Demenz­prävention beginnt in jungen Jahren…

…und endet nie. In Deutschland leben rund 1,6 Millionen Menschen mit einer Demenzerkrankung – die meisten davon mit der Alzheimer-Krankheit. Täglich kommen rund 900 Neuerkrankungen hinzu. Neue Studien zeigen: Gezielte Prävention könnte bis zu 40 Prozent der Demenzen sicher verhindern bzw. deutlich hinauszögern.

Die Angst, an einer Demenz wie Alzheimer zu erkranken, ist groß. Aber viele Demenzerkrankungen können durch eigenes Zutun verzögert oder verhindert werden, ist sich Privatdozent Dr. Martin Lauer sicher. „Demenzprävention lässt sich oft einfach bewerkstelligen und alle von uns können aktiv werden.“

Als schicksalhafte Ursache von Demenzerkrankungen nennt er zum einen kaum beeinflussbare genetische Faktoren: ein Mix aus Risiko- und schützenden Genen. Oft werden Demenzen aber durch Lebensstil (Bewegung, Ernährung) und resultierende Vorerkrankungen wie Übergewicht, Bluthochdruck und Diabetes begünstigt. Auch soziale Faktoren und Umwelteinflüsse spielen eine Rolle. Das Risiko sinkt – die Gesamtzahlen steigen Dabei gibt es aber gute Nachrichten: „Langzeitstudien zeigen, dass die individuelle Wahrscheinlichkeit zu erkranken seit Jahren altersbezogen sinkt“, so der geschäftsführende Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Uniklinikums. „Wir leben heute gesünder als frühere Generationen: Rauchen als Hauptrisikofaktor ist stärker eingeschränkt, Sport und ausgewogenere Ernährung gelten vielen als Tugenden.“

Das spiegelt sich in den Fallzahlen: Von den 1980er Jahren bis in die 2000er halbierte sich das altersbezogene Erkrankungsrisiko. Dass die Gesamtzahlen von Demenzerkrankungen trotz mehr gesunder Lebensjahre steigen, liegt an der zunehmenden Lebenserwartung der Menschen So rechnen Forscher im Jahr 2050 mit 2,4 bis 2,6 Millionen Demenzkranken hierzulande. „Konsequente Prävention in allen Lebensaltern könnten helfen, diese Zahlen deutlich zu verringern“, ist der Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie sicher. Man muss nur anfangen. Je früher desto besser – und durchhalten!

Privatdozent Dr. Martin Lauer

Ein stabiles Gehirn und gesundes Gehör als gute Grundlagen Einen der wichtigsten Faktoren im Kampf gegen die Demenz sieht er in einem hohen individuellen Bildungsniveau. Dabei meint er aber nicht ausschließlich einen guten Schulabschluss: Wichtig seien vor allem ständige geistig fordernde Tätigkeiten und lebenslanges Lernen. „Ein insgesamt höheres Bildungsniveau, das zu mehr ‚kognitiven Reserven‘ des Einzelnen führt, könnte rund acht Prozent aller Demenzerkrankungen hierzulande verhindern.“ Daher ist es dem Mediziner wichtig, dass Bildung auch in Coronazeiten trotz geschlossener Schulen und eingeschränkter kultureller Angebote nicht vernachlässigt wird. Als grundlegend für die Demenzprävention schätzt Martin Lauer auch ein gesundes Gehör ein. Das überrascht zunächst – schließlich prägen Computer und Smartphones unseren Alltag eher visuell. „Neuere Studien zeigen, dass Hörverlust in mittleren Jahren die Wahrnehmungs- und Denkprozesse massiv beeinträchtigt – ein Phänomen, das man früher erst in höheren Lebensjahren verortet hatte.“ Das Problem mit dem Hörverlust: Wer nicht vollständig an seiner Umwelt teilnehmen kann, und von Informationsströmen des Hörsinns abgeschnitten ist, läuft Gefahr, schneller geistig abzubauen. Vorbeugung kommt selten zu spät Das Thema Demenz macht vielen Menschen Angst. Dr. Martin Lauer möchte mit einer guten Nachricht Mut machen, sich damit auseinanderzusetzen und bei der Prävention aktiv zu werden: „Es ist nie zu spät vorzubeugen“, unterstreicht er. „Und das in allen Lebensaltern!“ Denn für Demenz gilt, wie bei allen Erkrankungen, dass Prävention stets besser ist als Therapie.

Text: Jörg Fuchs, Foto: Daniel Peter, Getty Images

Risikofaktoren minimieren: „Das Gehirn vergisst nie – vor allem Schädigungen!“

Prävention im jüngeren und mittleren Lebensalter: Das Gehirn fordern: Kulturelle und Bildungsangebote auch außerhalb der Schule nutzen – Kognition stimulieren, Konzentration stärken und kognitive Reserven aufbauen. Kopfverletzungen verhindern: Das gilt vor allem für Sport – zum Beispiel bei Kopfbällen im Fußball, Kopftreffern beim Boxen oder Risikosportarten. Denn das Gehirn vergisst keine Schädigungen! Frühe Hörschäden vermeiden: Lautstärke des Ohrhörers anpassen, mit Hörschutz in Clubs gehen. Auch junge Menschen für Hörtests sensibilisieren und ermutigen, ggf. ein Hörgerät zu verwenden. Drogenmissbrauch unterbinden: Rauchen gar nicht erst anfangen. Verzicht auf Alkohol und Drogen durch Präventionsangebote in Schulen und Freizeit. Alkoholkonsum: maximal 1/8 l Wein am Tag für Männer, etwas weniger für Frauen im gebärfähigen Alter. Bewegen: Leichter Sport und Bewegung im Alltag helfen. Normalgewicht: anstreben und halten Blutdruck: Kontrollieren und in gesundem Rahmen halten. Schlafverhalten: ausreichender (6 bis 8 Std.) und gesunder Schlaf. Gute Luft: Luftverschmutzung (Feinstaub, Zigarettenrauch) vermeiden. Prävention im älteren und hohen Lebensalter Geistig und körperlich in Bewegung und insbesondere auch gesellig bleiben: Soziale Isolation und Vereinsamung können zu Depression und Demenz führen, Depressionen als wichtigen Risikofaktor einer Demenz behandeln. Krankheiten erkennen und behandeln: Diabetes, Schlaf-Apnoe und Hörverlust konsequent behandeln – auch wenn Nadeln, Maske und Hörgeräte lästig sind.