Immer mehr Licht ins Dunkel

Würzburger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler liefern in zahl­reichen Studien wichtige Erkenntnisse rund um die Covid-Erkrankung. Das beeindruckte auch den damaligen bayerischen Wissenschafts­minister Bernd Sibler bei seinem Besuch im Januar.

Immer mehr Licht ins Dunkel

Würzburger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler liefern in zahl­reichen Studien wichtige Erkenntnisse rund um die Covid-Erkrankung. Das beeindruckte auch den damaligen bayerischen Wissenschafts­minister Bernd Sibler bei seinem Besuch im Januar.

Der damalige Wissenschaftsminister Bernd Sibler zu Gast im Universitätsklinikum.

Mehr als zwei Jahre ist es nun her, dass ein neuartiges Virus namens SARS-CoV-2 sich weltweit ausgebreitet hat. Unzählige Fragen tauchten seitdem auf und sorgten für große Verunsicherung. Heute wissen wir weit mehr über das Virus. Über die von ihm ausgelöste Krankheit Covid-19. Und über Therapiemöglichkeiten. Nicht zuletzt liefern zahlreiche Studien von Würzburger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern dazu wichtige Erkenntnisse. Der damalige Wissenschaftsminister Bernd Sibler bezeichnete das Engagement und die Ergebnisse in Würzburg als „lebensrettende Erkenntnisse“. Hier stellvertretend einige Beispiele: Neue Diagnostikplattform Dass ständig neue Coronavirus-Varianten die Oberhand bekommen, erschwert die Diagnostik. Herkömmliche molekularbiologische Diagnostikverfahren, beispielsweise PCR-Tests, weisen in der Regel nur einen einzigen krankheitsbezogenen Biomarker nach. Eben weil sich das Virus immer wieder ändert, wäre es wichtig, ein Verfahren zu haben, das möglichst viele Biomarker in nur einem Test nachweisen könnte. In dem von Prof. Dr. Cynthia Sharma vom Institut für Molekulare Infektionsbiologie und Prof. Dr. Chase Beisel vom Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung koordinierten Projekt LEOPARD wurde eine solche neue Multiplex-Diagnostikplattform entwickelt. Dazu bedurfte es Pioniergeist und Kreativität. LEOPARD basiert auf der CRISPR-Cas-Technologie und auf einer überraschenden Entdeckung in der mikrobiellen Grundlagenforschung, die in ein neues Testverfahren überführt wurde. „Mit der neuen Testtechnologie können RNA-Moleküle verschiedener Viren oder auch Coronavirus-Varianten aus Patientenproben in einem einzigen Testansatz nachgewiesen werden“, so Sharma. Nun heißt es, das neue Verfahren in eine allgemein verfügbare Testmethode weiterzuentwickeln. Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sowie einem Medical Valley Award des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie. Pandemie Kohorten Netz Komplexe Fragen lassen sich nur auf Basis einer guten Quellenlage klären. Dafür will das Projekt Nationales Pandemie Kohorten Netz (NAPKON) im Rahmen des Netzwerkes Universitätsmedizin (NUM) sorgen. „Hier wird eine hochqualitative Arbeitsgrundlage für die Corona-Forschung geschaffen“, so Prof. Dr. Peter Heuschmann, Vorstand des Würzburger Instituts für klinische Epidemiologie und Biometrie. Würzburger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nehmen an einer Reihe von Plattformen (z. B. der populationsbasierten POP/COVIDOM und der sektorenübergreifenden SÜP) sowie begleitender Infrastrukturen (z. B. Epidemiology Core Unit) in NAPKON teil und beobachten mit Partnern aus anderen universitätsmedizinischen Standortenw Corona-Infizierte und -Erkrankte über den gesamten Krankheitsverlauf intensiv. Dabei werden umfassende klinische Daten und Bioproben gesammelt. Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Gut akzeptierte Tests Wichtig ist es in der Corona-Krise auch, die psychosozialen Auswirkungen zu sehen: Als wie belastend werden Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie empfunden? In der Studie WÜ-KiTa-CoV geht es um die langfristige Akzeptanz verschiedener Testkonzepte in Kinderbetreuungseinrichtungen. Wissenschaftler der Würzburger Universitätsmedizin waren hierfür in neun Würzburger Kitas unterwegs. Während der zweiten Corona-Welle testeten sie Kinder und Betreuungspersonal regelmäßig auf eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus und befragten alle Teilnehmer zu ihren Erfahrungen. „Kommen nicht-invasive Methoden zum Einsatz, wird das regelmäßige Testen vom Betreuungspersonal und den Kindern auch langfristig gut akzeptiert“, so Prof. Dr. Oliver Kurzai vom Institut für Hygiene und Mikrobiologie, der die Studie stellvertretend für ein interdisziplinäres Team aus Mikrobiologie, Kinderklinik, Virologie, Allgemeinmedizin, Biometrie und Kinder- und Jugendpsychiatrie vorstellte. Das zeigte sich bei WÜ-KiTa-CoV ganz klar an der gut angenommenen Möglichkeit, zu Hause entnommene Proben von Mundspülwasser abzugeben. Mit geeigneten Testkonzepten kann Kinderbetreuung aufrechterhalten und das Sicherheitsgefühl von Eltern und Betreuerinnen erhöht werden, so das zentrale Ergebnis der Studie. Gefördert vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL). Hilfe bei Post-Covid Betroffene berichten, an Covid-19 gelitten zu haben, sei belastend gewesen. Allerdings weist Schätzungen zufolge ca. jeder zehnte SARS-CoV-2-Patient langfristige Symptome auf. Die Ursachen der Beschwerden sind nicht vollständig geklärt. Es werden u. a. Gewebeschäden und chronische Entzündungsprozesse diskutiert. In PreVitaCOV wird untersucht, welche Medikamente eingesetzt werden können, um diese Beschwerden zu behandeln. Koordiniert wird das Projekt von Prof. Dr. Ildikó Gágyor, einer der beiden Leiterinnen des Instituts für Allgemeinmedizin. Das Verbundvorhaben, das am 1. Februar gestartet wurde, ist überaus wichtig, da noch wenige medikamentöse Therapiestudien zu Post-Covid-Symptomen existieren: „Es gibt lediglich Empfehlungen der S1-Leitlinie zur Linderung der Beschwerden und zur Vermeidung einer Chronifizierung“, so Gágyor. Ab Sommer erhalten 100 Patientinnen und Patienten über 28 Tage hinweg entweder ein Kortison als Entzündungshemmer oder einen Vitamin-B-Komplex (beteiligt beim Zellwachstum, Nervensystem und bei der Blutbildung), oder – als Teilnehmer der Kontrollgruppe – ein Placebo. An der Studie nehmen mehrere hausärztliche Praxen teil, die geeignete Teilnehmer rekrutieren werden. Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Das Virus verstehen Was versteht man genau unter SARS-CoV-2? Seit 2020 gibt es zwar immer mehr Antworten, aber etliche Fragen sind noch offen. Auch am Würzburger Helmholtz-Institut (HIRI) beschäftigen sich verschiedene Arbeitsgruppen mit dem Virus. Dabei geht es zum Beispiel darum, Näheres herauszufinden, wie SARS-CoV-2 mit den von ihm befallenen Zellen interagiert. Ein institutionsübergreifendes Forschungsteam um Jun.-Prof. Dr. Mathias Munschauer konnte in der menschlichen Zelle 18 Wirtsproteine identifizieren, die während einer SARS-CoV-2-Infektion eine wichtige Rolle spielen. „Hier bieten sich mögliche Angriffspunkte für antivirale Medikamente“, beschreibt HIRI-Direktor, Prof. Dr. Jörg Vogel, einen wichtigen translationalen Ansatz aus den bisher gewonnenen Erkenntnissen. Translationale Forschung transferiert Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung in klinisch anwendbares Wissen am Patienten. Gefördert von der Helmholtz-Gemeinschaft, dem Freistaat Bayern (FOR-COVID), dem Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie sowie dem Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst. www.ukw.de www.helmholtz-hiri.de

Text: Pat Christ, Fotos: Getty Images, Thomas Obermeier