Stoffwechsel sichtbar machen

Die Szintigrafie gehört zu den häufigsten Untersuchungen in der Schilddrüsendiagnostik. Dank eines schwach radioaktiven Stoffs lassen sich Knoten näher bestimmen. Prof. Dr. Andreas Buck, Klinikdirektor der Nuklearmedizin am UKW, erklärt, wie die Untersuchung abläuft.

Radioiodtherapie: Assistenzärztin Marieke Heinrich überreicht einem Patienten ein Röhrchen, das eine Kapsel mit einer individuell bestimmten Menge Radioiod enthält.

Fast jeden zweiten Patienten der Nuklearmedizin am Uniklinikum führt eine Schilddrüsenerkrankung zu Prof. Dr. Andreas Buck und seinem Team. „Die Diagnostik und Therapie der Schilddrüse genießt bei uns einen hohen Stellenwert“, sagt der Klinikdirektor. Zur genauen Abklärung nutzen die Mediziner in vielen Fällen die Szintigrafie. Sie ermöglicht es, den Stoffwechsel des hormonproduzierenden Organs sichtbar zu machen. So lassen sich mit dieser funktionellen Bildgebung insbesondere Knoten näher bestimmen. Kalte Knoten produzieren keine oder kaum noch Hormone. In seltenen Fällen können sie bösartig sein. Heiße Knoten führen hingegen zu einer Überfunktion der Schilddrüse.

Szintigraphie der Schilddrüse (Autoimmun-thyreoiditis Morbus Basedow)

Farbpunkte lassen Knoten erkennen Zu Beginn der Untersuchung wird dem Patienten ein jodähnliches, radioaktives Material in die Vene gespritzt. „Es verteilt sich im ganzen Körper und die Schilddrüse zieht es wie ein Schwamm heraus“, erklärt Prof. Buck. Eine Viertelstunde später nimmt der Patient sitzend vor der sogenannten Gammakamera Platz. Sie misst die Strahlung, die von dem Organ ausgeht, und wandelt die Information in ein Bild um. Die Aufnahme anzufertigen, dauert nur wenige Minuten. Über die Farbintensität des Bildes erkennt der Nuklearmediziner, wie gut oder schlecht der Stoffwechsel der Schilddrüse funktioniert. Je intensiver die Rotfärbung der Punkte, desto reicher die Ansammlung des radioaktiven Stoffes und desto aktiver der entsprechende Bereich. Für die Diagnostik von Patienten mit bösartigen Tumoren der Schilddrüse können die Nuklearmediziner am UKW auf zwei hochmoderne SPECT/CT-Geräte zurückgreifen, die die Szintigrafie mit dem CT-Verfahren kombinieren und so eine detaillierte 3-D­Bildgebung ermöglichen. Geringe Radioaktivität Sich radioaktives Material spritzen lassen? Für Patienten mag dieser Gedanke im ersten Moment beängstigend wirken. Prof. Dr. Hermann Gehring, Patient am Uniklinikum, hat wegen Schilddrüsenproblemen bereits mehrfach eine Szintigrafie durchführen lassen. „Die Ärzte haben mir erklärt, dass es sich um eine geringe Menge an Radioaktivität handelt und der Stoff eine kurze Halbwertszeit hat“, sagt der 79-Jährige rückblickend. Umfassend informiert habe er der Untersuchung „ohne Bedenken“ zugestimmt. Schließlich habe die Szintigrafie dabei geholfen, die Ursache für seine körperlichen Beschwerden zu klären und die passende Therapie einzuleiten. Auf dem Bild, dem Szintigramm, war ein heißer Knoten zu erkennen, der die Hormonwerte ansteigen ließ. Professor Andreas Buck: „Radioaktivität ist ein natürliches Phänomen. Jede zusätzliche radioaktive Strahlung stellt eine mögliche Gefahr dar, aber bei der Szintigrafie ist sie sehr gering.“ Laut dem Bundesamt für Strahlenschutz ist der Mensch pro Jahr 2,1 Millisievert natürlicher Strahlung ausgesetzt. Durch eine Szintigrafie erhöht sich diese Dosis um 0,9 Millisievert. „Wir sehen keine negativen Auswirkungen dieser geringen Strahlenexposition oder gar Tumoren, die durch die Untersuchung ausgelöst werden“, erklärt Buck. Patienten sollen im Anschluss viel trinken, damit der radioaktive Stoff schneller ausgeschieden wird. Nach 60 Stunden ist er fast komplett verschwunden.

Dr. Wiebke Schlötelburg schaut sich die Schilddrüse des Patienten mit dem Ultraschall an.

Jod für Diagnose und Therapie Patient Hermann Gehring bekam seine gesundheitlichen Probleme – ein Vorhofflimmern und eine unruhige Hand beim Schreiben – mit einer Radiojodtherapie in den Griff. Dabei erhalten Patienten radioaktives Jod, das hyperaktive Zellen in der Schilddrüse zerstört. Wie bei der Szintigrafie reichert es sich im heißen Knoten an, die Strahlung durch das Arzneimittel ist allerdings intensiver. Patienten verbringen mindestens zwei Tage auf der modernen Therapiestation am Uniklinikum, da die radioaktiven Ausscheidungen gesondert entsorgt werden müssen. Für den Experten Prof. Buck sind Szintigrafie und Radiojodtherapie exzellente Mittel, um Menschen zu helfen: „Wir können mit radioaktiven Stoffen beziehungsweise radioaktivem Jod nicht nur Erkrankungen der Schilddrüse sichtbar machen, sondern auch heilen, und das weitgehend ohne Nebenwirkungen. Das ist immer noch eine Sensation.“ Auch in der Behandlung von Patienten mit einem Schilddrüsenkarzinom kommt die Behandlung zum Einsatz. Der Chemotherapie sei sie dank geringerer Nebenwirkungen und höherer Wirksamkeit überlegen, so der Strahlenmediziner. www.ukw.de/nuklearmedizin

Gemeinsam mit einer Kollegin werden die Bilder ausgewertet.

Text: Kerstin Smirr, Fotos: Daniel Peter, Getty Images

Studie: Warum die Radiojodtherapie beim Schilddrüsenkrebs oft unnötig angewandt wird

Laut Professor Buck wird die Radiojodtherapie, die in aller Regel auf die operative Entfernung von Schilddrüse und Tumor erfolgt, zu häufig eingesetzt. In einer von der Deutschen Krebshilfe geförderten Studie fanden die Nuklearmediziner am UKW in einem gemeinsamen Projekt mit dem Essener Universitätsklinikum heraus, dass rund 40 Prozent dieser Patienten auf die Radiojodtherapie verzichten könnten. Anhand von sehr hochauflösenden Szintigrafie-Aufnahmen konnten die Mediziner genau zwischen harmlosem Restgewebe der Schilddrüse und Lymphknotenmetastasen unterscheiden. „Wenn diese Studie publiziert ist, wird sie weltweit Auswirkungen darauf haben, wie Patienten mit Schilddrüsenkarzinom behandelt werden“, ist Prof. Buck überzeugt. www.ukw.de/nuklearmedizin