Den „Blut-Tank“ vor der Operation checken

Blut ist eine wertvolle und knappe Ressource. Patienten-Blut-Management (Patient-Blood-Management) gewährleistet die voraus­schauende und wert­schätzende Nutzung.

Professor Patrick Meybohm schildert im Interview, was Spenderblut so wertvoll macht, warum unser Blut vor einem Eingriff im eigenen Körper gut aufgehoben ist – und wie man es bei einer Operation direkt wieder­verwenden kann.

Professor Patrick Meybohm:

Direktor der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie.

Herr Professor Meybohm, wie profitieren Patienten am UKW vom Patienten-Blut- Management? Am Universitätsklinikum Würzburg liegt die Gesamtverantwortung für das Thema in den Händen der Chirurgen und Anästhesisten. Wir fokussieren uns momentan auf Risikopatienten, die vor größeren Operationen mit möglicherweise erhöhtem Blutverlust und der Gabe von Fremdblut stehen. Das sind beispielsweise Tumor- oder Gefäßoperationen. Auch größere orthopädische Eingriffe, wie das Einsetzen oder Wechseln künstlicher Gelenke, zählen dazu.

Mit einem individualisierten Blut-Management bereiten wir Patien­tinnen und Patienten noch gezielter auf die Eingriffe vor. Stellen Sie swich das wie eine Urlaubs­reise vor: Ein Blick auf die Tankuhr zeigt, ob genug Benzin im Auto ist – damit es unterwegs nicht liegenbleibt. Vor einer Operation checken wir den „Blut-Tank“ des Menschen. Die Menge des roten Blut­farbstoffes (Hämoglobin) und der Eisen­wert geben Auskunft über mögliche Mangel­erscheinungen. Dann nutzen wir die Zeit vor dem Eingriff, um beispielsweise die Blutbildung anzuregen. Das hilft, Risiken und Kompli­kationen während und nach einem Eingriff zu vermeiden oder abzumildern. Wäre es nicht einfacher, Fremdblut aus einer Blutbank zu verabreichen? Bei geplanten Eingriffen wollen wir möglichst ohne die Gabe von Fremd­blut auskommen. Diese knappe Ressource stammt von freiwilligen, gesunden Spendern. Wir verpflichten uns, damit verantwortungsvoll und wertschätzend umzugehen. Zusätzlich bestehen beim Einsatz von Fremdblut Transfusionsrisiken aufgrund von Verwechslungs­gefahr oder Lagerungs­schäden. Studien deuten darauf hin, dass hohe Fremdblutgaben Behandlungs­verläufe ungünstig beeinflussen können. Daher ver­wenden wir es vor allem in Notfall­situationen, wie bei Unfall­opfern, und bei schweren akuten Krankheits­verläufen, die kein vorbeugendes Blut-Management erlauben und Alter­nativen ausschließen. Kann ich als Patient vor einer Operation auch eigenes Blut spenden? Eigenblutspenden, bei denen man Patientinnen und Patienten vor einer Operation größere Mengen an Blut entnimmt, um dieses beim Eingriff wieder zu verabreichen, waren vor einigen Jahren noch verbreitet. Heute sind sie aus mehreren Gründen kein Thema mehr: Zum einen schwächt die Entnahme größerer Blutmengen den Körper. Zum anderen besteht die Gefahr, dass Blut beim Entnahme- und Lagerungsprozess Schaden nimmt, oder es zu Verwechslungen kommt. Im ungünstigsten Falle hätten wir dann einen geschwächten Patienten, dessen Blut bei Bedarf möglicherweise un­brauchbar ist. Es hat sich die Ansicht durch­gesetzt, dass das Blut im eigenen Körper am besten auf­gehoben ist – und dort den größten Nutzen hat. Welche Alternativen gibt es zur Eigenblutgabe? Blut, das beim Eingriff aus dem Operationsgebiet austritt, kann in vielen Fällen direkt wiederverwendet werden. Es wird aufgefangen, sobald es aus der Wunde läuft, und in einem Gerät gesammelt und gereinigt. Die roten Blut­körperchen, wichtige Sauer­stoffträger, fließen nach der Auf­bereitung direkt in den Körper des Patienten zurück. Diese Methode eignet sich für viele Operationen, sofern das Blut beim Austritt nicht verschmutzt oder die Gefahr einer Konta­mination mit Tumorzellen besteht. Welche Fachbereiche verwenden heute schon das Patient-Blood-Management? Wir haben mit interdisziplinären Partnern Strukturen und Prozesse geschaffen, um Patientinnen und Patienten auf größere Eingriffe bestmöglich vorzubereiten. Am UKW sind das in einem ersten Schritt die Klinik und Poliklinik für Allgemein-, Viszeral-, Transplantations-, Gefäß- und Kinderchirurgie sowie die Frauen­klinik, da Schwangere oft unter Blut­armut oder Eisenmangel leiden. Zusätzlich arbeiten wir im Rahmen orthopädischer Eingriffe mit dem König-Ludwig-Haus in Würzburg zusammen. Erfahrungen aus diesen Kooperationen ermöglichen es uns zukünftig, das Patient-Blood-Management flächendeckend an­zuwenden.

Text: Jörg Fuchs, Fotos: Getty Images, Uniklinik

One size does not fit all – Nicht immer gilt: Eines für alle

Fremdbluttransfusionen werden aufgrund der Risiken heutzutage sehr zurück­haltend gegeben. Ob das so auch für ältere Risiko­patienten gilt, ist bislang unbekannt. Wie hoch der Blutfarbstoff bei der großen Gruppe der älteren Patien­tinnen und Patienten sein sollte, um diese sicher durch eine Operation und die Nach­sorge zu geleiten, ist ebenso weltweit unklar. Genau diese drängenden Fragen wird die bundes­weite Studie LIBERAL, die von der Deutschen Forschungs­gemeinschaft finanziert und vom UKW koordiniert wird, be­ant­worten. Zusätzlich sucht LIBERAL nach Trans­fusions­strategien, die die Lebens­qualität von älteren Patienten verbessern.

Vorbereitung auf Operationen und die Verantwortung des Patienten

Große chirurgische Eingriffe belasten den Organismus. So können Sie sich optimal vorbereiten:

  • Sprechen Sie mit Ihren Anästhesisten und Chirurgen über das Thema Blut-Management und mögliche Transfusionsrisiken! Machen Sie daheim eine Liste mit Ihren Fragen.
  • Ziehen Sie Ihren Hausarzt vor der Operation hinzu. Er informiert unter anderem über Vorerkrankungen und mögliche Risiken wie Blutgerinnungsstörungen und kann weitere Untersuchungsergebnisse und Laborwerte bereitstellen.

Zusätzlich können sie das Risiko eines Eingriffs auch selber senken:

  • Gehen Sie achtsam mit Ihrem Körper um und hören Sie auf Warnsignale Ihres Organismus.
  • Rauchen steigert den Blutdruck, schädigt die Lunge und kann zu Wundheilungsstörung führen. Verzichten Sie einen Monat vor der OP auf Zigaretten oder machen Sie eine Nikotin-Ersatztherapie.
  • Bewegung tut Muskeln, Atemwegen und dem Kreislauf gut. Versuchen Sie, Aktivitäten in Ihren Alltag einzubauen.Sprechen Sie mit Ihren Anästhesisten und Chirurgen über das Thema Blut-Management und mögliche Transfusionsrisiken! Machen Sie daheim eine Liste mit Ihren Fragen.