Erster Patientenkontakt unter Aufsicht

Die Polikliniken für Zahnerhaltung und Parodontologie sowie für zahnärztliche Prothetik bieten auch eine Zahnbehandlung im Studierendenkurs an. Dies mag auf den ersten Blick gewagt erscheinen. Doch In­sider wissen die intensive und qualitativ hochwertige Behandlung zu schätzen. Nicht selten ein Leben lang.

An Phantomköpfen üben Studierende erste „Probebohrungen“.

Arthur Kaiser lässt sich seit 74 Jahren regelmäßig in der Zahnklinik behandeln.

Arthur Kaiser aus Oberthulba-Hassen­bach im Landkreis Bad Kissingen ist seit nunmehr 74 Jahren Patient in der Würzburger Zahnklinik. Der 88-jährige Pater bekam den „Geheimtipp“ 1948 von seiner „Klostertante“, die in der Röntgenabteilung der Klinik arbeitete, „zum Durchschauen“ der Zähne in die Zahnklinik zu gehen. Damals wurden Zähne noch mit Amalgam-Plomben gefüllt, und den Bohrer musste der Arzt in Zeiten der Stromsperre mit einer Fußtretmaschine bedienen.

Seitdem ist Arthur Kaiser treuer Patient in der Zahnklinik und hat im Laufe der Jahre viele Veränderungen miterlebt. Nicht nur, in Bezug auf die Technik, sondern auch Fortschritte in der Ausbildung. Vom Studenten­kurs, in dem Studierende „echte Menschen“ statt Phantomköpfe behandeln dürfen, ist er begeistert: „Die Studenten sind hier sehr gut vorbereitet. Ich kann aus eigener Erfahrung jedem Patienten raten, sich hier behandeln zu lassen – und das nach den neuesten Metho­den.“ Und dieser Rat ist umso glaub­würdiger, denn Kaiser hat mit seinen 88 Jahren nur zwei Brücken und ein Implantat in seinem Kiefer – an­sons­ten hat er noch alle seine eigenen Zähne, mit denen er „am liebsten drei Tage alte Brötchen“ kaut, ergänzt der fitte Senior. Wer kann sich im Studierendenkurs behandeln lassen? Die zahnärztliche Behandlung durch Studierende ist freiwillig. Patienten, die sich dafür entscheiden, können aber eine sehr intensive und qualitativ hochwertige Arbeit erwarten, wie Prof. Dr. Gabriel Krastl, Klinikdirektor der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, versichert. „Zunächst erstellen die Studierenden unter Aufsicht eines erfahrenen Zahnarztes einen Befund und klären mit dem Patienten, welche Behandlungs­schritte infrage kommen.“ Dabei sind jeweils zwei Studierende anwesend: einer behandelt und der andere assistiert. Alles geschieht genau nach Plan und Schritt für Schritt. Jeder Be­hand­lungs­schritt wird durch einen erfahrenen Zahnarzt oder Oberarzt überprüft.

„Wir nehmen uns sehr viel Zeit, sodass die lehrbuchmäßige Behandlung manchmal zwei oder drei Stunden andauern kann. Aber dieses Vorgehen ist gründlich und sorgt für eine hohe Qualität der Behandlung.“ Darüber hinaus profitieren die Patienten von neuesten Entwicklungen wie abdruckfreien 3-D-Scans im Mund­raum, um darauf basierend Keramik-Zahnersatz mit sehr hoher Genauigkeit herzustellen. „Ein weiterer Vorteil für die Patienten ist die enge Zu­sammen­arbeit aller vier Kliniken und deren Spezialisten“, wie Prof. Krastl sagt. Aber gleich, welche Behandlung in den Zahnkliniken erfolgt: Grundsätzlich gilt, dass Zahnerhalt immer an erster Stelle steht. Die Abrechnung erfolgt über die Krankenkasse. Behandlungen, die von der Krankenkasse nicht übernommen werden, können im Studentenkurs zu deutlich günstigeren Konditionen angeboten werden.

Jeder Behandlungsschritt wird durch einen erfahrenen Zahnarzt oder Oberarzt überprüft.

Ab wann dürfen Studierende Patienten behandeln? Jede qualifizierte Tätigkeit erfordert eine fundierte Ausbildung, meist über Jahre hinweg. Schon während­dessen werden Auszubildende beispielsweise in Handwerks- oder Dienst­leistungs­berufen möglichst frühzeitig an praktische Tätigkeiten und an ihre späteren Kunden herangeführt. Doch in medizinischen Berufen kann der Kontakt, also die Behandlung eines Patienten während der Aus­bildungs­phase, weitreichende Folgen haben. Deshalb gelten hier strenge Regeln, sodass sich Patienten, so wie Arthur Kaiser, sehr sicher fühlen können. „Studierende dürfen nach einer umfassenden und intensiven Aus­bil­dung an sogenannten Phantomköpfen erstmals ab dem siebten Semester und nur unter Aufsicht eines Zahn­arztes an den Patienten“, erklärt Prof. Krastl. Welchen Ausbildungsstand haben Studierende beim ersten Patientenkontakt? Fredrik Falk ist Student der Zahn­medizin im neunten Semester und hat schon einige Patienten behandeln können. Aber zuvor musste er bis zum sechsten Semester an den Phantom­köpfen üben: Spritzen setzen, Bohren, Füllen – alles, was eben am und um den Zahn herum an Arbeiten anfällt. Ab dem siebten Semester stehen unterschiedliche Themen auf der Tagesordnung – auch am Patienten. „Am Anfang reden wir mit dem Patienten über seine Anliegen und kontrollieren seine Zähne. Alles unter Aufsicht eines erfahrenen Zahnarztes“, sagt Fredrik Falk. Im weiteren Verlauf der Ausbildung lernen die angehenden Zahnärzte, Füllungen und Wurzel­kanal­behandlungen durchzuführen, später Kronen, Brücken und Prothesen einzusetzen. Das Anästhesieren gehört ebenso zum Studentenkurs, wie Falk erklärt: „Wenn wir Spritzen setzen, ist immer ein Arzt dabei und führt, wenn gewünscht, die Hand.“ Selbst­ver­ständ­lich werden im Studentenkurs nicht die schwierigsten Fälle be­han­delt. „Aber das, was wir am Patienten ausführen, muss streng lehr­buch­mä­ßig erfolgen und wird während der Behandlung und bei der ab­schließen­den Kontrolle von einem Arzt be­glei­tet.“

Kontrolle findet Arthur Kaiser gut, den­noch rät er zur Eigeninitiative: „Eine gute Behandlung in der Zahn­klinik ist das eine. Trotzdem putze ich mir nach jedem Essen die Zähne.“ Und zucker­haltige Getränke kommen ihm erst gar nicht ins Haus.

www.ukw.de/zmkg

Text: Dr. Bernhard Rauh, Fotos: Christoph Weiß