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DECIPHER will die Mechanismen von chronischem Schmerz bei Neuropathien entschlüsseln

Was genau liegt dem kaum zu ertragenden Nervenschmerz bei Neuropathien zugrunde? Und warum leiden manche Patientinnen und Patienten bei gleicher Ursache unter Schmerzen, während andere schmerzfrei bleiben? Mit diesen Fragen beschäftigt sich das europäische Konsortium DECIPHER, an dem die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Nurcan Üçeyler vom Uniklinikum Würzburg maßgeblich beteiligt ist. Für seine Forschung zur Entschlüsselung der Rolle von stromalen CD90⁺-Zellen erhält das Konsortium rund 1,5 Millionen Euro im Rahmen der Ausschreibung „Interdisciplinary Approaches to the Neuroscience of Pain“ des europäischen Netzwerks ERA-NET NEURON.

Die oberen Bilder der Nervus suralis-Biopsie wurden mit Hämalun und Eosin pink angefärbt, bei den unteren farblosen Bildern ist eine CD3-Immunhistochemie zu sehen.
Querschnitt einer Gewebeentnahme aus dem Nervus suralis, einem oberflächlichen Hautnerv an der Außenseite des Unterschenkels, eines Patienten mit vaskulitischer Polyneuropathie. (A, B) Hämatoxylin-Eosin-Färbung mit ausgeprägter perivaskulärer und die gesamte Gefäßwand umfassender Entzündung. (C, D) CD3-Immunhistochemie zeigt eine dichte T-Zell-Infiltration des Gefäßes. Maßstab: 200 µm (A, C), 100 µm (B, D). © Julia Grüner
Porträtbild von Nurcan Üçeyler, dunkle kurze Haare, im weißen Kittel vor heller Wand.
Prof. Dr. Nurcan Üçeyler und ihre Arbeitsgruppe am Uniklinikum Würzburg verfolgen einen translationalen Ansatz in der Neurologie und den Neurowissenschaften. Im neuen, im Rahmen des europäischen ERA-Net NEURON geförderten Projekt DECIPHER sind sie entsprechend dual eingebunden. © Brigitte May

Würzburg. In Europa sind fast 40 Millionen Erwachsene von chronischen Nervenschmerzen betroffen. Dieser sogenannte neuropathische Schmerz fühlt sich meist brennend und elektrisierend an und ist für viele Betroffene kaum zu ertragen. Gewöhnliche Schmerzmittel helfen nicht und auch die Wirkung von Medikamenten gegen neuropathische Schmerzen, wie Ionenkanalblocker oder Antidepressiva, ist meist unzureichend. Abgesehen vom Leid der Betroffenen verursachen neuropathische Schmerzen jedes Jahr Kosten in Milliardenhöhe in den europäischen Gesundheitssystemen.

ERA-NET NEURON: Ausschreibung für interdisziplinäre Ansätze zur Untersuchung der Pathophysiologie des Schmerzes

ERA-NET NEURON, ein strukturiertes EU-Netzwerk zur Koordination der neurowissenschaftlichen Forschung in Europa, sucht nach Ursachen und neuen Behandlungsansätzen. Im sogenannten Joint Translational Call (JTC) „Interdisciplinary approaches to the neuroscience of pain“ wurden multidisziplinäre Projekte ausgeschrieben, in denen mindestens drei Partner aus mindestens drei unterschiedlichen europäischen Ländern sowohl neurologische, biologische als auch psychologische und soziale Komponenten von chronischem Schmerz untersuchen – von der Grundlagenforschung bis hin zu klinischen Studien.

Für Prof. Dr. Nurcan Üçeyler ist dies die perfekte Gelegenheit, ihre Forschung im Verbund eines schlagkräftigen EU-Konsortiums und gemeinsam mit ihrem Team vertieft fortzusetzen. Die Neurologin und leitende Oberärztin der Neurologischen Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) befasst sich seit Beginn ihrer wissenschaftlichen Laufbahn mit der Frage nach der Pathophysiologie von Neuropathien der groß- und kleinkalibrigen Nervenfasern sowie der Entstehung von neuropathischem Schmerz – im translationalen Ansatz sowohl klinisch als auch grundlagenwissenschaftlich. „Das Projekt unseres neuen Konsortiums DECIPHER ist der logische nächste Schritt meiner Arbeit“, sagt sie. Und diesen Schritt kann Nurcan Üçeyler nun gehen.

DECIPHER erhält 1,5 Millionen Euro, um die Rolle von stromalen CD90⁺-Zellen bei Neuropathien zu entschlüsseln

Das Konsortium, bestehend aus Prof. Nurcan Üçeyler, Prof. Franziska Denk (Wolfson Sensory, Pain and Regeneration Centre (SPaRC), School of Neuroscience, King’s College London, Großbritannien), Dr. Mateusz Kucharczyk (Łukasiewicz Research Network – PORT, Polish Center for Technology Development, Cancer Neurophysiology Group, Wrocław, Polen), Prof. Caroline Ospelt (Zentrum für Experimentelle Rheumatologie, Universitätsklinikum Zürich, Schweiz) und Prof. Fatma Yeşim Parman (Neurologische Klinik, Universität Istanbul, Türkei), konnte die Auswahlkommission überzeugen. DECIPHER erhält insgesamt rund 1,5 Millionen Euro, um die Rolle der stromalen Zellen mit dem Oberflächenprotein CD90+ bei neuropathischen Schmerzen zu entschlüsseln.

Stromale CD90⁺-Zellen können schmerzauslösende Substanzen hervorrufen

Stromale CD90⁺-Zellen sind eine bestimmte Art von Bindegewebszellen, die vor allem bei Verletzungen im Körper aktiv werden. Sie spielen eine wichtige Rolle bei neuropathischen Schmerzen, also Schmerzen, die durch geschädigte Nerven entstehen. So sind sie beispielsweise an der Bildung von Narbengewebe rund um den verletzten Nerv beteiligt. Dies kann dazu führen, dass der Nerv dauerhaft gereizt bleibt. Stromale CD90⁺-Zellen können nach einer Nervenschädigung aber auch entzündliche Stoffe freisetzen, die die Nerven empfindlicher machen. „In unserem Konsortium konzentrieren wir uns auf genau diese ausgeschütteten schmerzauslösenden Substanzen, die möglicherweise neuropathische Schmerzen bei Neuropathien verursachen beziehungsweise unterhalten“, erläutert Nurcan Üçeyler. Was genau liegt dem Nervenschmerz bei Neuropathien zugrunde? Warum leiden manche Patientinnen und Patienten bei gleicher Ursache unter Schmerzen, während andere schmerzfrei bleiben?

Translationaler Ansatz in der Neurologie und den Neurowissenschaften

Genau diese Fragen möchte das Konsortium unter Leitung von Franziska Denk mithilfe eines translationalen Ansatzes beantworten, bei dem die Bereiche Klinik, mehrdimensionale humane Zellkultursysteme und tierexperimentelle Forschung miteinander verzahnt werden. Ziel ist es, neue Ansatzpunkte für die Behandlung Neuropathie-assoziierter Schmerzen zu erarbeiten.

Wie sieht der Beitrag aus Würzburg aus? Die Arbeitsgruppe von Nurcan Üçeyler bringt auf der klinischen Seite Studienpatientinnen und -patienten ein und stellt die umfassenden Charakterisierungen des Krankheitsbildes sowie wertvolles Patienten-eigenes Biomaterial bereit. Dies bildet die Grundlage des Projekts. Parallel dazu entwickelt ihr grundlagenwissenschaftliches Team patienteneigene, stammzellbasierte 2D-Nervenzellkulturen. Diese werden mikroskopisch, elektrophysiologisch und molekularbiologisch analysiert. „Diese Zellmodelle und Methoden stellen wir allen Partnerinnen und Partnern im Konsortium zur gemeinsamen Erforschung zur Verfügung. „Durch die komplementäre Verknüpfung von klinischen Daten, humanen in vitro 2D / 3D Kulturen und Organoiden, sowie in vivo und in vitro tierexperimentellen Ansätzen bringen wir in unserem Konsortium alle nötigen Techniken auf höchstem Niveau zusammen. Die gewonnenen Erkenntnisse können wir auf Basis solider klinischer Charakterisierung sinnvoll interpretieren und für unsere Patientinnen und Patienten gewinnbringend einsetzen“, so Üçeyler. Zudem sei die Einbindung von Patientinnen und Patienten für das Konsortium sehr wichtig. So wird DECIPHER unter anderem von der Selbsthilfeorganisation SchmerzLOS e. V. unterstützt. Der Verein war bereits in die Projektplanung eingebunden und wird während der gesamten Projektlaufzeit beratend aktiv sein, um die Perspektive und Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten im Fokus zu behalten.

Über ERA-NET, NEURON und DECIPHER
ERA-NET ist ein Förderprogramm der Europäischen Union. Es stärkt die Zusammenarbeit nationaler und regionaler Forschungsförderorganisationen, um Forschungsaktivitäten in Europa besser zu koordinieren und gemeinsame wissenschaftliche Prioritäten zu verfolgen. Im Rahmen von ERA-NET bündelt das „Network of European Funding for Neuroscience Research“ (NEURON) die Förderinitiativen seiner Partnerländer und -regionen zu neurologischen, psychischen und sensorischen Erkrankungen. Ziel ist es, Ressourcen effizienter zu nutzen, Doppelstrukturen zu vermeiden und die europäische Forschung in den Neurowissenschaften nachhaltig zu stärken. Im Jahr 2025 veröffentlichte NEURON eine gemeinsame transnationale Ausschreibung (JTC 2025) zum Thema „Interdisciplinary Approaches to the Neuroscience of Pain“, um innovative, interdisziplinäre Forschung im Bereich der Schmerz-Neurowissenschaften gezielt zu fördern. Das Konsortium DECIPHER erhielt rund 1,5 Millionen Euro für sein Projekt „Deciphering the role of CD90+ stromal cells in neuropathic pain“.

Text: Wissenschaftskommunikation / KL 

Die oberen Bilder der Nervus suralis-Biopsie wurden mit Hämalun und Eosin pink angefärbt, bei den unteren farblosen Bildern ist eine CD3-Immunhistochemie zu sehen.
Querschnitt einer Gewebeentnahme aus dem Nervus suralis, einem oberflächlichen Hautnerv an der Außenseite des Unterschenkels, eines Patienten mit vaskulitischer Polyneuropathie. (A, B) Hämatoxylin-Eosin-Färbung mit ausgeprägter perivaskulärer und die gesamte Gefäßwand umfassender Entzündung. (C, D) CD3-Immunhistochemie zeigt eine dichte T-Zell-Infiltration des Gefäßes. Maßstab: 200 µm (A, C), 100 µm (B, D). © Julia Grüner
Porträtbild von Nurcan Üçeyler, dunkle kurze Haare, im weißen Kittel vor heller Wand.
Prof. Dr. Nurcan Üçeyler und ihre Arbeitsgruppe am Uniklinikum Würzburg verfolgen einen translationalen Ansatz in der Neurologie und den Neurowissenschaften. Im neuen, im Rahmen des europäischen ERA-Net NEURON geförderten Projekt DECIPHER sind sie entsprechend dual eingebunden. © Brigitte May

Weihnachtliche Hilfe für krebskranke Kinder

Ursula Uhl überreichte der Elterninitiative Regenbogen Sachspenden

Auf dem Bild sind zwei Frauen zu sehen, die in ihren Händen verschiedene Adventskalender halten. Vor ihnen auf dem Tisch stehen mehrere Tüten mit verschiedenen Sachspenden. Im Hintergrund steht ein Roll-up der Elterninitiative Regenbogen.
Ursula Uhl überreichte der Elterninitiative Regenbogen Sachspenden. Foto: Elterninitiative Regenbogen

"Man sollte für die eigene Gesundheit und die seiner Familie dankbar sein, deshalb ist es für mich selbstverständlich, etwas Gutes zu tun" - so lautet das Motto von Ursula Uhl aus Kitzingen, die die Elterninitiative Regenbogen seit Jahren treu unterstützt.

Auch in diesem Jahr organisierte sie frühzeitig in ihrem Freundeskreis eine weihnachtliche Aktion für die jungen Patienten und übergab der Elterninitiative verschiedene Adventskalender und Spielsachen. Die Sachspenden kommen den Kindern und Jugendlichen auf den Kinderkrebsstationen Regenbogen, Schatzinsel und Leuchtturm der Uniklinik zugute. Auch an das Klinikpersonal haben Ursula Uhl und ihre Mitstreiter gedacht und für sie Adventskalender vorbereitet.

Bereits in den vergangenen Jahren hat sie mit ihren liebevollen Aktionen immer wieder Kinderaugen zum Strahlen gebracht – etwa im letzten Jahr mit Disney-Sticker-Sammelbüchern, die auf den Stationen großen Anklang fanden. Die jungen Patienten sammelten eifrig Sticker, tauschten sie miteinander aus und konnten so zumindest für eine Weile ihre Sorgen vergessen.
Dass das Engagement von Ursula Uhl für die Elterninitiative Regenbogen alles andere als selbstverständlich ist, hoben die Mitarbeiterinnen des Vereins, Yevgeniya Ronis und Nadine Kempa, im Gespräch mit ihr hervor. Außerdem machten sie deutlich, dass Ursula Uhls Hilfe einen wichtigen Beitrag dazu leistet, den Klinikalltag für die jungen Patientinnen und Patienten ein Stück heller zu machen. Ein großes Dankeschön geht außerdem an ihren Freundeskreis, der sich den Aktionen regelmäßig anschließt.

Pressemitteilung der Elterninitiative Regenbogen vom 20. November 2025
 

Auf dem Bild sind zwei Frauen zu sehen, die in ihren Händen verschiedene Adventskalender halten. Vor ihnen auf dem Tisch stehen mehrere Tüten mit verschiedenen Sachspenden. Im Hintergrund steht ein Roll-up der Elterninitiative Regenbogen.
Ursula Uhl überreichte der Elterninitiative Regenbogen Sachspenden. Foto: Elterninitiative Regenbogen

Komplexe Modelle für komplexe Erkrankungen: 3D-gedruckte Synapsen eröffnen neue Wege zum Verständnis kindlicher Störungen des Nervensystems

Rund 16.000 Kilometer trennen das Universitätsklinikum Würzburg (UKW) und die University of the Sunshine Coast (UniSC) im australischen Queensland – in der Forschung sind sie sich jedoch ganz nah.

Auf dem Bild sind zwei Personen zu sehen, die in der Hand eine Karte halten auf denen verschiedene rote Punkte zu sehen sind. Über der Karte steht Bavaria-Queensland Research Alliance. Im Hintergrunde hängen zwei Bilder an der Wand.
Zwischen Würzburg und Queensland entstehen neuartige, tierversuchsfreie Modelle zum Verständnis neuronaler Kommunikation: PD Dr. Natascha Schäfer, Institut für Klinische Neurobiologie am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) und Prof. Robert Harvey, University of the Sunshine Coast (UniSC), arbeiten gemeinsam an 3D-gedruckten Synapsen. Ihre Forschung soll helfen, die Ursachen neurologischer Erkrankungen im Kindesalter besser zu verstehen. Foto: Anna-Lena Wießler

Würzburg. PD Dr. Natascha Schäfer vom Institut für Klinische Neurobiologie am UKW und ihr australischer Kollege Prof. Robert Harvey erhalten im Rahmen der Bayern-Queensland-Forschungsallianz eine staatliche Förderung in Höhe von 70.000 Euro über zwei Jahre. Ergänzt wird diese Förderung durch substanzielle Sachleistungen privater Partner: Die Firma PELOBiotech stellt Humane Zellkulturen, spezielle Zellkulturmedien und Medienentwicklungslösungen im Verlauf des Projekts im Wert von über 50.000 Euro zur Verfügung, während RevoBITs moderne Biodruck-Technologie und technische Infrastruktur im Umfang von über 180.000 Euro einbringt. Mit dem sogenannten Development Grant entwickeln die Forschenden gemeinsam eine innovative, tierversuchsfreie Methode zum Verständnis neurologischer Erkrankungen weiter.

„Um menschliche Erkrankungen wirklich zu verstehen, benötigen wir menschliche Zellmodelle“, betont die Molekularmedizinerin Natascha Schäfer. „Unser Ziel ist es, die Erforschung des Nervensystems auf ein neues Niveau zu heben – ohne auf tierisches Gewebe angewiesen zu sein.“

Schäfer und Harvey haben in den vergangenen Jahren bereits Pionierarbeit auf dem Gebiet künstlicher Synapsen geleistet. In Zellkulturen gelang es ihnen, die Anschaltung neuronaler Rezeptoren und ihrer Partnerproteine präzise zu steuern. Dieses System ermöglichte wichtige Einblicke in die molekularen Mechanismen der Signalübertragung im Nervensystem.
„Unsere bisherigen Modelle sind jedoch noch auf tierisches Gewebe angewiesen. Gleichzeitig beruhen sie auf klassischen zweidimensionalen Zellkulturen, bei denen das Wachstum in der Petrischale nur auf einer flachen Oberfläche stattfindet“, erklärt Schäfer. „Eine solche 2D-Umgebung bildet jedoch nicht die dreidimensionale Organisation nach, in der Nervenzellen im Gehirn oder Rückenmark miteinander vernetzt sind. In der Realität bilden sie ein hochdynamisches, räumliches Netzwerk – und genau das wollen wir im Labor nachbilden.“

Von 2D zu 3D: Biodruck unterstützt die Herstellung dreidimensionaler neuronaler Gewebemodelle

Im Mittelpunkt des neuen Projekts steht deshalb die Entwicklung von dreidimensionalen, biogedruckten Modellen künstlicher Synapsen auf Basis menschlicher induzierter pluripotenter Stammzellen (iPSCs). Diese Zellen können aus Haut- oder Blutzellen gewonnen und in nahezu jeden Zelltyp des Körpers umgewandelt werden. Unterstützt durch präzisen Biodruck können Synapsen – die Schaltstellen zwischen Nervenzellen – in einer dreidimensionalen Struktur nachgebildet werden. 

Das Team greift dafür auf die Technologie und Expertise des bayerischen 3D-Biodruck-Start-ups RevoBITs zurück, dessen Biodruck-Plattform speziell für die Herstellung anspruchsvoller Gewebemodelle entwickelt wird. Die benötigten iPSC-Zellen liefert der Partner PELOBiotech, der ein breites Spektrum an Primärzellen, Stammzellen und genetisch modifizierten Zellsystemen bereitstellt.

„Die Arbeit mit tierischem Gewebe hat nicht nur ethische Grenzen, sondern schränkt auch viele Labore ohne Tierhaltungsanlagen in ihren Forschungsmöglichkeiten ein“, erklärt Schäfer. „Mit unserer Methode wollen wir ein zugängliches, reproduzierbares System schaffen, das auf menschlichen Zellen basiert.“

Im Fokus: Autismus-Spektrum-Störungen und Epilepsie

Schäfers Arbeitsgruppe am Institut für Klinische Neurobiologie widmet sich seit 2022 der Entwicklung von dreidimensionalen Gewebemodellen des Rückenmarks, um Krankheiten des Nervensystems besser zu verstehen. Aufbauend auf den Erkenntnissen aus ihren bisherigen 2D-Modellen wollen die Forschenden nun die komplexen neuronalen Schaltstellen in dreidimensionaler Umgebung analysieren – insbesondere jene, die bei kindlichen Nervenerkrankungen eine Rolle spielen.

Das neue Projekt nimmt gezielt neurologische Erkrankungen im Kindesalter in den Blick. Weltweit leiden über 60 Millionen Kinder an solchen Erkrankungen – darunter Autismus-Spektrum-Störungen, Epilepsie oder Entwicklungsverzögerungen. Schäfer und Harvey konzentrieren sich dabei auf Mutationen in Neurotransmitter-Rezeptoren, die für die Kommunikation zwischen Nervenzellen entscheidend sind. Insbesondere GABA- und Glycinrezeptoren, deren Fehlfunktionen unter anderem zu Epilepsie führen können, stehen im Fokus.

„Wenn wir verstehen, wie genau Störungen der neuronalen Kommunikation bei Kindern wirken, können wir langfristig den Grundstein für neue, personalisierte Therapieansätze entwickeln“, sagt Schäfer.

Technologischer und wirtschaftlicher Schub für Bayern und Queensland

Das Projekt bringt nicht nur wissenschaftlichen Fortschritt, sondern birgt auch wirtschaftliche Perspektiven: Durch die Entwicklung komplexer 3D-Modelle auf Basis menschlicher Zellen entstehen neue biotechnologische Verfahren, die im Gesundheitssektor vielfach Anwendung finden können. Die gewonnenen Erkenntnisse können die Entwicklung neuer Medikamente und patientenspezifischer Therapiekonzepte beschleunigen. 

Mit Patenten, der Entwicklung spezialisierter Materialien und neuer Biodruck-Technologien möchten die beteiligten Partner aus Bayern und Queensland ihre Position in einem internationalen Wachstumsmarkt stärken.

Die Bayern-Queensland-Forschungsallianz, die im April 2024 ins Leben gerufen wurde, fördert gezielt Kooperationen zwischen den beiden Regionen im Bereich Zukunftstechnologien – von der Anschubfinanzierung kleiner Projekte bis hin zu umfangreichen Forschungszusammenarbeiten.

„Diese Förderung ist ein wichtiger Schritt, um innovative, tierversuchsfreie Forschungsansätze weltweit voranzubringen“, resümiert Schäfer. „Gemeinsam mit unseren Partnern wollen wir zeigen, dass Hightech, Ethik und medizinischer Fortschritt in der modernen Forschung Hand in Hand gehen können.“

Text: Pressestelle / UKW
 

Auf dem Bild sind zwei Personen zu sehen, die in der Hand eine Karte halten auf denen verschiedene rote Punkte zu sehen sind. Über der Karte steht Bavaria-Queensland Research Alliance. Im Hintergrunde hängen zwei Bilder an der Wand.
Zwischen Würzburg und Queensland entstehen neuartige, tierversuchsfreie Modelle zum Verständnis neuronaler Kommunikation: PD Dr. Natascha Schäfer, Institut für Klinische Neurobiologie am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) und Prof. Robert Harvey, University of the Sunshine Coast (UniSC), arbeiten gemeinsam an 3D-gedruckten Synapsen. Ihre Forschung soll helfen, die Ursachen neurologischer Erkrankungen im Kindesalter besser zu verstehen. Foto: Anna-Lena Wießler

Neue Bettanhänger erleichtern den Umgang mit seh- und hörbeeinträchtigten Patientinnen und Patienten

Am Uniklinikum Würzburg sind seit kurzem Bettanhänger im Einsatz, die die Klinikumsbeschäftigten auf eine Seh- oder Hörbehinderung der Patientin oder des Patienten aufmerksam machen. Das wegweisende Projekt entstand in enger Zusammenarbeit mit der Selbsthilfe.

Auf dem Bild sieht man ein frisch bezogenes Krankenbett an dem am Ende des Fußes ein blauer Anhänger am Gestänge hängt. Auf dem steht Patient*in ist blind / sehbehindert. Darunter sind zwei Piktogramme. Ein durchgestrichenes Auge und ein Strichmännchen mit Stock, der vor einer Stufe steht.
Die neuen Anhänger weisen die Beschäftigten am Uniklinikum Würzburg auf Beeinträchtigungen der Patientinnen und Patienten hin. © Margot Rössler / UKW

Würzburg. Um die Versorgung blinder, sehbehinderter oder hörbehinderter Patientinnen und Patienten weiter zu verbessern, sind seit diesem Herbst am Uniklinikum Würzburg (UKW) zwei neue Hinweis-Anhänger im Einsatz. Entwickelt wurden sie in enger Zusammenarbeit mit der Selbsthilfebeauftragten des Klinikums, dem Bezirksverband Unterfranken der Schwerhörigenvereine und Selbsthilfegruppen e.V. sowie dem Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund e.V. (BBSB). 

Die blau-weißen Kunststoffanhänger können am Krankenbett angebracht werden. Sie sind abwisch- und desinfizierbar, können also wiederverwendet werden. Auf der Vorderseite informiert das Medium per Text und Piktogramm darüber, dass die betroffene Person blind/sehbehindert beziehungsweise hörbehindert ist. Auf der Rückseite gibt es hilfreiche Verhaltenstipps, beispielsweise zum Ansprechen, Vorstellen und Informieren. Voraussetzung für den Einsatz ist das mündliche Einverständnis der Patientin oder des Patienten. 

„Die neuen Hinweis-Anhänger erleichtern unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Kommunikation mit seh- oder hörbeeinträchtigten Patientinnen und Patienten. Durch die hervorragende Kooperation mit der Selbsthilfe konnten wir eine Lösung erarbeiten, die im Klinikalltag wirklich unterstützt und Barrieren reduziert“, freut sich Gabriele Nelkenstock, die Selbsthilfebeauftragte des UKW. 

Das Würzburger Universitätsklinikum wurde erst vor wenigen Wochen erneut vom bundesweiten Netzwerk „Selbsthilfefreundlichkeit und Patientenorientierung im Gesundheitswesen“ als „Selbsthilfefreundliches Krankenhaus“ ausgezeichnet.


Text: Pressestelle / UKW
 

Auf dem Bild sieht man ein frisch bezogenes Krankenbett an dem am Ende des Fußes ein blauer Anhänger am Gestänge hängt. Auf dem steht Patient*in ist blind / sehbehindert. Darunter sind zwei Piktogramme. Ein durchgestrichenes Auge und ein Strichmännchen mit Stock, der vor einer Stufe steht.
Die neuen Anhänger weisen die Beschäftigten am Uniklinikum Würzburg auf Beeinträchtigungen der Patientinnen und Patienten hin. © Margot Rössler / UKW

Seltene genetische Varianten erhöhen ADHS-Risiko um das bis zu 15-Fache

In einer neuen Studie, die von Forschenden der Universität Aarhus geleitet wurde und an der das Universitätsklinikum Würzburg beteiligt war, wurden seltene genetische Varianten identifiziert, die das Risiko für ADHS deutlich erhöhen. Die Studie zeigt, dass diese Varianten insbesondere in Nervenzellen im Gehirn exprimiert werden und sich negativ auf kognitive Fähigkeiten sowie den Bildungserfolg auswirken.

Grafische Übersicht wie Genetik und Epigenetik die Entstehung von ADHS beeinflussen kann.
Ein komplexes Zusammenspiel von genetischen Faktoren und Umweltbedingungen führt zur Entstehung psychischer Erkrankungen wie ADHS. Je nach individueller Veranlagung und Lebensumfeld kann es zu Veränderungen in Nervenzellen und Hirnnetzwerken kommen. Ob dann eine psychische Erkrankung entsteht, hängt auch mit Resilienzfaktoren zusammen. In der Nature Arbeit werden nun seltene genetische Varianten berichtet, die einen sehr großen Effekt auf das ADHS-Risiko haben und mit krankheitsrelevanten neurobiologischen Prozessen in Verbindung stehen. Das Bild basiert auf einer Grafik aus Geissler J, Lesch KP. A lifetime of attention-deficit/hyperactivity disorder: diagnostic challenges, treatment and neurobiological mechanisms. Expert Rev Neurother. 2011 Oct;11(10):1467-84. doi: 10.1586/ern.11.136. PMID: 21955202 und wurde mit Canva überarbeitet.

Aarhus/Würzburg. Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine Neuroentwicklungsstörung mit hoher Erblichkeit, deren genetische Grundlage aus Tausenden von Varianten besteht. Die meisten dieser Varianten erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer ADHS-Diagnose jedoch nur geringfügig.

Eine internationale Studie unter der Leitung von Forschenden der Universität Aarhus (Dänemark) in Zusammenarbeit mit Partnern wie dem Broad Institute of MIT und Harvard (USA), der Radboud Universiteit (Niederlande) und dem Universitätsklinikum Würzburg (UKW) zeigte nun, dass auch sogenannte „high-effect genetic variants“, also seltene, stark wirkende genetische Varianten, eine wichtige Rolle spielen. Die Ergebnisse wurden in der renommierten Fachzeitschrift NATURE veröffentlicht. 

Störungen der Gehirnentwicklung und -funktion sind zentral für die Entstehung von ADHS 

Die Forschenden fanden heraus, dass Personen mit seltenen Varianten in den drei Genen MAP1A, ANO8 und ANK2 ein deutlich erhöhtes ADHS-Risiko aufweisen, zum Teil um mehr als das 15-Fache. Diese genetischen Varianten sind zwar sehr selten, beeinflussen jedoch stark die Aktivität von Genen in den Nervenzellen. Bei Menschen, die diese Varianten tragen, kann die Entwicklung und Kommunikation zwischen den Nervenzellen daher gestört sein, was zu ADHS führen kann. „Die Ergebnisse zeigen erstmals klar benannte Gene, in denen seltene, stark wirkende Varianten eine hohe Anfälligkeit für ADHS verursachen und grundlegende biologische Mechanismen beeinflussen“, fasst Professor Anders Børglum vom Department of Biomedicine der Universität Aarhus, der Seniorautor der Studie, zusammen. 

Die Analyse kombinierter genetischer und Genexpressionsdaten zeigt, dass die seltenen, an ADHS beteiligten Varianten insbesondere die Funktion dopaminerger und GABAerger Neurone beeinflussen. Diese Zelltypen sind für Aufmerksamkeit, Impulskontrolle und Motivation von großer Bedeutung. Die Auswirkungen lassen sich bereits im fetalen Leben nachweisen und reichen bis ins Erwachsenenalter. „Unsere Ergebnisse unterstützen die Annahme, dass Störungen der Gehirnentwicklung und -funktion zentral für die Entstehung von ADHS sind“, erklärt Ditte Demontis, Professorin am Department of Biomedicine der Universität Aarhus und Erstautorin der Studie. „Unsere Kolleginnen und Kollegen am Broad Institute analysierten, welche Proteine mit den Proteinen interagieren, die von den drei identifizierten ADHS-Genen kodiert werden, und identifizierten ein größeres Netzwerk von Proteinen, das ebenfalls bei anderen neurologischen Entwicklungsstörungen wie Autismus und Schizophrenie eine Rolle spielt. Das liefert Einblicke in biologische Zusammenhänge über mehrere psychiatrische Diagnosen hinweg.“

Auswirkungen auf Intelligenz, Bildung und Beschäftigung

Die seltenen genetischen Varianten beeinflussen nicht nur, wer ADHS entwickelt, sondern auch, wie es den Betroffenen im Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt ergeht. Durch die Verknüpfung genetischer Daten mit dänischen Registerdaten fanden die Forschenden heraus, dass Personen mit ADHS und seltenen Varianten im Durchschnitt einen geringeren Bildungsstand und einen niedrigeren sozioökonomischen Status haben als Betroffene ohne diese Varianten. Bei Erwachsenen mit ADHS der Würzburger Stichprobe wurde eine durchschnittliche Abnahme des IQ-Werts um etwa 2,25 Punkte pro seltener Hochrisikovariante beobachtet. 

Die Ergebnisse erweitern das Verständnis der biologischen Grundlagen von ADHS und könnten die Basis für zukünftige Behandlungsmethoden bilden. Laut Studienteam ist das erst der Anfang. Ihre Berechnungen zeigen, dass es viele weitere seltene kausale Varianten gibt, die in noch größeren Studien identifiziert werden können. 

Daten von fast 1.000 Patientinnen und Patienten kamen aus Würzburg

„Ich freue mich sehr, dass wir in Würzburg zu diesen wichtigen Erkenntnissen wesentlich beitragen konnten“, sagt Prof. Dr. Klaus-Peter Lesch. Der Psychiater und Verhaltenswissenschaftler war von 1985 bis 2023 an der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie tätig und ist jetzt Seniorprofessor an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Von 2010 bis 2023 hatte er den Lehrstuhl für Molekulare Psychiatrie inne und leitete von 2004 bis 2011 die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Klinische Forschergruppe zur Erforschung des Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitäts-Syndroms (KFO 125). 

In die aktuelle Studie flossen genetische Analysen von fast 9.000 Personen mit ADHS und von 54.000 Personen ohne ADHS ein. Diese wurden mit Analysen der Gehirnzellfunktion und Registerdaten zu Bildung und sozioökonomischem Status kombiniert. Das Universitätsklinikum Würzburg steuerte die diagnostische Evaluierung und das Biomaterial von fast 1.000 Patientinnen und Patienten mit ADHS des Erwachsenenalters bei. 

Bei bis zu 60 Prozent der Betroffenen besteht ADHS im Erwachsenenalter fort

„ADHS über die gesamte Lebensspanne“ ist einer der gemeinsamen Forschungsschwerpunkte der beiden Kliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Die Störung ist die häufigste neuroentwicklungsbedingte Störung im Kindesalter. Bei bis zu 60 Prozent der Betroffenen besteht sie auch im Erwachsenenalter fort und ist mit erheblichem psychischem Leidensdruck verbunden – etwa durch wiederholte Misserfolge oder Frustrationserleben. Zudem entwickeln viele Erwachsene mit ADHS im Laufe ihres Lebens mindestens eine weitere psychische Erkrankung, zum Beispiel Depression, Angststörungen oder Suchterkrankungen. Allerdings sprechen nur etwa die Hälfte der Betroffenen ausreichend auf die derzeit gängigen Behandlungsformen, wie beispielsweise Psychostimulanzien oder psychotherapeutische Verfahren, an. „Mit unserer Forschung möchten wir daher ein besseres Verständnis der neurobiologischen und psychologischen Ursachen von ADHS und seinen häufigen Begleiterkrankungen gewinnen, um langfristig die dringend notwendige Entwicklung zusätzlicher Therapieansätze zu unterstützen“, so Dr. Georg Ziegler, leitender Oberarzt und Leiter der Forschungsgruppe zu ADHS im Erwachsenenalter.

Publikation: Demontis, D., Duan, J., Hsu, YH.H. et al. Rare genetic variants confer a high risk of ADHD and implicate neuronal biology. Nature (2025). https://doi.org/10.1038/s41586-025-09702-8

Grafische Übersicht wie Genetik und Epigenetik die Entstehung von ADHS beeinflussen kann.
Ein komplexes Zusammenspiel von genetischen Faktoren und Umweltbedingungen führt zur Entstehung psychischer Erkrankungen wie ADHS. Je nach individueller Veranlagung und Lebensumfeld kann es zu Veränderungen in Nervenzellen und Hirnnetzwerken kommen. Ob dann eine psychische Erkrankung entsteht, hängt auch mit Resilienzfaktoren zusammen. In der Nature Arbeit werden nun seltene genetische Varianten berichtet, die einen sehr großen Effekt auf das ADHS-Risiko haben und mit krankheitsrelevanten neurobiologischen Prozessen in Verbindung stehen. Das Bild basiert auf einer Grafik aus Geissler J, Lesch KP. A lifetime of attention-deficit/hyperactivity disorder: diagnostic challenges, treatment and neurobiological mechanisms. Expert Rev Neurother. 2011 Oct;11(10):1467-84. doi: 10.1586/ern.11.136. PMID: 21955202 und wurde mit Canva überarbeitet.

Würzburger Anästhesist und Intensivmediziner verstärkt Leopoldina

Prof. Patrick Meybohm wurde vom Präsidium der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina als neues Mitglied berufen

Porträtbild von Patrick Meybohm in weißem Kittel
Prof. Patrick Meybohm, Direktor der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie am Universitätsklinikum Würzburg und Inhaber des Lehrstuhls für Anästhesiologie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU), wurde vom Präsidium der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina als neues Mitglied berufen. © Robert Wenzl / UKW

Würzburg. Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina ist die Stimme der Wissenschaft in Deutschland. Die rund 1.600 Akademiemitglieder aus aller Welt beraten die Politik und Gesellschaft in wichtigen Fragen, setzen sich für wissenschaftliche Exzellenz und Integrität ein, fördern den Dialog mit der breiten Öffentlichkeit und stärken so das Vertrauen in die Wissenschaft und sie vertreten die deutsche Wissenschaft im internationalen Kontext. Die Nominierung und Wahl zum Mitglied ist sowohl eine große Ehre für jede Wissenschaftlerinnen und jeden Wissenschaftler als auch eine Plattform, die Wissenschaftslandschaft aktiv mitzugestalten. 

Diese ehrenvolle Auszeichnung wurde nun Professor Patrick Meybohm zuteil. Er ist Direktor der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie am Universitätsklinikum Würzburg und Inhaber des Lehrstuhls für Anästhesiologie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). „Ich freue mich sehr über die hohe Wertschätzung meiner bisherigen wissenschaftlichen Arbeit und darauf, mich künftig als Mitglied engagiert in die Aktivitäten dieser traditionsreichen Nationalen Akademie einzubringen“ so der Anästhesist und Intensivmediziner.

Auch der Präsident der JMU, Prof. Paul Pauli, gratuliert: „Diese Auszeichnung würdigt in besonderer Weise die hervorragenden wissenschaftlichen Leistungen und das große Engagement von Patrick Meybohm – insbesondere auf dem Gebiet der anästhesiologischen und intensivmedizinischen Forschung.“

Meybohms Ziele: Minimierung der Risiken bei größeren Operationen und Komplikationen in der Intensivmedizin, Weiterentwicklung des Patient Blood Managements

Die Expertise von Patrick Meybohm liegt vor allem im Bereich der Intensivmedizin und translationalen Forschung. Sein Ziel ist es, Risiken bei größeren Operationen und Komplikationen in der Intensivmedizin zu minimieren und damit die Grundlage für eine moderne, evidenzbasierte perioperative Medizin zu schaffen. Zusätzlich arbeitet Meybohm an der Weiterentwicklung des Patient Blood Managements, einem Konzept, das auf drei Säulen basiert: rechtzeitige Erkennung und Behandlung einer Anämie vor planbaren Eingriffen, möglichst geringe intraoperative Blutverluste sowie die Durchführung von Bluttransfusionen nur nach eindeutigen klinischen Kriterien. Dadurch wird die perioperative Versorgung der Patientinnen und Patienten optimiert, die Sicherheit erhöht und die Abhängigkeit von Fremdblutkonserven deutlich reduziert. 

Patrick Meybohm, im Jahr 1978 in Stendal geboren, absolvierte sein Studium der Humanmedizin an der Georg-August Universität Göttingen, wo er im Jahr 2004 auch seine Promotion abschloss. Seine Facharztweiterbildung zum Anästhesisten begann er am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel. 2009 erhielt er die Facharztanerkennung für Anästhesiologie sowie die Venia Legendi in diesem Fachgebiet. Im Jahr 2019 wurde er auf die W2-Professur für Anästhesiologie und Intensivmedizin an der Johann Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main berufen. Seit 2020 bekleidet der zweifache Vater die W3-Professur für Anästhesiologie an der Medizinischen Fakultät der Julius-Maximilian-Universität Würzburg und ist zugleich Direktor der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie am Universitätsklinikum Würzburg.

Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina zählt zu den ältesten und renommiertesten Wissenschaftsakademien der Welt 

Charles Darwin, Marie Curie, Albert Einstein, Emmanuelle Charpentier, Harald zur Hausen - sie alle waren oder sind Mitglieder der Leopoldina. Die Nationale Akademie der Wissenschaften zählt zu den ältesten und renommiertesten Wissenschaftsakademien der Welt. Als „Academia Naturae Curiosorum" 1652 in Schweinfurt gegründet, beschäftigten sich die ersten Mitglieder der „Akademie der Naturforscher“ vor allem mit medizinischen und naturwissenschaftlichen Fragen und trugen wesentlich zur wissenschaftlichen Aufklärung bei. Bis heute steht die Leopoldina für wissenschaftliche Exzellenz und interdisziplinären Austausch. Um ihre Stärke der Akademie zu erhalten, wählt die Leopoldina jedes Jahr in einem mehrtägigen Auswahlverfahren etwa 50 neue Mitglieder. Die Mitglieder sind in Fachsektionen organisiert, die wiederum vier Klassen mit den Schwerpunkten Naturwissenschaften, Lebenswissenschaften, Medizin sowie Verhaltens-, Sozial- und Geisteswissenschaften zugeordnet sind. Unabhängig von wirtschaftlichen oder politischen Interessen erarbeiten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gesellschaftlich relevante Zukunftsthemen und beraten die deutsche Politik und internationale Institutionen in wichtigen Fragen. Ihre Stellungnahmen zu Themen wie Gesundheit, Klimawandel oder Technologie haben großes Gewicht. Darüber hinaus setzt sich die Leopoldina für die Achtung der Menschenrechte ein. 

Porträtbild von Patrick Meybohm in weißem Kittel
Prof. Patrick Meybohm, Direktor der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie am Universitätsklinikum Würzburg und Inhaber des Lehrstuhls für Anästhesiologie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU), wurde vom Präsidium der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina als neues Mitglied berufen. © Robert Wenzl / UKW

Mikroroboter bringt Medikamente direkt an ihren Wirkort

Ein Mikroroboter, der Medikamente zielgenau im Körper abliefert und bald klinisch einsetzbar sein soll: An dieser Entwicklung der ETH Zürich haben Forschende der Uni Würzburg mitgewirkt.

Auf dem Bild sieht man auf einem blauen Hintergrund eine vergrößerte Fingerkuppe auf der eine winzig kleine schwarze Kugel zu sehen ist.
Auf einer Fingerkuppe: So klein ist der neueste an der ETH Zürich entwickelte Mikroroboter. Er bringt Medikamente an ihren Wirkort und löst sich dann auf. (Bild: Luca Donati / lad.studio Zürich)

Ein Schlaganfall entsteht, wenn Blutgerinnsel Gefäße verstopfen, die das Gehirn mit Blut versorgen. Zwölf Millionen Menschen weltweit erleiden jährlich einen Schlaganfall – viele sterben daran oder bleiben beeinträchtigt, etwa in Form von Lähmungen.

Um Blutgerinnsel aufzulösen, werden heutzutage Medikamente verabreicht, die sich im ganzen Körper verteilen. Damit die nötige Menge vom Medikament das Gerinnsel erreicht, muss eine hohe Dosis gegeben werden. Das aber kann erhebliche Nebenwirkungen haben, zum Beispiel innere Blutungen.

Medikamente zielgenau an den Wirkort bringen

Medikamente werden häufig nur an einer bestimmten Stelle im Körper gebraucht. Darum versucht die medizinische Forschung schon seit längerem, sie genau dorthin zu bringen, wo sie wirken sollen – bei einem Schlaganfall also direkt in die Nähe des Blutgerinnsels.

Auf dem Weg zu diesem Ziel sind nun einem Team der Eidgenössischen Technischen Hochschule ETH Zürich gleich auf mehreren Ebenen entscheidende Durchbrüche gelungen. Die Ergebnisse sind hochrangig im Journal Science publiziert.

Zu den Autorinnen und Autoren der Publikation gehört auch Professorin Tessa Lühmann vom Institut für Pharmazie und Lebensmittelchemie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU).

Magnetisch steuerbaren Mikroroboter entwickelt

Für den zielgenauen Transport von Medikamenten setzen die Forschenden auf einen Mikroroboter – eine von ihnen selbst entwickelte kugelförmige Kapsel. Sie besteht aus einer auflösbaren Gel-Hülle und aus Eisenoxid-Nanopartikeln. Diese machen es möglich, den Mikroroboter magnetisch durch den Körper zu steuern.

„Weil die Gefäße im menschlichen Gehirn so klein sind, darf auch die Kapsel nur eine bestimmte Größe haben. Die technische Herausforderung ist, dass eine so kleine Kapsel auch ausreichend starke magnetische Eigenschaften hat“, erklärt Fabian Landers, Erstautor des Papers und Postdoktorand am Multi-Scale Robotics Lab der ETH Zürich.

Damit Ärztinnen und Ärzte mittels Röntgenbildgebung verfolgen können, wie sich die Kapsel in den Gefäßen bewegt, ist für die Anwendung des Roboters ein Kontrastmittel nötig. Dafür haben die Forschenden die in der Medizin häufig verwendeten Tantal-Nanopartikel genutzt.

„Magnetische Funktionalität, bildgebende Sichtbarkeit und präzise Steuerung in einem einzigen Mikroroboter zu vereinen, erfordert ein perfektes Zusammenspiel zwischen Materialwissenschaft und Robotik. Wir haben viele Jahre gebraucht, dieses Ziel zu erreichen“, sagt ETH-Professor Bradley Nelson. Die Gruppe von Professor Salvador Pané, Chemiker am Institut für Robotik und Intelligente Systeme, entwickelte dafür passgenaue Eisenoxid-Nanopartikel.

Mikroroboter mit gängigen Medikamenten beladen

Den Forschenden gelang es, die Mikroroboter mit gängigen Medikamenten für verschiedene Anwendungen zu beladen. Dabei handelte es sich um ein Medikament, das Blutgerinnsel auflöst, ein Antibiotikum und ein Mittel gegen Tumore. Freigesetzt werden die Medikamente durch ein hochfrequentes magnetisches Feld, das die magnetischen Nanopartikel erhitzt und die Gel-Hülle sowie den Mikroroboter auflöst.

Bei dem Medikament, das zur Auflösung von Blutgerinnseln eingesetzt wurde, handelt es sich um ein von der U.S. Food and Drug Administration (FDA) zugelassenes Enzym mit dem Namen Gewebe-Plasminogenaktivator (tPA).

„Proteine wie tPA sind sehr empfindlich. Sie besitzen eine komplexe, dreidimensionale Struktur, die ganz exakt gefaltet sein muss, damit das Molekül richtig funktioniert“, erklärt Tessa Lühmann. Schon kleine Veränderungen der Umgebung – etwa zu hohe Temperaturen, ein falscher pH-Wert oder eine lange Lagerung – könnten diese Struktur zerstören: „Das Enzym verliert dann seine Aktivität oder kann sogar verklumpen.“

Umfangreiche Tests an der Universität Würzburg

Um tPA besser handhaben und gezielt einsetzen zu können, wurden die Mikroroboter am Institut für Pharmazie und Lebensmittelchemie der Universität Würzburg umfassend auf ihre Kompatibilität mit biologischen Systemen untersucht sowie auf die Aktivität der enthaltenen Enzyme und deren Stabilität bei der Lagerung.

Ein besonderer Fokus der Würzburger Gruppe lag auf dem zielgenauen Transport des Wirkstoffs.

Die Gel-Hülle der Mikroroboter wird im Körper durch eine kontrollierte Erhöhung der Temperatur aufgelöst. Das aber bedeutet Gefahr für die Stabilität der Enzyme. „Die große Herausforderung bestand darin, genau den richtigen Temperaturbereich zu finden, in dem die Kapsel zerfällt, aber das empfindliche tPA seine Struktur und seine Wirksamkeit behält“, sagt die JMU-Professorin. Das gelang dem Team mit umfangreichen Untersuchungen.

Nicht nur bei Gefäßverschlüssen einsetzbar

Die neuen Mikroroboter könnten nicht nur gegen Blutgerinnsel, sondern auch bei lokalisierten Infektionen oder Tumoren verwendet werden. Das Forschungsteam hat bei jedem Entwicklungsschritt mitberücksichtigt, dass alles, was es entwickelt, möglichst bald im Operationssaal eingesetzt werden kann. Das nächste Ziel ist, möglichst bald mit klinischen Tests bei Menschen zu beginnen.

Weitere Informationen

In der Pressemitteilung der ETH Zürich finden Sie weitere technische Details und Videos zum Einsatz der Mikroroboter. https://ethz.ch/de/news-und-veranstaltungen/eth-news/news/2025/11/mikroroboter-finden-ihren-weg.html 

Publikation

Landers F, Hertle L, Pustovalov V et al.: Clinically ready magnetic microrobots for targeted therapies. Science (2025), DOI:10.1126/science.adx1708

 

Pressemitteilung der Universität Würzburg vom 14. November 2025

 

Auf dem Bild sieht man auf einem blauen Hintergrund eine vergrößerte Fingerkuppe auf der eine winzig kleine schwarze Kugel zu sehen ist.
Auf einer Fingerkuppe: So klein ist der neueste an der ETH Zürich entwickelte Mikroroboter. Er bringt Medikamente an ihren Wirkort und löst sich dann auf. (Bild: Luca Donati / lad.studio Zürich)