Symptome richtig deuten

Schlaganfall: Neues aus Forschung und Behandlung

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Schlaganfall: Neues aus Forschung und Behandlung

Es kann die Mitfünfzigerin ebenso treffen wie den 30 Jahre alten Sportler oder den hochbetagten Senior: Vor einem Schlaganfall ist niemand gefeit. „Jedes Jahr sind rund 270.000 Men­schen in Deutschland betroffen“, sagt Prof. Dr. Karl Georg Häusler, seit 2018 an der Neurologischen Klinik und Poliklinik des Uni­versitäts­klinikums Würzburg (UKW) tätig. Wichtig sei, dass mögliche Symptome eines Schlag­anfalls rasch erkannt würden, betont der Kliniker und Forscher mit Blick auf den Welt­schlaganfall­tag am 29. Okto­ber. Denn die rechtzeitige Behand­lung in einer spezialisierten Klinik kann Leben retten und die Lebens­qualität erhöhen.

Professor Karl Georg Häusler

Erna W. (Name von der Redaktion geändert), eine 72-jährige Seniorin aus dem Landkreis Würzburg, hatte Glück. Ihr Mann rief sofort den Rettungs­dienst, als sie morgens am Früh­stücks­tisch vom Stuhl fiel. „Er hatte bei seiner Frau einen hängenden Mund­winkel bemerkt und sofort an einen Schlaganfall gedacht“, berichtet Dr. Thorsten Odorfer, Oberarzt an der Neurologischen Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums Würzburg. Der Rettungsdienst kam und brachte Erna W. mit einer Sprachstörung und einer Halb­seiten­lähmung in die internistische Abteilung einer Klinik der Grundversorgung im Landkreis, die über das Schlag­anfall-Netzwerk „TRANSIT-Stroke“ mit den tele­medizini­schen Netzwerkzentren (UKW, Leo­poldina-Krankenhaus Schweinfurt, Neurologische Klinik Bad Neustadt a. d. Saale) verbunden ist. In „TRANSIT-Stroke“ kooperieren seit sechs Jahren Ärzte aus zwölf Krankenhäusern.

So konnte auch Erna W. über Video­telefonie umgehend neuro­logisch untersucht werden. „Vor Ort erwies sich rasch, dass sie tatsächlich einen Schlaganfall hatte“, sagt Odorfer, der als ärztlicher Projektkoordinator des Telemedizin-Netzwerks fungiert. Behandelt wurde die Seniorin darauf­hin mit der sogenannten Lyse-Thera­pie. Das stark blutverdünnende Medikament wird über die Vene verabreicht und zielt auf die Wieder­eröffnung einer verschlossenen Hirnarterie ab.

Erna W. wurde unmittelbar nach Beginn der Lyse-Therapie in das Universitätsklinikum Würzburg verlegt. Dort wurde mittels eines Katheter-basierten Verfahrens ein Blutgerinnsel entfernt, das ein hirnversorgenden Blut­gefäß verlegt und damit den Schlaganfall ausgelöst hatte. „Throm­bektomie“ nennen Mediziner diesen Vorgang. Odorfer: „Diese Behandlung wird am UKW in der Regel in Narkose durchgeführt und ist über einen Gefäß­zugang meist in der Leiste minimal-invasiv möglich.“

Der Fall von Erna W. zeigt, dass schnelles Handeln erforderlich ist, wenn ein Mensch einen Schlaganfall erleidet. Weil ihr Mann ohne zu zögern den Rettungsdienst gerufen hatte, konnte Erna W. sehr schnell behandelt werden. Sie lag nur wenige Tage in der Klinik und merkt heute, ein halbes Jahr später, fast nichts mehr von ihrem Schlaganfall. Dass sie nun, neben Blut­druckmedikamenten, die sie schon seit einigen Jahren einnimmt, noch Tabletten zur Vorbeugung eines weiteren Schlaganfalls nehmen muss, stört die Rentnerin nicht. Will sie doch auf keinen Fall das, was sie erlebt hat, noch einmal mitmachen. Deshalb achtet sie nun noch mehr auf ihre Gesundheit.

Bluthochdruck, Diabetes, Rauchen, körperliche Inaktivität, eine Fett­stoff­wechselstörung oder eine Herz­rhythmus­störung – all das kann laut Prof. Häusler das Risiko eines Schlaganfalls erhöhen. „Etwa 85 Prozent aller Schlaganfälle werden in Deutschland durch eine Durch­blutungs­störung im Gehirn ver­ursacht“, erklärt er. Allen Menschen, die ihr individuelles Schlag­anfall­risiko reduzieren wollen, rät der Mediziner, sich gesund zu ernähren und sich mehrfach wöchentlich moderat sportlich zu betätigen und nicht zu rauchen. Ältere Menschen und solche, die schon mal einen Schlaganfall hatten, sollten sich zudem hausärztlich beraten lassen.

Weltschlaganfalltag am 29. Ok­to­ber

Der Weltschlaganfalltag findet jedes Jahr am 29. Oktober statt. Er wurde 2006 von der Welt­schlag­anfall-Organisation (WSO) ins Leben gerufen. Seitdem dient er dazu, über die Vor­beugung von Schlaganfällen auf­zuklären. Auch in Würzburg wird am Weltschlaganfalltag eine virtuelle Fort­bildungs­veranstaltung stattfinden, die Rettungs­dienste, Pflegekräfte und Ärzteschaft über aktuelle Ent­wick­lungen in der Prävention und Behand­lung des Schlag­anfalls informieren wird.

TRANSIT-Stroke Netzwerk

Das seit 2014 bestehende „Trans­regionale Netz­werk für Schlag­anfall­intervention mit Tele­medizin“ (Transit-Stroke) stellt einen Verbund von zwölf Kliniken dar. Es zielt auf eine flächen­deckende und hochqualitative Versorgung von Schlag­anfall­patienten in Unterfranken sowie in Teilen Ober­frankens und Baden-Württem­bergs ab. Kliniken im Verbund können rund um die Uhr mit einem der tele­medizi­nischen Netz­werkzentren in Kontakt treten, um Diagnose und Therapie zu besprechen sowie eine gegebenen­falls erforderliche Verlegung von Schlag­anfall­patienten in spezialisierte Zentren zu ermöglichen.

Eine nun veröffentlichte Studie des Instituts für klinische Epidemiologie und Biometrie der Universität Würzburg konnte zeigen, dass Qualitäts­indikatoren zur Diagnostik und Therapie von Schlag­anfall­patienten in Kliniken des TRANSIT-Stroke Netzwerks von Beginn der Erhebung regel­haft erfüllt wurden, in Teil­bereichen jedoch weitere Verbesserungen erreicht werden konnte. So wurde die Lyse-Therapie in Netz­werk­kliniken ohne eigene Neuro­logie in einer zu den Netz­werk­zentren ver­gleichbaren Häufigkeit eingesetzt.

Neues aus der Forschung

Am Uniklinikum Würzburg wurde im Institut für Diagnostische und Inter­ventionelle Neuroradiologie in enger Zusammenarbeit mit Neurologen des UKW eine neue Methode entwickelt, wie die Forscher­gruppe um Prof. Dr. Mirko Pham und Prof. Dr. Guido Stoll in einer renommierten neurologischen Fach­zeitschrift berichtet. Anhand dieses Verfahrens ist es in der Akut­phase des ischämischen Schlag­anfalls möglich geworden mit einem Katheter eine Blut­probe innerhalb der vom Schlag­­anfall betroffenen Hirn­region zu entnehmen und eine schlaganfall-induzierte Entzündungsreaktion nach­zuweisen, die bisher nur in Tier­modellen beobachtet wurde. Zusammen mit Grund­lagen­forschern des Rudolf-Virchow-Zentrums der Universität Würzburg konnten ver­schiedene Schaltstellen dieser Entzündungs­reaktionen aufgedeckt werden. Diese Erkenntnisse könnten neue Therapieansätze in der Akut­phase des Schlaganfalls auf den Weg bringen.

Text: Pat Christ, Foto: Uniklinik, Getty Images

Indizien für einen Schlaganfall

Der sogenannte FAST-Test kann einem medizinischen Laien helfen, einen Schlaganfall zu erkennen:

  • Schauen Sie der betroffenen Person ins Gesicht (Face=F) und bitten Sie diese, zu lächeln.
  • Als zweites bitten Sie sie, beide Arme (Arms=A) nach vorn zu strecken, so dass die Handflächen nach oben zeigen. Wird eine dieser Auf­forderungen nicht befolgt oder zeigt sich eine Seitendifferenz, kann ein Schlag­anfall vorliegen.
  • Außerdem sollte die Person einen einfachen Satz nachsprechen (Speech=S), da auch eine Sprach­störung auf einen Schlaganfall hindeuten kann.
  • Schon beim geringsten Verdacht auf einen Schlaganfall, sollte sofort (Time=T) ein Arzt verständigt werden. Denn auch ein unauffälliges FAST-Testergebnis kann einen Schlag­anfall nicht immer aus­schließen.