Innovations​starker Klinikdirektor im Ruhestand

Bis Ende 2019, fast 25 Jahre lang, leitete und formte Prof. Dr. Dr. h. c. Norbert Roewer den Fachbereich Anästhesiologie am Uniklinikum Würzburg maßgeblich. Mit rund 150 ärztlichen Voll- und Teilzeitstellen ist die Anästhesiologie einer der größten Fachbereiche der Uniklinik.

Prof. Dr. Dr. h.c. Norbert Roewer

„Mein Anliegen war es immer, in der Patientenversorgung wie auch in den anderen Aspekten der Universitätsmedizin nicht den Entwicklungen hinterherzulaufen, sondern selbst Standards zu setzen“, schildert er seine Führungsmotive. Beispielsweise initiierte er im Jahr 1998 eine Modernisierung der Anästhesiologischen Intensivstation des UKW, an deren Ende – neben vielen weiteren technischen Neuerungen –seine Klinik die erste „papierlose Intensivstation“ in Bayern vorweisen konnte. Im selben Jahr wurden auf sein Betreiben hin klinikumsweit alle Narkosearbeitsplätze erneuert und dabei vereinheitlicht. Gleichzeitig wurden bei der tiefgreifenden Erneuerung in 1998 sämtliche 110 Anästhesie-Arbeitsplätze mit einheitlichen Messapparaturen und Monitoren zur Überwachung der Narkosetiefe und der Muskelrelaxation ausgestattet. Als Pionier für den Einsatz von diagnostischen Ultraschallverfahren in der Anästhesiologie führte Norbert Roewer auch diese mittlerweile unverzichtbaren Verfahren sehr früh in alle Versorgungsbereiche ein. „Heute ist das allgemeiner Standard – damals waren wir damit bundesweiter Vorreiter“, betont Roewer.

Wichtige Neuerungen ECMO: Im Jahr 2010 führten er und sein Team die extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO, ein für Patienten mit akutem Lungenversagen ein überlebenswichtiges Hochtechnologieverfahren) auf der Anästhesiologischen Intensivstation ein. Seit dem Jahr 2012 hat das UKW damit eines der größten überregionalen ECMO-Zentren in Deutschland. Notfall- und Katastrophenmedizin: Die erste und deutschlandweit einzige Professur für Notfall- und Katastrophenmedizin entwickelte sich unter der weitsichtigen Ägide von Professor Roewer. Darüber hinaus hat die Sektion Notfall- und Katastrophenmedizin in den letzten Jahren zunehmend die notärztliche Versorgung in Würzburg und den angrenzenden ländlichen Regionen unterstützt und dieses Engagement zunehmend beispielgebend ausgebaut. Schmerzambulanz: So wurde unter seiner Leitung das „Interdisziplinäre Zentrum für Schmerzmedizin“ (ZIS) ausgebaut. Zu dessen Angeboten zählen u. a. seit 2007 die zweitgrößte universitäre Schmerztagesklinik Deutschlands. Im Frühjahr dieses Jahres wird das Zentrum umziehen in ein hochmodernes Gebäude unter interdisziplinärer Einbeziehung aller schmerztherapeutischer Ambulanzen im UKW.

Simulationszentrum und Vertrauen der Patienten Hohe Qualitätsansprüche hatte Prof. Roewer auch bei der studentischen Lehre sowie der ärztlichen Aus- und Weiterbildung. So war seine Klinik eine der ersten in Deutschland, die über ein Simulationszentrum für die Durchführung von Narkosen und möglicher Komplikationen verfügten. Mittlerweile werden hier auch klinikumsweite Reanimationsschulungen durchgeführt. Gute Anästhesisten-Ausbildung bedeutete für den Menschenfreund Roewer jedoch nicht nur hohes, wohl geschultes klinisches Können. Er erläutert: „Während des Narkosegespräches haben wir meist nur sehr wenig Zeit, das für einen runden Behandlungsablauf so wichtige Vertrauen der Patienten zu gewinnen. Ich habe mich immer bemüht, meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch die dafür erforderlichen ‚Soft Skills‘ zu vermitteln.“ Forschung für den Patienten Unter den vielen in der Würzburger Universitäts-Anästhesiologie vorangetriebenen Forschungsthemen widmete sich Prof. Roewer selbst vor allem der Wirkstoffoptimierung, der Organprotektion und der Malignen Hyperthermie (sehr seltene, aber lebensbedrohliche Narkose-Komplikation). „Zu meinen Herzensangelegenheiten zählte immer auch die Förderung junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler“, sagt Prof. Roewer. So war er beispielsweise einer der Wegbereiter des Wissenschaftlichen Arbeitskreises „Wissenschaftlicher Nachwuchs“ (WAKWiN) der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie & Intensivmedizin (DGAI), für die er 10 Jahre im engeren Präsidium tätig war. Für seinen Einsatz ehrte ihn die DGAI im Jahr 2018 mit der Manfred-Specker-Medaille. Weiter als Seniorprofessor aktiv Neben den vielfältigen Tätigkeiten in seinem Fachbereich war Prof. Roewer von 2009 bis Ende 2019 Stellvertretender Ärztlicher Direktor der Uniklinik. Und jetzt der Ruhestand? „Ich bin noch voller Schaffenskraft und tatendurstig. Außerdem gestalte ich nach wie vor gerne“, verkündet er humorvoll. Die Medizinische Fakultät weiß sich diese nach wie vor überschäumende Energie zunutze zu machen. Sie ernannte Norbert Roewer zum Seniorprofessor und betraute ihn mit zwei wichtigen Zukunftsaufgaben: dem Aufbau des Stiftungswesens für die Würzburger Universitätsmedizin und eines bayerischen Netzwerks für Tele-Intensivmedizin. Roewers Nachfolge als Klinikdirektor trat zum Jahresbeginn 2020 Prof. Dr. Patrick Meybohm an: „Meinem Nachfolger wünsche ich alles Gute, ich bin mir sicher, dass die Erfolgsgeschichte der Klinik in seinen Händen fortgeschrieben wird.“

Text: Uniklinik, Foto: Alice Natter