Es geht um Wert­schätzung und Respekt

Wie sensibilisiert man ein ganzes Klinikum für das Thema Demenz? Andrea Heidsiek ist die Demenzbeauftragte des UKW.

Demenzbeauftragte Andrea Heidsiek (rechts) mit Barbara Bergmann (Gerontopsychiatrische-Pflegefachkraft): „Es hilft, wenn man den Patienten wertschätzt.“

Ziele formulieren, Prozesse optimieren – mit solchen abstrakten Begriffen wirft Andrea Heidsiek nicht gern um sich. „Ich bin eine Macherin“, sagt die Krankenschwester. „Ich will bewegen, Sachen zu Ende bringen.“ Bevor sie die Tätigkeit als Demenzbeauftragte annahm, leitete sie 26 Jahre lang die neurochirurgische Intensivstation. Hier werden z.B. Patienten betreut, die eine Hirnblutung oder -verletzung erlitten haben oder bei denen ein Hirntumor operiert wurde. „Diese Patienten brauchen eine besondere Art von Pflege, viel Sensibilität, Feingefühl und Aufmerksamkeit. Diese Verbindung mit den Menschen war mir immer sehr wichtig“, so die Intensiv- und Anästhesie-Fachkrankenschwester.

Sie machte eine Ausbildung in Basaler Stimulation – einer Methode, die auf nonverbale Kommunikation mit wahrnehmungsveränderten Menschen setzt – und weiß sofort, dass dies das Richtige für „ihre“ Patienten ist: „Es geht dabei um Haltung, Wertschätzung und Respekt: Wie schaue ich jemanden an, wie berühre ich einen Patienten?“ Als sie dieses Konzept auf ihrer Station einführt, stößt sie zwar zunächst auf Skepsis. „Die dachten wohl, ich sei esoterisch geworden.“ Aber weil das Ganze nicht mit Esoterik zu tun hat und die Basale Stimulation sich in der täglichen Arbeit bewährt, tun es ihr immer mehr Kollegen gleich.

2017 bekommt Andrea Heidsiek die Stelle als Demenzbeauftragte des Universitätsklinikums angeboten. Sie weiß, dass die Kultur im Umgang mit den Patienten, die sich auf ihrer Station etabliert hat, sich ebenso für Demenzkranke eignet. Denn im Grunde spielt es keine Rolle, ob jemand eine Hirnschädigung, ein Delir oder eine Demenz hat: „Es hilft, wenn man den Patienten wertschätzt, sich mit ihm auf eine Stufe stellt“, so Heidsiek. Doch nun steht sie vor der Frage: Wo fange ich an? Wie schaffe ich es, ein ganzes Klinikum zu sensibilisieren?

Große Zahlen helfen bei der Orientierung.

Sie beschließt, mit dem anzufangen, was sich am einfachsten umsetzen lässt: Maßnahmen zur besseren Orientierung für Patienten. Sie sorgt dafür, dass die Patiententüren große Zimmernummern bekommen, dass Piktogramme, Uhren und Kalender aufgehängt werden. Nicht überall stößt sie damit auf Begeisterung. Aber mit Hartnäckigkeit und Kreativität überzeugt sie schließlich auch die Skeptiker. Vieles ist bereits geschafft: Mitarbeiter verschiedener Berufsgruppen werden geschult und beraten, Hilfsmittel getestet und individuell an Stationsabläufe angepasst. Mit Pilotstationen hat Andrea Heidsiek Konzepte erarbeitet, die nun nach und nach auf alle Kliniken – mit Ausnahme der Kinderklinik – ausgerollt werden sollen. Oft sind es kleine Dinge, die viel bewirken: zum Beispiel eine Taschenkarte, die Pflegende daran erinnert, was sie bei Demenzkranken in welchen Situationen beachten sollten.

Für die Zukunft hat Heidsiek noch viele Ideen: zum Beispiel Fingerfood, das betroffene Menschen zum Essen animieren soll. Ob es nun Salzstangen, hartgekochte Eier oder Obststückchen werden, und ob das Ganze überhaupt umsetzbar ist, ist unklar. Aber auf den Versuch kommt es an.

Text: Martina Häring, Foto: Daniel Peter