als Flüchtlinge verlassen mussten, sind auch Familien mit einem an Krebs erkrankten Kind. Seit März werden acht dieser Kinder in der Kinderklinik des UKW behandelt. „Wir kooperieren bereits seit längerem medizinisch eng mit Kolleginnen und Kollegen in der Ukraine und haben schon vor dem Krieg ukrainische Kinder in Würzburg behandelt, wenn die therapeutischen Möglichkeiten in ihrem Heimatland ausgeschöpft waren und sie eine spezielle Therapie benötigten“, berichtet Prof. Dr. Paul-Gerhardt Schlegel, der Leiter der Kinderonkologie am UKW. Mehrere Beschäftigte des Klinikums hatten im Fern­sehen die Bilder eines krebskranken Jungen in Akuttherapie gesehen, der sich mit seiner Mutter auf den Weg gemacht hatte, ohne zu wissen, wo die lebenswichtige Behandlung weiter durchgeführt werden kann. „Diese Bilder haben auch unser Team sehr bewegt. Direkt am nächsten Morgen habe ich deshalb Kontakt mit unserer Ansprechpartnerin in der Ukraine aufgenommen und unsere Hilfe angeboten, falls die Familien nach Deutschland flüchten“, schildert Prof. Schlegel. Neben der medizinischen Versorgung wird den geflüchteten Familien am UKW auch in organisatorischen Dingen geholfen. Hierfür sorgen das International Office des Klinikums und die Elterninitiative leukämie- und tumorkranker Kinder e.V. So sind die Familien von fünf der am UKW behandelten Mädchen und Jungen in Wohnungen der Elterninitiative ­untergebracht. Die Wohnungen, die der Verein ausschließlich aus Spendenmitteln unterhält, befinden sich in Kliniknähe und gewährleisten somit kurze Wege für die Behandlung und die Besuche. Weitere Unterstützung über einen längeren Zeitraum erfahren die Angehörigen durch die Arbeit des von der Elterninitiative finanzierten psychosozialen Teams der Kinderonkologie. Unterstützung von Menschen mit Mukoviszidose Aber Krebs ist nicht die einzige ernste Erkrankung, die unter Kriegsbedingungen nicht adäquat zu behandeln ist. Auch Menschen mit der unheilbaren Seltenen Erkrankung Mukoviszidose befinden sich bei einer Unterbrechung ihrer Medikamentenversorgung in Lebensgefahr. Durch das internationale Netzwerk aus Betroffenen und Ärzteschaft kamen ebenfalls im März dieses Jahres vier ukrainische Familien mit insgesamt fünf mukoviszidosekranken Kindern nach Würzburg. Eine Schlüsselrolle bei dem dahinterstehenden Hilfsangebot spielte Dr. Alexandra Hebestreit und das Team des am UKW angesiedelten Christiane Herzog-Zentrums für Mukoviszidose Unterfranken. Dessen Leiter, Prof. Dr. Helge Hebestreit, berichtet: „Neben der medizinischen Versorgung waren dabei unter anderem auch die Anreise und die Unterbringung der Familien zu organisieren.“ Letztere war nach seinen Worten besonders herausfordernd, da Menschen mit Mukoviszidose ein möglichst hygienisches, keimarmes Umfeld benötigen – das Leben in einer Gemeinschaftsunterkunft sei für sie undenkbar. Neben dem Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Christiane Herzog-Zentrums brachten und bringen sich örtliche Familien mit Mukoviszidosebetroffenen sowie die Regionalgruppe Unterfranken des Mukoviszidose e. V. intensiv bei der Versorgung und Begleitung der ukrainischen Familien ein.

Bei der Übergabe der Medikamente für die westukrainische Stadt Uschhorod: Alexandra Greser vom Institut für Allgemeinmedizin des UKW (links) und Sabine Apell vom den Maltesern Würzburg zusammen mit dem ukrainischen Mittelsmann. Bild: Joachim Gold / Malteser

Anfrage zu fehlenden Medikamenten Auch von Seiten des Instituts für Allgemeinmedizin des UKW besteht mit Prof. Dr. Pavlo Kolesnyk ein persönlicher Kontakt in die Ukraine. Der Professor leitet an der Universität der westukrainischen Stadt Uschhorod ein Institut für Allgemeinmedizin und ambulante Pflege. Die an der slowakischen Grenze gelegene Kommune hat seit Beginn des Krieges viele Flüchtlinge aus der Nord- und Ostukraine aufgenommen. „Nach den Informationen von Prof. Kolesnyk ist die medizinische Versorgung dieser Menschen kaum zu bewältigen, es fehlen einfache Medikamente wie zum Beispiel Blutdruckmittel oder Schilddrüsenhormone, genauso aber auch Schmerz­mittel und Antibiotika“, erläutert Prof. Dr. Anne Simmenroth, eine der beiden Direktorinnen des Instituts für Allgemeinmedizin. Sie fährt fort: „Vor diesem Hintergrund hat Prof. Kolesnyk im Rahmen der Europäischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin WONCA-Europe eine Initiative gestartet, an der sich auch unser Institut beteiligt hat.“ So brachten Anfang April dieses Jahres Joachim Gold, der Stadtbeauftragte der Malteser in Würzburg, und seine Kollegin Sabine Apell sowie die UKW-Ärztin Alexandra Greser eine Medikamentenspende direkt an die ukrainische Grenze. Das Transportfahrzeug stellten die Malteser in Würzburg. Aus Spenden der Stadt Würzburg hatte Joachim Gold die von Prof. Kolesnyk angefragten Medikamente im Wert von 10.000 Euro gekauft. Die Lieferung wurde an der ungarisch-ukrainischen Grenze in Beregsurány an einen Mittelsmann übergeben.

Kurz vor dem Start in Richtung Ukraine: Anastasia Schmid, Dr. Volodymyr Isaienko (links) und Oleksandr Yurakov vom Verein Mrija mit Exemplaren der vom UKW gespendeten 70 Infusions- und Spritzenpumpen.

Mangel an intensivmedizinischen Geräten Nur wenige Tage später startete ferner ein Transporter mit 70 vom UKW gespendeten Infusions- und Spritzenpumpen in Richtung Ukraine. Kooperationspartner war in diesem Fall Mrija – Verein zur Unterstützung der Ukraine e.V. „Aus den Krankenhäusern in den Städten Charkiw, Borodyanka und Sumi haben wir Hilfsanfragen nach intensivmedizinischen Geräten erhalten“, sagt Dr. Volodymyr Isaienko. Der Betriebsarzt eines großen Würzburger Unternehmens, der bei Mrija den Bereich Medizinlogistik koordiniert, fährt fort: „Eine der drei Kliniken ist nach starken Kriegszerstörungen gezwungen, ihre Infrastruktur neu aufzubauen, die anderen beiden müssen durch die vielen Kriegsverletzten ihre Behandlungs­kapazitäten stark erweitern.“ Über das Mrija-Vereinsmitglied Dr. Anna Frey erreichte die Anfrage das UKW. Die Privatdozentin ist dort die Stellvertretende Leiterin der Internistischen Intensiv- und Notfallmedizin der Medizinischen Klinik I. Sie erzählt: „Nach einer unkomplizierten klinikumsinternen Absprache konnten 40 Infusionspumpen und 30 Spritzenpumpen plus Haltesysteme aus den Beständen des UKW bereitgestellt werden.“ Laut André Körber, dem Leiter der Abteilung Medizintechnik am UKW, waren die in der Intensivmedizin essentiellen Geräte durch einen Herstellerwechsel erst kurz zuvor frei geworden.

Kooperationslösung bei Patientenappartements

Das UKW verfügt auf seinem Gelände über Appartements, die von ­Patientinnen und Patienten im Rahmen ihrer Behandlung am UKW gemietet werden können. Die Unterkünfte wurden in diesem Frühjahr an schwer erkrankte Frauen aus der Ukraine vergeben. „Möglich wurde dies durch eine sehr unbürokratische Kooperation“, lobt Gabriele ­Nelkenstock, die Vorsitzende von „Hilfe im Kampf gegen Krebs e.V.“. Der Verein übernimmt dabei die Organisatoren- und Vermittlerrolle. „Wir konnten die Wohnungen zu einem Sonderpreis vom UKW anmieten. Die Kosten werden anschließend mit den offiziellen Stellen abgerechnet“, schildert Nelkenstock. „Hilfe im Kampf gegen Krebs“ stimmte mit Verantwortlichen der Stadt Würzburg ab, für wen die Wohnungen in Betracht kamen – Hauptkriterium war dabei die gesundheitliche ­Verfassung. Da die Appartements über keine Kochgelegenheit verfügen, ermöglichte es außerdem die UKW Service GmbH, dass die Ukrainerinnen zum Mitarbeitertarif in der Cafeteria des Klinikums essen können.