Hightech in der zahnme​dizini​​​schen Ausbil​dung

Implantate und Kronen sind nicht erste Wahl: Patienten werden in der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie auch von künftigen Zahnärzten in den Studentenkursen mit modernsten Geräten und Techniken betreut.

Hightech in der zahnmedizini​schen Ausbildung

Implantate und Kronen sind nicht erste Wahl: Patienten werden in der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie auch von künftigen Zahnärzten in den Studentenkursen mit modernsten Geräten und Techniken betreut.

Lea Cagol, Studentin der Zahnmedizin, 6. Semester

Wie realistisch ist das Bohren am Modellkopf? Lea Cagol: Der Modellkopf hat keine Zunge, keinen Speichel und es fließt kein Blut. Anfangs wird an Plastikzähnen geübt, die doch eine ganz andere Konsistenz als echte Zähne haben. Am Phantomkopf kann man aber Winkel und Haltung des Bohrers gut üben. Was ist knifflig? Ich finde vor allem schwierig, den richtigen Arbeitsabstand einzuhalten. Man hat wenig Hemmung nah an den Phantomkopf ranzugehen. Am Patienten ist das doch noch mal was anderes. Kann das Modell auch Schmerzlaute imitieren? Nein, der Phantomkopf ist ein sehr pfleglicher Patient, der sich nie beschwert. Wie gehen Sie mit dem Bohrgeräusch um? Heute habe ich mich daran gewöhnt und blende es aus. Anfangs war es jedoch gewöhnungsbedürftig, die Bohrgeräusche von rund sechzig Studenten im Phantomsaal zu hören. Trauen Sie sich jetzt eher an den echten Patienten ran? Die Gegebenheiten am Patienten sind noch mal ganz anders mit Speichel, Zunge und Mundbewegungen. Respekt habe ich noch, aber die Angst wurde mir tatsächlich genommen. Was macht die Ausbildung an der Zahnklinik Würzburg so besonders? Ich habe gehört, dass wir, im Vergleich zu anderen Unis, pro Semester relativ wenige Studenten sind. Das ist ein großer Vorteil. Mir persönlich macht die handwerkliche Arbeit viel Spaß sowie das genaue und präzise Arbeiten hier.

Es schabt, es sägt, es bohrt, es schleift, es lärmt – und es klingt, als ob man sich in einer großen Werkstatt befindet. Doch die ohrenbetäubende Geräuschkulisse dringt nicht aus der Produktionshalle eines Industriebetriebes, sondern aus einem großen Übungsraum für angehende Zahnärzte. Hier bereiten sich gerade 55 Studenten auf ihre künftige Arbeit vor und trainieren an Kunststoffmodellen. Hauptsächlich Phantomköpfe mit eingearbeiteten Kiefern und Zähnen finden die Studenten hier vor. Neben vielen Kursen, die sie zusammen mit Studenten der Allgemeinmedizin absolvieren, müssen Zahnmedizinstudenten in den ersten drei Jahren einen beträchtlichen Teil ihrer Zeit an solchen Puppen und Gebissen verbringen und alle Handgriffe erlernen bevor sie auf Patienten „losgelassen“ werden. Mitunter verwenden die Kursleiter auch echte Zähne, um den Studierenden das richtige Gefühl beim Bohren zu vermitteln. „Immer öfter finden jedoch 3-D-Drucke Verwendung: künstliche Problemzähne, an denen sich realitätsnah Karies, Zahnunfälle und andere Schäden simulieren lassen“, ergänzt Prof. Dr. Gabriel Krastl, Klinikdirektor der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie. Der künftige Zahnarzt muss jede Krankheit adäquat behandeln, und das Ergebnis wird kritisch mit den Übungsleitern besprochen.

Patienten sind keine Versuchskaninchen Nach dieser dreijährigen, intensiven Übungsphase beginnt der Ernst: Nun dürfen die Studenten in den letzten zwei Jahren ihrer Ausbildung in den klinischen Kurssaal. Dieser helle und 2015 modern gestaltete Behandlungsraum umfasst 24 Hightech-Plätze. Zahnarztstuhl reiht sich an Zahnarztstuhl, und hier dürfen die Fortgeschrittenen endlich mit echten Patienten arbeiten. Aber auch an dieser Stelle unterstehen sie noch einer umfassenden Beobachtung: Jeder darf nur das an einem Patienten arbeiten, was er vorher mehrfach an Modellen geübt hat und darin geprüft wurde. Immer kümmern sich zwei Studenten um einen Patienten: einer behandelt, der andere assistiert. Darüber hinaus sind immer Assistenzärzte, Oberärzte und/oder Professoren anwesend, die sofort bei auftretenden Schwierigkeiten eingreifen können. Anmelden für eine Behandlung kann sich übrigens jeder Patient und er kann sich sicher sein, an der Zahnklinik optimal behandelt zu werden. Die Zahnklinik liefert eine hohe Qualität, da hier jeder Schritt mehrfach kontrolliert wird. Das verlängert zwar die Behandlungszeit, aber die angehenden Zahnärzte und ihre Ausbilder schauen eben genauer auf alles, was die Qualität deutlich erhöht und das Vertrauen der Patienten in die Arbeit der fortgeschrittenen Studenten steigert. Und die Patienten danken es mit ihrer Treue zum Haus. Erst kürzlich konnte ein Senior seine 70-jährige Treue zur Zahnklinik feiern – und das Wichtigste: Er hat bis heute sein Gebiss fast komplett erhalten können.

Klinikdirektor Prof. Dr. Gabriel Krastl

Zahnbehandlung – aktueller Stand Hier an der Zahnklinik erhalten die Studenten aktuelles Wissen und können es gleich in die Praxis umsetzen. Und einiges hat sich in den letzten Jahren in der Entwicklung der Zahnmedizin getan. Während früher Zähne großzügig abgeschliffen wurden, um beispielsweise Kronen auf ihnen zu befestigen, geht man jetzt anders vor: Heute wird nur erkranktes Zahngewebe entfernt, wie Prof. Krastl unterstreicht: „Im Vordergrund steht die minimalinvasive Versorgung der betroffenen Zähne. Keramikrestaurationen und der Einsatz von Kunststoffen, die verklebt werden, ersetzen langfristig das Abschleifen und die Zahnkrone.“ Mit modernen Materialien und dem richtigen Know-how gelingt der Zahnerhalt vielfach auch bei schwieriger Ausgangssituation und hilft so, Implantate zu vermeiden.

Auch technisch ist die Entwicklung nicht stehen geblieben: So arbeiten die Studenten mit modernsten Geräten. Mobile Mikroskope werden im Rahmen der Wurzelkanalbehandlung eingesetzt und machen feinste Strukturen in den Wurzelkanälen sichtbar. Intraoralscanner können die räumlichen Strukturen im Mund erfassen und ersetzen vollständig das Arbeiten mit Abformmasse. Die so gewonnenen Daten werden im hauseigenen Dentallabor an eine Schleifmaschine übertragen, die aus einem Keramikblock einen neuen Zahn oder Teile davon anfertigen kann – in wenigen Minuten. Den Zahnmedizinstudierenden an der Würzburger Zahnklinik steht heute eine Ausbildungseinrichtung für die Zahnerhaltung zur Verfügung, wie sie weltweit nur selten anzutreffen ist.

Text: MainKonzept, Fotos: Daniel Peter

Studierende behandeln eine Patientin in den Behandlungsräumen der Zahnklinik.

Eine Fräse formt Zahnersatz aus Keramik.