Infarkt im Ohr – richtig handeln beim Hörsturz

Viele kennen den plötzlichen Hörverlust auf einem Ohr: Der Ton wird dumpf, es fühlt sich an, als sei die Ohrmuschel in Watte gepackt. Manchmal kommen Schwindel und Ohrgeräusche hinzu. Was Sie jetzt tun müssen.

Vor einigen Jahren“, schildert Prof. Dr. Rudolf Hagen, „galten einfache Hörstürze als Notfall. Man riet den Betroffenen, umgehend einen Arzt aufzusuchen, beispielsweise in einer Notfallambulanz. Darauf folgte nicht selten eine längere stationäre Behandlung, teilweise wurden blutverdünnende Infusionen gegeben.“

Im Laufe der letzten Jahre hat sich der Umgang mit der Diagnose geändert: „Bei einem einfachen Hörsturz sollte man Ruhe bewahren“, rät der Direktor der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, plastische und ästhetische Operationen am Universitätsklinikum Würzburg. Eine Notfallambulanz aufzusuchen, ist in der Regel nicht notwendig. Hält der Hörsturz, auch als Ohr-Infarkt bekannt, jedoch länger als zwei Tage an, sollte ein baldiger Termin bei einem fachkundigen Arzt vereinbart werden – um, getreu dem Motto „Zeit ist Ohr“, späteren Problemen vorbeugen. „Zeit ist Ohr“ – Problemen vorbeugen „Studien haben gezeigt, dass die Beschwerden eines einfachen Hörsturzes in 70 Prozent aller Fälle meist innerhalb weniger Tage von alleine wieder abklingen“, so der Mediziner. „Daher wird heute auf eine stationäre Behandlung überwiegend verzichtet.“

Auch wenn die Verläufe in vielen Fällen komplikationslos sind, sollte man einen Hörsturz grundsätzlich nicht ignorieren. Denn manchmal werden Beeinträchtigungen des Hörsinns, die einem Hörsturz ähneln, durch schwerwiegende Krankheiten ausgelöst. Woher kommt der Hörsturz? Der Hörsturz ist ein relativ häufiges Phänomen. Schätzungen zufolge erleiden ihn jährlich rund 100 bis 150 von 100.000 Deutschen, Männer und Frauen sind etwa gleich oft betroffen. Am häufigsten tritt er zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr auf, bei Kindern ist er eher selten.

Man geht davon aus, dass Hörstürze durch kurzzeitige Durchblutungsstörungen im Innenohr ausgelöst werden. Dort wandeln die sogenannten Haarzellen – Sinneszellen, die für das Hören zuständig sind – die mechanische Schallenergie von außen in elektrische Impulse um. Der Hörnerv leitet diese Impulse an die Hörzentren im Gehirn. Kleinste Blutgefäße versorgen die Sinneszellen mit Nährstoffen und Sauerstoff. Bei Durchblutungsstörungen arbeiten die empfindlichen Haarzellen nicht mehr richtig. Es kommt zu einer plötzlichen Hörminderung oder Wahrnehmungsstörungen wie z. B. Ohrgeräuschen. Ist das benachbarte Gleichgewichtsorgan mit betroffen, kann auch Schwindel auftreten.

Auslöser für diese Durchblutungsstörungen sind ganz unterschiedlicher Art: Stress kann zu Verspannungen führen, die dann die Durchblutung beeinträchtigen. Auch Autoimmunerkrankungen können beim Hörsturz eine Rolle spielen. Da es kein Medikament gibt, das den Hörsturz verhindert, können Stressabbau und der Verzicht auf schädigende Einflüsse, wie das Rauchen, bei Vorbeugung und Therapie hilfreich sein. Andere Ursachen ausschließen Verschiedene Gründe können dazu führen, dass uns unsere Ohren im Stich lassen. Da ein direkter Blick in das Innenohr für den Arzt leider nicht möglich ist, zielen die Untersuchungen bei einem Hörsturz vor allem darauf, andere Ursachen auszuschließen. Dazu zählen beispielsweise Tumore im Innenohr, Schädel-Hirn-Verletzungen, Gefäßverschlüsse, Fehlstellungen der Wirbelsäule oder Nebenwirkungen von Medikamenten.

Steht der Schwindel im Vordergrund kann dies auf eine Menière-Krankheit hinweisen, deren Ausgangspunkt auch im Innenohr liegt, allerdings eine andere Ursache als der Hörsturz hat. Wenn andere Ursachen ausgeschlossen sind, kann ein Hörsturz beispielsweise mit entzündungshemmenden Medikamenten wie Kortison behandelt werden.

„Ein Hörsturz wird aufgrund der Hörbeeinträchtigung auf einem Ohr meist als sehr unangenehm empfunden. Richtungshören und Allgemeinverständnis sind stark eingeschränkt“, unterstreicht Professor Rudolf Hagen. Allerdings hat er auch eine gute Nachricht: „So schnell, wie ein einfacher Hörsturz uns überfällt, verlässt er uns oft auch wieder – eine stationäre Behandlung ist in den meisten Fällen nicht notwendig.“

Text: Jörg Fuchs, Fotos: Daniel Peter, Uniklinik

Hörsturz

  • Der klassische Hörsturz wird – so noch immer die Arbeitshypothese - durch eine kurzzeitige Durchblutungsstörung im Innenohr ausgelöst, der die empfindlichen Haarzellen schädigt, die zum Hören notwendig sind.
  • Beim „einfachen“ oder auch „kleinen“ Hörsturz erholen sich die betroffenen Zellen weitgehend von alleine. Das Hörvermögen normalisiert sich in der Regel bis zu 48 Stunden nach Beginn wieder.
  • Sterben die feinen Sinneszellen jedoch ganz oder teilweise ab, spricht man von einem „schweren“ Hörsturz. Da die Haarzellen nicht nachwachsen, droht bei ihrem Verlust eine dauerhafte Hörschädigung.

Symptome eines Hörsturzes

  • Plötzliches Auftreten: Ein Hörsturz kommt meist aus heiterem Himmel. In manchen Fällen kann ein Piepsen oder ein Druckgefühl im Ohr einem Hörsturz vorangehen. In der Regel verläuft er schmerzlos.
  • Hörminderung oder -verlust auf nur einem Ohr. Oft werden Töne dumpf, leise oder verzerrt wahrgenommen. Störende Ohrgeräusche wie Pfeifen oder Rauschen können den Hörsturz begleiten.
  • Gefühlsveränderungen wie Druck oder ein pelziges Gefühl charakterisieren den Hörsturz. Das Ohr fühlt sich an, wie in Watte gepackt – oder wie bei einem Tauchgang.
  • Ein Hörsturz kann von kurzzeitigem Schwindelgefühl oder Benommenheit begleitet werden.