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01 Cover
02 Editorial
03 Inhalt
04 Top-Thema
05 Pflegeschule
06 75 Jahre
07 Transfusionsmedizin
08 Vermischtes-1
09 Adipositas-OP
10 Cushing-Syndroms
11 Herz- und Nierenschutz
12 Verbesserung der Dialyse
13 Personalisierte Medizin
14 Forschung und Lehre
15 Chemotherapeutika
16 Nuklearmedizin
17 Beckenbrueche
18 Herz
19 Wussten Sie
20 Allrounderin
21 Herzkissen
22 Seelsorgearbeit
23 Quellentag
24 Vermischtes-2
25 Angrillen
26 Vermischtes-3
27 Vermischtes-4
28 Du entscheidest!

75 Jahre Transfusionsmedizin und Hämotherapie

Jubiläum für die Transfusionsmedizin und Hämotherapie am Uniklinikum Würzburg: Vor 75 Jahren startete die für viele Patientinnen und Patienten lebenswichtige Arbeit mit Blut und Blutprodukten.

Grafik: Dariia - stock.adobe.com | Bild: Angie Wolf

Das Institut für Klinische Transfusionsmedizin und Hämotherapie zählt zu den zentralen Einrichtungen des UKW. „Wir versorgen das gesamte Krankenhaus mit umfassenden transfusionsmedizinischen Leistungen – sowohl in der Diagnostik, als auch in der Therapie“, verdeutlicht Prof. Dr. Markus Böck. In diesem Jahr kann das von ihm ge­leitete Institut auf eine 75-jährige Geschichte zurückblicken: Im Jahr 1948 stellten Mitarbeiterinnen und Mitar­beiter der Chirurgischen Klinik der Uni Würzburg ihre erste Blutkonserve her. „Das Blut wurde damals in Stanzzylindern gesammelt, die – aus heutiger Sicht kaum mehr vorstellbar – mit einem Watte­bausch verschlossen waren“, be­richtet Prof. Böck. Erste Blutspendezentrale im Freistaat Zwei Jahre später kamen in einer revolutionären Neuerung erstmals Vakuum­flaschen für die Blutspende zum Einsatz. Von dieser Zeit an gab das UKW Konserven auch an andere Kliniken ab – und fungierte damit als erste Blutspendezentrale in Bayern. Ausgehend von anfänglich etwa 500 Konserven, stieg die Jahresproduktion in der Folge immer weiter an, so dass zu Beginn der 1960er Jahre schon rund 6.000 Blutkonserven am Würzburger Uniklinikum hergestellt werden konnten.

In den 1960er und den Folgejahren erweiterte sich unter der Leitung des späteren Professors Dr. Dieter Wiebecke auch das sonstige Leistungsspektrum der Blutspendezentrale enorm. Beispielsweise wurde damals die präpa­rative Plasmapherese eingeführt. Bei diesem Verfahren wird außerhalb des Körpers die Plasmafraktion von den Blutzellen abgetrennt. Das Plasma wird gesammelt, die Blutzellen erhält der Spender oder die Spenderin zurück. Was zu Beginn noch manuell durchgeführt werden musste, übernahmen später automatisiert in einem extra­korporalen Kreislauf sogenannte Zellseparatoren. Zunächst ging es dabei hauptsächlich um das Gewinnen von Passivimpfstoffen – zum Beispiel gegen Tetanus oder Pocken – sowie von anderen Antikörpern, die bereits damals bei Patientinnen und Patienten klinisch eingesetzt wurden.

Später wurde auf Basis der Plasmapherese auch gefrorenes Frischplasma hergestellt. „Mit diesen Entwicklungen zählte das Uniklinikum Würzburg seiner­zeit zu den bundesweiten Vorreitern der Transfusionsmedizin“, betont Prof. Böck.

Die allogene Stammzellspende ist fester Bestandteil des heutigen Leistungsspektrums des Instituts für Klinische Transfusionsmedizin und Hämotherapie.

Therapeutische Zellseparation ab den 1970er Jahren Im Jahr 1970 wurde die Blutspendezentrale umbenannt in „Abteilung für Transfusionsmedizin und Immunhäma­tologie“ und mit Wirkung vom 1. November 1974 erhielt sie den Status einer selbstständigen Abteilung. Diese schaffte 1977 den ersten Zellseparator für die Therapie an. Das Gerät wurde zunächst für Plasmaaustauschbehandlungen, später auch für sogenannte therapeutische Zytapheresen eingesetzt. Dabei lassen sich gezielt Plasma oder bestimmte zelluläre Bestandteile aus dem Blut von Patientinnen und ­Patienten entfernen. Diese Methode kommt bei vielen Autoimmunerkrankungen, aber auch bei verschiedenen Leukämie-Formen zur Anwendung.

Nach dem Ausscheiden von Prof. Wiebecke übernahm Prof. Böck 1999 die Leitung der Abteilung. Unter seiner Führung wurde im Herbst 2001 ein neuer, hochtechnisierter Laborbereich für die hochsterile Herstellung von Stammzellkonzentraten in Betrieb genommen. „Als erstes GMP-Labor des UKW konnten wir die strengen EU-Vorschriften für die eigene Herstellung von Stammzellkonzentraten erfüllen und erhielten die entsprechende behördliche Zulassung“, berichtet Prof. Böck und fährt fort: „Bis heute werden dort in quasi vollständig staub- und keimfreier Luft Stammzellkonzentrate bearbeitet und in flüssigem Stickstoff tiefgefroren.“

Im Juli 2007 änderte sich erneut der Status der Transfusionsmedizin am UKW: Die „Abteilung für Transfusionsmedizin“, die bis dahin der Chirurgischen Klinik I zugeordnet war, wurde in das eigenständige „Institut für Klinische Transfusionsmedizin und Hämotherapie“ umgewandelt. Seit dieser Zeit verfügt das UKW über eines der beiden einzigen universitären transfusionsmedizinischen Institute in Bayern. Weiter wachsende Leistungsvielfalt seit der Jahrtausendwende Seither hat sich die Einrichtung kontinuierlich weiterentwickelt und vergrößert. Heute versorgen 66 Beschäftigte das gesamte UKW und einige umgebende Kliniken mit allen transfusionsmedizinischen Leistungen eines modernen Universitätsklinikums. Hierzu gehören nicht nur die Bereitstellung von rund 70.000 Blutkomponenten jähr­lich, sondern auch die komplette immunhämatologische Labordiagnostik mit über 250.000 Analysen pro Jahr sowie die gesamte HLA-Diagnostik des Klinikums. Letztere spielt vor allem bei der Spendersuche in der Transplanta­tionsmedizin eine wichtige Rolle. Das HLA-Labor des Instituts ist seit 2005 durch die European Federation for Immunogenetics international akkreditiert.

Im Spendebereich werden neben Voll­blutspenden vor allem die am UKW in steigender Zahl benötigten Thrombo­zytenkonzentrate sowie gefrorene Frischplasmen hergestellt. Das Apheresezentrum des Instituts, das zu einem der bundesweit größten Zentren dieser Art zählt, ist nicht nur für die meisten therapeutischen Apheresen bei Patienten des Klinikums, sondern auch für alle autologen und ­allogenen Stammzellapheresen bei Erwachsenen zuständig. Mit Hilfe der dort eingesetzten Apheresemaschinen können bei einer Vielzahl von Erkrankungen sehr gezielt bestimmte, zum Beispiel schädliche Blutbestandteile aus dem Kreislauf der Patientinnen und Patienten entfernt werden. Darüber hinaus verantworten Prof. Böck und sein Team die gesamte transfusionsmedizinische Qualitätssicherung am Klinikum.

Das Bild aus den 1980er Jahren zeigt Prof. Dr. Dieter Wiebecke, den damaligen Leiter der Abteilung für Transfusionsmedizin, bei der Durchführung einer Plasmapherese.

Gewonnene Stammzellen werden im GMP-Reinraumlabor unter hochsterilen Bedingungen tiefgefroren und in speziellen Stickstofftanks bei Temperaturen unter –140 °C gelagert.

Betreiber der Stammzellspenderdatei „Netzwerk Hoffnung“ Als Besonderheit betreibt das Institut unter dem Namen „Netzwerk Hoffnung“ eine international akkreditierte Stammzellspenderdatei. Diese Datei wurde vor 20 Jahren anlässlich einer Spendersuche für einen Patienten mit Leukämie gegründet und vermittelt seitdem Stammzellspenden von Spenderinnen und Spendern aus Franken in alle Welt. Sie führt regelmäßig Aktionen durch, um immer mehr Menschen zu motivieren, sich als potenzielle Stammzellspender zur Verfügung zu stellen.

Die Personalisierte Medizin, bei der Patientinnen und Patienten spezifische Arzneimittel „maßgeschneidert“ werden, gewinnt in der modernen Forschung zunehmend an Bedeutung. Auch hier ist die Würzburger Transfusionsmedizin intensiv beteiligt. „Immer wichtiger wird beispielsweise die Herstellung und Anwendung von CAR-T-Zellprodukten – im Rahmen von klinischen Studien, aber auch für die Versorgung mit kommerziellen Präparaten“, weiß Prof. Böck. Die auf gentechnisch modifizierten, körpereigenen Immunzellen beruhenden CAR-T-Zell-Therapien gehören zu den großen Hoffnungsträgern der modernen Onko­logie. Im Apheresezentrum der Transfusionsmedizin werden von den betroffenen Patientinnen und Patienten des UKW diejenigen Blutzellen ge­wonnen, die dann an anderer Stelle genetisch zu CAR-T-Zellprodukten verarbeitet werden. Forschungsschwerpunkt Thrombozytenkonzentrate In den letzten Jahren entstand am Institut für Klinische Transfusionsmedizin und Hämotherapie ein neuer, Drittmittel-­geförderter Forschungsbereich, der sich mit der Optimierung der Herstellungs- und Lagerungsverfahren von Thrombo­zytenkonzentraten beschäftigt. Zunächst klein beginnend, entwickelte sich das Thema zu einem zentralen wissenschaftlichen Schwerpunkt des Instituts.

„Eines unserer besonderen Anliegen war und ist es, das transfusionsmedizinische Wissen auch weiterzugeben“, unterstreicht Prof. Böck. So engagiert sich das Institut nicht nur in gemein­samen Fortbildungen mit der Bayerischen Landesärztekammer, sondern auch in der Facharztweiterbildung für Transfusionsmedizin, in der Ausbildung von Medizinischen Technologinnen und Technologen sowie in der Weiterbildung von Pflegekräften zu Operatoren des Apheresezentrums. In der ebenfalls mit hohem Einsatz betriebenen studentischen Lehre der Transfusionsmedizin hat die Digitalisierung seit jeher einen hohen Stellenwert. So wurde den Studierenden schon lange vor der Corona-Pandemie die Vorlesung Transfusionsmedizin mit fallbasierten Lerneinheiten vollumfänglich und frei zugänglich online im Internet angeboten. Ab dem Sommersemester 2023 wird ein neu konzipiertes Praktikum hinzukommen, um die speziellen Abläufe bei der Bluttransfusion auch realitätsnah einüben zu können. Abschied von Prof. Dr. Markus Böck Im Frühjahr 2023 wird der aktuelle Institutsdirektor aus Altersgründen ausscheiden. „Wir danken Prof. Böck für seinen unermüdlichen Einsatz“, betont Prof. Dr. Jens Maschmann. Der Ärztliche Direktor des UKW ist sich sicher: „Das Institut für Klinische Transfusionsmedizin und Hämotherapie wird sich auch unter neuer Leitung mit vielleicht neuen Schwerpunkten weiterentwickeln und auch in Zukunft ein unverzichtbarer Leistungsträger unseres Klinikums in der Patientenversorgung sowie in Forschung und Lehre sein.“

Betreiber der Stammzellspenderdatei „Netzwerk Hoffnung“ Als Besonderheit betreibt das Institut unter dem Namen „Netzwerk Hoffnung“ eine international akkreditierte Stammzellspenderdatei. Diese Datei wurde vor 20 Jahren anlässlich einer Spendersuche für einen Patienten mit Leukämie gegründet und vermittelt seitdem Stammzellspenden von Spenderinnen und Spendern aus Franken in alle Welt. Sie führt regelmäßig Aktionen durch, um immer mehr Menschen zu motivieren, sich als potenzielle Stammzellspender zur Verfügung zu stellen.

Die Personalisierte Medizin, bei der Patientinnen und Patienten spezifische Arzneimittel „maßgeschneidert“ werden, gewinnt in der modernen Forschung zunehmend an Bedeutung. Auch hier ist die Würzburger Transfusionsmedizin intensiv beteiligt. „Immer wichtiger wird beispielsweise die Herstellung und Anwendung von CAR-T-Zellprodukten – im Rahmen von klinischen Studien, aber auch für die Versorgung mit kommerziellen Präparaten“, weiß Prof. Böck. Die auf gentechnisch modifizierten, körpereigenen Immunzellen beruhenden CAR-T-Zell-Therapien gehören zu den großen Hoffnungsträgern der modernen Onko­logie. Im Apheresezentrum der Transfusionsmedizin werden von den betroffenen Patientinnen und Patienten des UKW diejenigen Blutzellen ge­wonnen, die dann an anderer Stelle genetisch zu CAR-T-Zellprodukten verarbeitet werden. Forschungsschwerpunkt Thrombozytenkonzentrate In den letzten Jahren entstand am Institut für Klinische Transfusionsmedizin und Hämotherapie ein neuer, Drittmittel-­geförderter Forschungsbereich, der sich mit der Optimierung der Herstellungs- und Lagerungsverfahren von Thrombo­zytenkonzentraten beschäftigt. Zunächst klein beginnend, entwickelte sich das Thema zu einem zentralen wissenschaftlichen Schwerpunkt des Instituts.

„Eines unserer besonderen Anliegen war und ist es, das transfusionsmedizinische Wissen auch weiterzugeben“, unterstreicht Prof. Böck. So engagiert sich das Institut nicht nur in gemein­samen Fortbildungen mit der Bayerischen Landesärztekammer, sondern auch in der Facharztweiterbildung für Transfusionsmedizin, in der Ausbildung von Medizinischen Technologinnen und Technologen sowie in der Weiterbildung von Pflegekräften zu Operatoren des Apheresezentrums. In der ebenfalls mit hohem Einsatz betriebenen studentischen Lehre der Transfusionsmedizin hat die Digitalisierung seit jeher einen hohen Stellenwert. So wurde den Studierenden schon lange vor der Corona-Pandemie die Vorlesung Transfusionsmedizin mit fallbasierten Lerneinheiten vollumfänglich und frei zugänglich online im Internet angeboten. Ab dem Sommersemester 2023 wird ein neu konzipiertes Praktikum hinzukommen, um die speziellen Abläufe bei der Bluttransfusion auch realitätsnah einüben zu können. Abschied von Prof. Dr. Markus Böck Im Frühjahr 2023 wird der aktuelle Institutsdirektor aus Altersgründen ausscheiden. „Wir danken Prof. Böck für seinen unermüdlichen Einsatz“, betont Prof. Dr. Jens Maschmann. Der Ärztliche Direktor des UKW ist sich sicher: „Das Institut für Klinische Transfusionsmedizin und Hämotherapie wird sich auch unter neuer Leitung mit vielleicht neuen Schwerpunkten weiterentwickeln und auch in Zukunft ein unverzichtbarer Leistungsträger unseres Klinikums in der Patientenversorgung sowie in Forschung und Lehre sein.“

Bild: Daniel Peter