Was Sie über Blinddarm-Entzündungen wissen sollten

Blinddarm-Entzündungen sind häufig, können gefährlich werden und erfordern mitunter schnelles Handeln. Prof. Dr. Christoph-Thomas Germer, Klinikdirektor der Chirurgie I am Uniklinikum Würzburg, erklärt, warum man unklare Bauschmerzen ernst nehmen sollte und beantwortet die häufigsten Fragen rund um das Thema Blinddarm-Entzündung.

Anscheinend gibt es heute weniger Blinddarm-Entzündungen. Stimmt das? Nach unseren Untersuchungen hat die Zahl der von Appendizitis, also einer Blinddarm-Entzündung betroffenen Menschen während der letzten zwei Jahre abgenommen. Aber das ist nur scheinbar so, denn viele kommen mit Bauchschmerzen in Folge der Corona-Pandemie nicht mehr ins Krankenhaus. Die Folge ist, dass wir vermehrt Patienten mit einer komplizierten Appendizitis sehen, die anderen bleiben zu Hause. Das ist ähnlich wie bei Herzinfarkten und Schlaganfällen: Menschen mit leichteren Symptomen kommen seltener zu uns in die Notaufnahme. Nach wie vor ist die Appendizitis die häufigste Ursache für unklare Bauchschmerzen und für akute Eingriffe in den Bauchraum. Und man weiß auch heute noch nicht, warum einer eine Blinddarm-Entzündung erleidet und der andere nicht. Im Uniklinikum werden wöchentlich vier bis fünf Patienten am Blinddarm operiert. Auf welche Symptome muss man achten? Das tückische an einer Blinddarm-Entzündung ist, dass sie auch ein Arzt nicht eindeutig erkennen kann. Das klinische Symptom ist ein sogenannter wandernder Schmerz vom Oberbauch in den Unterbauch. Begleitet wird er oft, aber eben nicht immer von Erbrechen, Fieber und Stuhlverhalt. Häufig sind Kinder und alte Menschen betroffen. Patienten, die mit solch unklaren Bauchschmerzen zu uns kommen, werden stationär aufgenommen und von einem erfahrenen Arzt genau untersucht und beobachtet.  Wie erkennt der Arzt die Blinddarm-Entzündung? Bei unklaren Bauchschmerzen untersucht der Arzt den Bauch äußerlich und versucht die Diagnose durch bestimmte Druckpunkte einzukreisen. Er macht einen Ultraschall und untersucht das Blut auf Entzündungswerte. In den USA diagnostiziert man eine Blinddarm-Entzündung auch mit einem Computertomografen. Hierzulande verzichtet man aber auf diese Möglichkeit wegen der Strahlenbelastung, die mit dieser Methode verbunden ist.

Professor Christoph-Thomas Germer

In welchen Fällen kann es lebensgefährlich werden? Lebensbedrohlich wird eine Blinddarm-Entzündung, wenn sie sich zu einer Bauchfell-Entzündung entwickelt. Das kann zu einer Sepsis führen, im Allgemeinen auch als Blutvergiftung bekannt.  Welche Therapiemöglichkeiten gibt es? In manchen Fällen, wenn sich noch kein Abszess gebildet hat, kann man die Entzündung mit einem Antibiotikum in den Griff bekommen. Allerdings erkranken rund 40 Prozent der auf diese Weise behandelten Patienten innerhalb von fünf Jahren wiederum an einer Blinddarm-Entzündung. Deshalb ist die Operation die Standard-Therapie. Was geschieht bei der Operation? Die Operation wird über eine Bauchspiegelung minimalinvasiv vorgenommen. Über drei schlüssellochgroße Schnitte führt der Chirurg Kamera und Operationsbesteck ein und entfernt den entzündeten Wurmfortsatz des Blinddarms. Auch bei Kindern kann in 95 Prozent der Fälle auf diese Weise operiert werden. Lediglich bei fünf Prozent der Operationen muss der Bauch konventionell geöffnet werden. Das geschieht dann, wenn die Entzündung zu sehr ausgedehnt ist. Die Vorteile des minimalinvasiven Verfahrens sind eine schnellere Erholung, weniger Wundheilungsstörungen, weniger Schmerzen und eine kürzere Krankenhausverweildauer. Bereits zwei Tage nach der Operation kann der Patient das Krankenhaus verlassen. Kann man sich davor schützen? Nein. Es gibt weder eine erbliche Vorbelastung noch eine spezielle Begünstigung durch bestimmte Risikofaktoren. Man kann einer Appendizitis auch nicht vorbeugen durch spezielles Verhalten, Ernährung oder Ähnliches.  Wozu haben wir einen Blinddarm? Letztendlich ist nicht geklärt, warum wir Menschen einen Blinddarm haben. Es wird angenommen, dass er eine gewisse immunologische Funktion hat. Aber sicher ist das nicht. Warum entzündet sich ein Blinddarm überhaupt? Auch das weiß man noch nicht ganz genau. In vielen Fällen ist es so, dass sich der Übergang zwischen Blinddarm und Wurmfortsatz durch verhärteten Kot, sogenannte Kotsteine, verschließt. An dieser Stelle können sich dann Dickdarm-Bakterien stauen, vermehren und schließlich eine Entzündung auslösen. Man weiß auch hier nicht genau, warum, vermutet aber, dass es mit dem Immunstatus des Patienten zusammenhängt. www.ukw.de/chirurgie-i

Text: Dr. Bernhard Rauh, Fotos: Getty Images, Uniklinikum