Prof. Dr. med. Bettina Baeßler

Leiterin der „Kardiovaskulären Bildgebung“ am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie

Ich wurde 1983 in Köln geboren, habe in Bonn studiert, in Köln, Mannheim und Zürich gearbeitet und leite seit Oktober 2021 in Würzburg den neu geschaffenen Schwerpunkt „Künstliche Intelligenz in der Bildgebung“. Mein Mann und unsere beiden Kinder, 9 und 13 Jahre alt, wohnen in Schwetzingen. 

Das wollte ich mal werden und das bin ich geworden

Früher wollte ich Musikerin werden. Die Medizin hat mich dann aber doch noch mehr fasziniert. Nun ist die Geige ein wunderbares Hobby. Es war die richtige Wahl. 

Das hat mich geprägt

Meine Eltern haben beide gearbeitet, mein Vater an der Universität, meine Mutter war selbstständig. Es gab zuhause kein klassisches Rollenmodell. Wie bei uns heute: Mein Mann kümmert sich um die Kinder, ich verfolge meine Wissenschaft, und die erfordert nun einmal Flexibilität. 

Der Biologieunterricht hat mich auch geprägt: Ich war immer fasziniert vom menschlichem Körper, ein Wunderwerk der Natur. 

Dann hat mich sicherlich die schlechte Lehre während meiner Ausbildung geprägt. Da habe ich mir immer gedacht: Das muss besser gehen, das werde ich besser machen. 

In der Medizin wollte ich immer in die Breite gehen, Fächer wie Allgemeinmedizin oder Innere haben mich fasziniert. Ich war aber auch schon immer sehr am Digitalen interessiert. Die letzte Famulatur habe ich bei meinem Cousin in der Radiologie gemacht. Das passte. Zumal ich sehr idealistisch bin. Mich hat es immer sehr gestört, wenn die Patientinnen und Patienten nicht das gemacht haben, von dem ich dachte, dass es gut für sie wäre. In der Radiologie gibt es dieses Compliance-Problem in der Regel nicht.

Forscherinnengeist

Ich bin ein kritischer Kopf, der alles zehnmal hinterfragt, auch bereits etablierte Meinungen. Ich gehe da ganz mit Wilhelm Busch, der gesagt hat: „Wer immer in die Fußstapfen anderer tritt, hinterlässt keine eigenen Spuren.“

Meine frühe wissenschaftliche Arbeit zur quantitativen kardialen Magnetresonanztomografie hat mich zu einem ganz neuen Forschungsansatz geführt. Gemeinsam mit Physikern habe ich an verschiedenen Sequenzen entwickelt. Dabei sind wir auf Grenzen gestoßen, die eine Translation in den klinischen Alltag behindert hätten. So habe ich mich aus der Not heraus mit angewandter Statistik und maschinellen Lernen befasst und neue Parameter entwickelt. Wir haben mit statistischen Verfahren ganz wilde Sachen gemacht. Erst später habe ich erfahren, dass das, was ich gemacht habe, einen Namen hat: Radiomics! Radiomics ist die Analyse von quantitativen und mehrdimensionalen Bildmerkmalen in medizinischen Bilddaten. In einem zweimonatigen Forschungsaufenthalt in der Schweiz, am Universitätsspital Zürich, habe ich mir dann die nötigen EDV-Kenntnisse angeeignet, um diese Big-Data-Analysen durchzuführen. 

Ich liebe es, innovativ zu forschen und die Wissenschaft in die Praxis umzusetzen. Viele sagen: “Imaging is not a science, it is a tool.” Doch das stimmt ganz und gar nicht. Die Radiologie kann so viel mehr. Und vor allem mit zunehmender Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz, die ich eher als Unterstützung des Menschen begreife und nicht als Ersatz. 

Was mich am UKW fasziniert

Ich stoße am Uniklinikum Würzburg auf eine große Offenheit und Interdisziplinarität. Offene Interessen finde ich extrem positiv. Und die interdisziplinäre Zusammenarbeit am Uniklinikum ist großartig. Zudem teile ich die Visionen der Fakultät und von Thorsten Bley, dem Leiter des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie. Ja, ich bin in Würzburg wirklich angekommen. 

Haben es Frauen schwerer in der Medizin und Wissenschaft?

50 bis 60 Prozent der Medizinstudierenden sind weiblich, auch mehr als die Hälfte der Examenskandidatinnen und -kandidaten ist weiblich. Doch nach dem Examen verlieren wir 10 bis 20 Prozent der Frauen. Denn nur 40 Prozent der klinisch Tätigen sind Ärztinnen. Das muss doch am System liegen! Noch drastischer wird es in Führungspositionen. Da sind nur elf Prozent weiblich besetzt. Ähnlich sieht es beim Verhältnis Promotion und Habilitation aus. Mehr als 50 Prozent der Promovierten sind weiblich, aber nur 18 Prozent der Habilitationen werden von Frauen eingereicht. So eine liquid pipeline, also einen Riesenrohrbruch, können wir uns nicht mehr leisten. Die Gesellschaft ist divers, doch das spiegelt sich nicht in Führungsebenen wider. Oft wird gesagt: Frauen wollen doch gar keine Karriere machen! Aber fragt mal jemand nach dem Grund? Es liegt an den Strukturen. Das System muss sich ändern. Es muss attraktiver werden und mehr Diversität ermöglichen. 

Die Wirtschaft arbeitet bereits an und mit einigen interessanten Arbeitszeitmodellen, doch die Medizin hinkt hier leider Lichtjahre hinterher. Da gibt es viel zu tun. Man könnte zum Beispiel eine frei gewordene Oberarztstelle mit zwei Frauen besetzen, die in Teilzeit arbeiten. Oder sechs Männer, die aufgrund der Familie oder Weiterbildungen reduzieren möchten, könnten sich fünf Stellen teilen. Auch der Care-Beruf sollte viel besser bezahlt werden, unabhängig davon, ob Mann oder Frau ihn ausführt. 

Und ja, ich bin für die Quote. Natürlich finde ich es nicht toll, wahrscheinlich selbst eine Quotenfrau zu sein. Aber ohne Quote geht es nicht. Noch nicht. 

Diversität und Inklusion sind für mich ganz wichtige Themen. In der Deutschen Röntgengesellschaft engagiere ich mich zum Beispiel in der Kommission Diversity@DRG. Ein Instrument ist der Podcast RADiversum. Damit möchten Nienke Lynn Hansen und ich auf die Vielfalt in der Radiologie und Medizin aber auch ganz allgemein aufmerksam machen. Wir möchten zum Tanz einladen, was das Wort Diversität abdeckt, und wir möchten zum Tanz auffordern, was mit Inklusion gemeint ist. 

Förderung junger Menschen und vor allem Frauen

Die Förderung des Nachwuchses liegt mir sehr am Herzen, vor allem die Förderung der leisen Potentiale, also von Menschen, die eher introvertiert sind. Diese Potentiale gilt es zu sehen, zu heben und zu fördern. 

Frauen haben zudem immer das Gefühl, nicht gut genug zu sein. Sie machen eine Weiterbildung nach der anderen. Nicht ohne Grund heißt es: „Women are over mentored but under sponsored.“ Ihnen fehlt die Förderung von Menschen in Entscheiderpositionen. 

Wie lassen sich Mädchen für die Wissenschaft begeistern? 

Ein wichtiger Punkt ist die gesellschaftliche Prägung. Meiner Meinung nach sollte man schon in der Schule aktiv werden, und auch geschlechtergetrennte Förderungen anbieten. Meine 13-jährige Tochter besucht zum Beispiel ein digitales Girl-Camp und ist vollends begeistert. 

Mein Tipp an Frauen und Männer, die forschen (möchten)

Habt gute Ideen und verfolgt sie. Arrangiert Euch mit Frust. Die Wissenschaft ist frustrierend. Lasst Euch aber nicht von negativen Kritiken beeinflussen und geht interessiert und motiviert Euren Weg. Habt den Wunsch, selber lebenslang zu lernen und gebt Euer Wissen und die Begeisterung immer an andere weiter. 

Meine drei Wünsche für die Zukunft 

  • Erstens wünsche ich mir Chancengleichheit. Alle sollten das Lebensmodell, das sie sich vorstellen, leben dürfen, frei von gesellschaftlichen Prägungen. 
  • Zweitens wünsche ich mir mehr engagierte Frauen in der Wissenschaft. 
  • Zu guter Letzt steht Frieden auf meiner Wunschliste.