Dr. Oliver Happel, Leiter des Simulationszentrums, ist bereits seit seiner Zeit als Assistenzarzt begeistert davon, mithilfe eines Simulators unterschiedliche Krankheitszustände realitätsnah abbilden zu können.

Übung macht den Meister

Im ZOM trainieren Anästhesisten und Pflegekräfte mit einem Hightech-Dummy.

Übung macht den Meister

Im ZOM trainieren Anästhesisten und Pflegekräfte mit einem Hightech-Dummy.

Dr. Oliver Happel, Leiter des Simulationszentrums, ist bereits seit seiner Zeit als Assistenzarzt begeistert davon, mithilfe eines Simulators unterschiedliche Krankheitszustände realitätsnah abbilden zu können.

Zwanzig Minuten lang mobilisieren sie unter Hochspannung alle Kräfte: Die Teams, die im Simulationszentrum des Würzburger Uniklinikums üben, werden bewusst unter Stress gesetzt. Ständig passiert irgendetwas, worauf sie reagieren müssen. Fehler sind programmiert. Doch sie sind nicht schlimm, denn geübt wird an speziellen „Patienten“. Die können zwar atmen. Ihr Brustkorb hebt und senkt sich. Manchmal blinzeln sie. Doch es handelt sich nicht um Menschen, sondern um Hightech-Mannequins.

Auch im echten Leben läuft oft nicht alles wie geplant. In der Welt der Simulation wird „Chaos“ mit voller Absicht kreiert, erläutert Dr. Oliver Happel, der das Simulations­zentrum in der Klinik für Anästhesiologie leitet. „Wir lassen immer wieder Zwischen­fälle entstehen“, erläutert der Ober­arzt. Mag sein, der simulierte Patient, der da auf dem Tisch liegt, reagiert plötzlich allergisch auf ein Medi­kament. Oder er verliert unerwartet viel Blut. Darauf müssen alle, die für die Anästhesie ver­antwort­lich sind, blitzschnell reagieren. Im Simulations­zentrum wird in Dreierteams geübt. Einem Oberarzt, der das Team führt, stehen ein jüngerer Kollege sowie eine Anästhesie­pflegekraft zur Seite. Neue Hightech-Mannequins Tritt etwas Unerwartetes ein, kann man nicht lange über eine Lösung nachdenken: Das Team muss rasch und wie „aus einem Guss“ handeln. „Der ‚Faktor Mensch‘ ist in der Anästhesie ganz wichtig“, verdeutlicht Happel. Mithilfe der neuen Hightech-Mannequins, die Ende 2019 Einzug ins Simulationszentrum hielten, wird u. a. die Kommunikationsfähigkeit im Behandlungsteam trainiert: Wie kommt man sehr schnell unter­einander zu einer guten Entscheidung?

Simulationstraining ist fester Bestandteil der Aus- und Weiter­bildung von Mitarbeitern der Klinik und Poli­klinik für Anästhe­siologie am Universitäts­klinikum Würzburg. (V.l.n.r. Oberarzt Dr. Oliver Happel, Assistenzarzt Raphael Drasch, Klinik­direktor Professor Dr. Patrick Meybohm und Gesundheits- und Kinder­kranken­pfleger Manuel Hassemer)

Jeder Patient ist anders Das Training ist vor allem deshalb wichtig, weil man Patienten nicht über einen Kamm scheren kann. Da ist zum Beispiel der kleine Junge, der sich schwer verletzt hat und nun „unters Messer“ muss. Selbst Babys müssen manchmal operiert werden. Zunehmend häufiger sehen Chirurgen Hochbetagte. Die sind meist mehrfach vorerkrankt. Der eine hat ein schwaches Herz. Der andere Probleme mit der Lunge. „All das können wir simulieren“, sagt Happel und zeigt auf einen Computer. Hier gibt er vor den Trainings Übungsszenarien ein. Auf Knopfdruck wird der Dummy also herzkrank. Oder er hat eine eingeschränkte Lungenfunktion. Das Training zu absolvieren, bedeutet eine echte Ochsentour, sagt Julie Gröne: „Es ist super anstrengend, aber auch sehr spannend, und es macht großen Spaß.“ Das Gute seien die Besprechungen nach der Übung. Die finden anhand der Video- und Ton­aufnahmen während des Simulations­trainings in einem Besprechungs­zimmer statt. Gerade durch diese „Debriefings“, wie die Nach­be­sprechungen genannt werden, hat die junge Anästhesistin schon eine Menge gelernt: „Zum Beispiel, dass es wichtig ist, laut zu reden.“ Sonst kommt das, was man sagen will, in der stressigen Situation rund um den OP-Tisch womöglich nicht bei den anderen an.

Ohne Simulationstraining lässt sich Medizin im 21. Jahrhundert gar nicht mehr denken, sagt Prof. Dr. Patrick Meybohm, Direktor der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie. Das Uniklinikum Würzburg reagierte sehr früh auf den Trend, medizinische Situationen zu Trainingszwecken zu simulieren: Seit rund 25 Jahren gibt es das Simulationszentrum. Oliver Happel lernte es 2003 kennen: „Ich wurde damals zum ersten Mal zu einem Training eingeladen, sah, wie sinnvoll das war, und fing Feuer.“ Es sei einfach faszinierend, anhand von Mannequins zu beobachten, wie sich Fehler, die unterlaufen, im Er­krankungs­bild auswirken können. So gut wie am Dummy könnte man das an keinem Patienten plausibel machen. Ganz abgesehen davon, dass Patienten natürlich nie und nimmer „Versuchskaninchen“ sind. Sinn und Zweck des immensen Aufwands, der im Simulationszentrum betrieben wird, ist es im Gegenteil, die Sicherheit in der Versorgung der Patienten noch weiter zu steigern. Deshalb üben hier nicht nur Studierende, sondern auch „alte Hasen“. Gerade die Kompetenz, in brenzligen Situationen blitzschnell im Team zu reagieren, muss ständig trainiert werden. Damit sie dann, wenn sie gebraucht wird, prompt abrufbar ist. „Und das ist sie“, meint Gröne: „Was wir hier lernen, lässt sich super in unseren Alltag übertragen.“

Text: Pat Christ, Fotos: Daniel Peter, Pat Christ, Helmuth Ziegler

Oliver Happel:

Warum man keine Angst vor Narkosen haben muss

  • Narkosen sind heutzutage grund­sätzlich sehr sicher
  • In der Anästhesie arbeiten hoch­spezialisierte Teams, die regelmäßig trainieren und sich fortbilden. Vor allem machen sie sich kontinuierlich fit für die Bewältigung von Notfall­situationen.
  • Anästhesisten sind sich ihrer Verantwortung im Umgang mit den Patienten bewusst. Sie wissen, wie unangenehm der Gedanke sein kann, aufgrund einer Narkose vorübergehend die Kontrolle über sich selbst zu verlieren. Damit gehen sie sehr sensibel um.