Werte und Berufsstolz in der Pflege
Was macht Pflege aus? Wie sehen die Pflegekräfte ihre Tätigkeit? Und wie wollen sie von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden? Um Fragen wie diese geht es bei „Pflege – weil ich’s kann“, einem neuen Projekt am UKW.
Die öffentliche Wahrnehmung des Pflegeberufs zeigt ein widersprüchliches Bild: Während in der Gesellschaft allgemein ein hohes Maß an Wertschätzung für die Pflege herrscht – häufig verbunden mit Vorstellungen von Fürsorge und sozialem Engagement, spiegelt sich diese Anerkennung in der Berufswahl nur bedingt wider. „Besonders jungen Menschen mit höherem Bildungs-abschluss betrachten die Pflege selten als attraktive berufliche Perspektive“, bedauert Matthias Uhlmann. Laut dem stellvertretenden Pflegedirektor des UKW ist der Mangel an qualifiziertem Personal mittlerweile ein strukturelles Problem. Zwischen der Darstellung von Missständen und Glorizifierung Die mediale Darstellung des Pflegeberufs pendelt zwischen der Aufdeckung von Missständen und der Glorifizierung als systemrelevante Heldinnen und Helden – letzteres vor allem während der Corona-Pandemie. Eine realitätsnahe und differenzierte Darstellung der pflegerischen Tätigkeit bleibt jedoch meist aus. „Innerhalb der Berufsgruppe selbst wird der Pflegeberuf grundsätzlich als sinnhaft und bedeutsam empfunden. Diese positive Einstellung wird jedoch bei vielen überschattet von hoher Arbeitsbelastung und Stress, Fachkräftemangel und fehlender Anerkennung“, berichtet Cashanna Schöller, eine der Klinikpflegedienstleiterinnen des UKW. Ziel: Die Wahrnehmung gestalten – nach innen und außen Um in dieser Gesamtsituation gegenzusteuern: Wie kann man als Universitätsklinikum die externe Wahrnehmung der Pflege mitgestalten? Wie lassen sich Selbstbewusstsein und Selbstwahrnehmung bei den Pflegekräften fördern? Kann dadurch das Berufsbild nachhaltig gestärkt werden? Antworten auf Fragen wie diese sucht jetzt das UKW-Projekt „Pflege, weil ich´s kann“. Dazu arbeitete ein Team aus der Pflege mit rund 50 Personen, koordiniert von einer zehnköpfigen Lenkungsgruppe über ein Jahr lang an diversen Themen. Die Mitglieder des Projektteams wurden von der Pflegedirektion ausgewählt und zur freiwilligen Beteiligung eingeladen. „Wichtig war uns eine Mischung aus verschiedenen Einsatzbereichen, Positionen und Altersgruppen. Um möglichst viele unterschiedliche Perspektiven einzubeziehen, sind sowohl langjährig erfahrene, als auch frisch examinierte Pflegekräfte dabei“, schildert Lena Ossiander. Als Leiterin der Stabsstelle Marketing am UKW ist sie Teil der Lenkungsgruppe. Dieser gehören ferner die Pflegedirektion inklusive der Pflegedienstleitungen, die Akademie des UKW sowie mit Berthold Schmid ein externer Experte aus dem klinischen Führungskräfte-Training an. Während den gemeinsamen Workshops entstand unter anderem der Titel des Projekts. Laut Marcus Huppertz, dem Pflegedirektor des UKW, war eines der Ziele dabei, die Werte der Profession Pflege darzustellen, ohne dabei eine weitere, vergleichsweise einfache Rekrutierungskampagne zu schaffen. „Daher haben wir den Fokus ganz bewusst auf die Stammkräfte in der Pflege gelegt und gezielt auch kritische Stimmen berücksichtigt“, schildert Huppertz.
Große Präsentation im Vogel Convention Center Die ersten Ergebnisse der Projektarbeit wurden am 10. April dieses Jahres bei einer großangelegten Veranstaltung im Vogel Convention Center (VCC) in Würzburg präsentiert, an der rund 700 Pflegekräfte des UKW teilnahmen. Zu Gast war unter anderem die bekannte Autorin und Spoken Word Künstlerin Leah Weigand, die einen eigens mit der UKW-Pflege entwickelten Poetry-Slam vorstellte. Als Krankenpflegerin und Medizinstudentin verfügt Weigand über jahrelange Erfahrungen mit den Problemen in der Pflege. Ihr Text „Ungepflegt“, in dem es gleichzeitig um die Schönheiten und Missstände des Pflegeberufs geht, berührte Millionen von Menschen und erlangte große mediale Aufmerksamkeit. Die Künstlerin stand dem Projektteam bereits in der Entwicklungsphase beratend zur Seite und fungiert auch weiterhin als „Botschafterin“ der Kampagne.
Sarah Schuster (l.) und Jasmin Sauer arbeiten zusammen in der Kinderintensivpflege am UKW. Das Foto zeigt sie bei der gemeinsamen Arbeit mit den kleinsten Patienten.

„Die Pflege nimmt natürlich eine zentrale Rolle in der Behandlung ein“
Privatdozentin Dr. Anna Frey leitet in der Medizinischen Klinik I des UKW die Internistischen Intensiv- und Notfallmedizin.
Frau Dr. Frey, wie schätzen Sie die Rolle der Pflege am UKW im interprofessionellen Team ein?
Dr. Anna Frey: Die Pflege ist viel näher am Patienten und den Angehörigen und muss sicherlich auch mehr Unmut als das ärztliche Team ertragen. Ich kann natürlich nur die Bereiche überblicken, in denen ich arbeite, aber dort ist es toll, dass die Pflege oft schon klare Konzepte für die Patientinnen und Patienten hat und gerade jüngeren Ärztinnen und Ärzten die Sicherheit und die Unterstützung bietet, einen Behandlungsweg einzuschlagen. Somit nimmt die Pflege natürlich eine zentrale Rolle in der Behandlung ein. Was macht die Pflege für Sie zu einem verlässlichen Partner?
Anna Frey: Gerade im Bereich der Notfall- und Intensivpflege ist eigenständiges Arbeiten enorm wichtig. Klar gibt es eindeutig pflegerisch und eindeutig ärztliche Aufgaben. Aber es gibt auch viele Graubereiche. Und wenn eine erfahrene Pflegekraft auf einen zugeht und sagt, der Patient oder die Patientin muss jetzt mal angeschaut werden, da würde etwas nicht stimmen, dann trifft die pflegerische Einschätzung fast immer zu. Das hilft uns Ärztinnen und Ärzten, unseren Fokus auf diejenigen Patienten zu verlagern, die uns gerade am meisten brauchen und diese korrekt zu priorisieren.
Stefan Rehberger, Lena Ossiander und Matthias Uhlmann (von links) sind Teil der Projektleitung der Kampagne.
Die Autorin und Spoken Word Künstlerin Leah Weigand bei ihrem Auftritt im VCC.
Fotos mit authentischem Blick auf die Pflege
Bei der Veranstaltung wurden auch im Rahmen des Projekts produzierte Fotos vorgestellt, die einen authentischen Einblick in die Pflege am Uniklinikum geben. Das Besondere dabei: Die Bilder wurden von UKW-Mitarbeitenden – unter anderem aus der Pflege – selbst aufgenommen. Außerdem wurden sie mit von Leah Weigand entwickelten und mit der Lenkungsgruppe abgestimmten Leitsätzen sowie persönlichen Aussagen der Abgebildeten ergänzt. So zeigt ein Motiv etwa eine Situation aus der Neonatologie an einem Inkubator für Neugeborene mit dem Leitsatz „Ein Händchen für Händchen haben.“ Abgebildet sind Sarah Schuster und Jasmin Sauer, beide tätig in der Kinderintensivpflege. Sie sind sich einig: „Das Motiv passt genau. Es zeigt unsere Arbeit und hat eine tolle Wirkung. Ein starkes Bild.“ Ein anderes Foto porträtiert Alena Grümmer bei ihrer Arbeit auf der Intensivstation. Sie kommentiert: „Es ist wichtig, nach außen zu zeigen, was wir können und was wir leisten.“ Cindy Glanert arbeitet in der Chirurgie, auch sie ist auf einem der Bilder zu sehen. Für sie steht fest: „Es ist schön, mit seinem Gesicht für unsere Arbeit am UKW zu stehen. Das macht mich durchaus auch stolz.“ Die großformatigen Fotos sind seit dem 12. Mai 2025 – dem Tag der Pflege – in einer Ausstellung in der Magistrale des Zentrums für Operative Medizin des UKW an der Oberdürrbacher Straße zu sehen. Die Schau geht noch bis noch bis Ende Juni, im Anschluss ist geplant, sie auch anderen Orten zu zeigen.
Botschafterinnen und Botschafter als Stimmen der Pflege Zu den Schwerpunkten des Vorhabens zählen ferner Verbesserungen an den Schnittstellen innerhalb des UKW. So wurden während der gemeinsamen Projektarbeit acht „Botschafterinnen und Botschafter“ der Pflege gefunden, die interne Themen vorantreiben. Dazu gehören zum Beispiel die Optimierung von IT-Prozessen im Stationsalltag, die eine Abstimmung mit dem Servicezentrum Medizin-Informatik (SMI) erfordern, oder eine noch bessere Zusammenarbeit mit der Apotheke des UKW. Ziel ist es, hier den direkten Austausch und die Kooperation weiter zu intensivieren. „Die Botschafterinnen und Botschafter sind dabei die Stimmen der Pflege“, erläutert Stefan Rehberger, einer der Projektleiter und Klinikpflegedienstleiter am UKW.
„Die Kampagne fördert auch den interprofessionellen Dialog“
Prof. Dr. Melanie Messer hat den neuen Lehrstuhl für Pflegewissenschaft an der Universitätsmedizin Würzburg inne. Gleichzeitig leitet sie das neu gegründete Institut für Pflegewissenschaft am UKW.
Frau Professor Messer, warum brauchen wir aus Ihrer Sicht die Kampagne „Pflege weil ich’s kann“ am UKW und wie haben Sie den Auftakt, die Gruppe und die Zwischenergebnisse der Kampagne wahrgenommen?
Prof. Dr. Melanie Messer: Die Kampagne „Pflege – weil ich’s kann“ ist am UKW ein starkes Signal der Wertschätzung und Sichtbarkeit für die Pflege. In einer Zeit, in der der Pflegeberuf oft stark unter Druck steht, setzt die Initiative ein wichtiges Zeichen: Sie macht sichtbar, mit wie viel Fachwissen, Können und Engagement Pflegefachpersonen täglich arbeiten. Die enorme fachliche Vielfalt und hohe Professionalität des Pflegeberufs treten dabei klar hervor. Der Auftakt war inspirierend – die Energie und Motivation der Teilnehmenden haben mich sehr beeindruckt. Die Gruppe bringt unterschiedliche Perspektiven ein, diskutiert offen und konstruktiv. Die bisherigen Zwischenergebnisse zeigen deutlich: Die Kampagne stärkt nicht nur das Selbstbild der Pflegefachpersonen, sondern fördert auch den interprofessionellen Dialog. Sie schafft ein Wir-Gefühl und motiviert dazu, Pflege aktiv mitzugestalten – am UKW und darüber hinaus. Welche Chancen bringt der neue Lehrstuhl Pflegewissenschaft für die tägliche Praxis am UKW?
Melanie Messer: Der neue Lehrstuhl für Pflegewissenschaft ist ein Meilenstein für das UKW: Wissenschaft und Praxis rücken enger zusammen. Das schafft neue Möglichkeiten, pflegerisches Handeln evidenzbasiert weiterzuentwickeln und die Versorgungsqualität messbar zu verbessern. Für die tägliche Praxis bedeutet das konkret: mehr Forschung aus der Pflege für die Pflege, wissenschaftlich fundierte Entscheidungsgrundlagen und eine Stärkung der Fachlichkeit. Themen wie Patientensicherheit und Pflegequalität, Patienten- und Angehörigenberatung oder der Umgang mit komplexen Versorgungssituationen können so gezielter bearbeitet werden.
Gleichzeitig stärkt der Lehrstuhl die Sichtbarkeit der Pflege als akademische Disziplin – das eröffnet Chancen für interprofessionelle Zusammenarbeit und die Entwicklung innovativer Versorgungskonzepte. Mit Angeboten wie dem neuen Bachelorstudiengang Pflegewissenschaft werden junge Menschen für eine Karriere in der Pflege begeistert und Berufserfahrenen eröffnen sich neue Perspektiven zur Weiterqualifizierung. Für das UKW bedeutet das einen nachhaltigen Impuls zur Weiterentwicklung der Pflege.
Berufsstolz in Gedichtform Zu den emotionalen Höhepunkten der Auftaktveranstaltung zählte der Vortrag eines von Angela Völker, der stellvertretenden Bereichsleiterin der Stationen 3 West und 4 West der Neurochirurgischen Klinik und Poliklinik des UKW, selbst verfassten Gedichts.

Ich wandle hier auf dieser Erde für genau ein Leben lang. Wer ich bin und was ich werde, ist für mich von größtem Belang. Ich wählte ganz aus freien Stücken einen Weg für mich aus. Kein andrer könnt mich so beglücken, denn ich fand meine Berufung heraus. Mein Herz schlägt impulsiv und auch sehr laut für mein Denken und Handeln in der Pflege. Ich habe mir sehr viel aufgebaut, mit diesem anspruchsvollen Job, in dem ich täglich alles gebe. Ich habe gelernt zu helfen und zu heilen und das mit großer Professionalität. In Sekunden ist es mir möglich zu beurteilen, ob gerade ein Problem im Raum steht. Ob Anatomie, Physiologie oder pathologische Befunde – mein Wissen ist unfassbar groß. Ob Medikamentenlehre oder Gesetzeskunde; ich verknüpfe alle Informationen rigoros.
Ich bin fähig den Menschen vor mir regelrecht zu scannen. Ich kann Unstimmigkeiten sofort erkennen. Fühlt der Patient sich wohl? Geht es ihm gut? Ich bin präsent, spende Hoffnung und auch Mut. Ich trage Verantwortung und muss vieles entscheiden – mit sehr viel Herz und gleichermaßen viel Verstand. Was ist jetzt wichtig, was muss ich vermeiden?! Welche ist die richtige Infusion, welcher der richtige Verband? Das alles kann ich nicht alleine, die Last ist für ein paar Schultern viel zu schwer. Wir sind vor Ort ein starkes Team und auch interdisziplinär. Ich bin ein Teil von einem großen starken WIR. Ich helfe dir und du hilfst mir. Hand in Hand geht es voran. Meine Profession: Die Pflege – weil ich‘s kann.
