Zu viel Salz gegessen? Tabletten vergessen? Herzinsuffizienz-Schwester Anja Knoppe berät Patienten am Telefon, überwacht deren Messwerte und geht Abweichungen auf den Grund.

Meilenstein in der Behandlung der Herz­schwäche?

Wenn man einen implantierten Drucksensor mit regelmäßigem telefonischem Coaching zusammenbringt, könnte das bei Herzinsuffizienz wahre Wunder bewirken.

Meilenstein in der Behandlung der Herz­schwäche?

Wenn man einen implantierten Drucksensor mit regelmäßigem telefonischem Coaching zusammenbringt, könnte das bei Herzinsuffizienz wahre Wunder bewirken.

Zu viel Salz gegessen? Tabletten vergessen? Herzinsuffizienz-Schwester Anja Knoppe berät Patienten am Telefon, überwacht deren Messwerte und geht Abweichungen auf den Grund.

Es könnte ein Meilenstein in der Herz­insuffizienz-Behandlung werden: Ein kleiner Sensor, der mittels Herz­katheter in eine Lungenarterie im­plantiert wird. Der Patient kann damit in seinem häuslichen Umfeld den Druck in seinem Lungenkreislauf ableiten und die Werte über eine Internet­plattform einem autorisierten Behand­lungs-Team zur Verfügung stellen. Auf diese Weise kann man auch bei ambulanten Patienten eine Verschlechterung der Herzfunktion früh feststellen und durch gezielte Gegenmaßnahmen Schlimmeres verhindern.

Prof. Christiane Angermann

Teufelskreislauf Dekompensation Die meisten Herzschwächepatienten erleben im Laufe ihrer Krankheit wiederholte Dekompensationen. Typischerweise bedeutet dies, dass sich die Herzfunktion zunehmend verschlechtert, wobei sich Blut in die Lunge zurückstaut. „Treten Symptome wie Wassereinlagerungen oder akute Luftnot auf, sind das bereits Spät­zeichen, und eine Kranken­haus­ein­weisung kann oft nicht mehr ab­gewendet werden“, erläutert Professorin Christiane Angermann vom DZHI. Das Problem: Mit jeder Dekompensation beginnt ein Teufels­kreis. Andere Organe, wie etwa die Niere, werden in Mitleidenschaft gezogen, und das Risiko für erneute Kranken­hauseinweisungen oder Tod steigt deutlich.

Geräte wie das ™-HF-System, das aus dem dauerhaft implantierten Monitor einer Patienteneinheit zur Ableitung der Druckwerte und der Über­wachungs-Website besteht, bieten die Chance, deutlich früher einzugreifen und damit sowohl Kranken­haus­einweisungs- als auch Sterberate bei Herzinsuffizienz zu verringern. In den USA und Kanada wird die Technologie mit Erfolg eingesetzt. „Der Sensor wurde in­zwi­schen etwa 30.000 Mal implantiert und hat sich als sehr sicher erwiesen“, sagt Professor Stefan Störk, Leiter der klinischen Forschung am DZHI. Warum also macht man das in Deutschland nicht einfach nach?

Gerät allein wirkungslos Das liegt unter anderem an den Unterschieden in den Gesund­heits­systemen – und daran, dass das Gerät selbst keine therapeutische Wirkung hat. Der Patient legt sich auf die in ein Kissen integrierte elektronische Mess-Station und startet selbst die Ableitung der Druckwerte, die dann automatisch auf eine sichere Website übertragen werden. Anschließend müssen zeitnah die Werte von spezialisiertem Personal beurteilt und bei Bedarf die Therapie angepasst werden. Christiane Angermann: „Behandlungserfolge setzen voraus, dass dieser Versorgungs­zyklus lückenlos funktioniert. Das heißt, dass die Patienten regelmäßig ihre Druckwerte übertragen und ein Team aus Ärzten und Herzinsuffizienz-Schwestern und -Pflegern diese Werte rasch und regelmäßig interpretiert und telefonisch Therapie-empfehlungen gibt. Schließlich müssen motivierte und gut informierte Patienten die Behandlung auch richtig umsetzen.“ Wenn die Werte auffällig sind, meldet sich die Herzinsuffizienz-Schwester telefonisch, und versucht mit dem Patienten gemeinsam herauszufinden, woran es liegen könnte. Hat er zu viel getrunken? Zu viel Salz gegessen? Seine Tabletten vergessen? Krankenhaus-Einweisungsrate um 60 Prozent reduziert „Manchmal findet man den Grund und kann Patienten in der Prävention schulen, z. B. wenn der Patient viel Suppe gegessen und nicht bedacht hat, dass sich das auf die Flüssigkeits- und Salzbilanz auswirkt“, erklärt die Herzinsuffizienz-Schwester Anja Knoppe. Zu diesem Zeitpunkt lassen sich durch rasches Gegensteuern mit Diuretika (harntreibenden Substanzen) Entgleisungen mit einer Ver­schlechte­rung der Symptome meist noch vermeiden. Die unter Leitung von Christiane Angermann in Deutschland, Irland und den Niederlanden durch­geführte Registerstudie MEMS-HF, in der spezialisiertes Pflegepersonal entsprechend eingesetzt wurde, zeigt: Nach Implantation des Sensors war bei den Teilnehmern die Krankenhaus-Einweisungsrate im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 60 Prozent reduziert, mit entsprechender Verminderung der Kosten. Auch die Sterb­lichkeit war relativ niedrig, und Lebensqualität und depressive Symptome besserten sich umso mehr, je ausgeprägter die Drucksenkung in der Lungenarterie war. Bösartiger als Krebs „Herzinsuffizienz ist eine sehr häufige Erkrankung mit sehr unterschiedlichen Schweregraden. Nach einer statio­nären Behandlung wegen Herz­schwäche ist aber der Verlauf ungünstiger als bei vielen Krebs­erkrankungen. Das ist den Patienten in der Regel genauso wenig bewusst wie vielen Ärzten“, so Angermann. Das Tele­monitoring per Drucksensor sei auch deshalb eine große Chance, weil es die Patienten und Angehörigen so stark mit einbindet – eine Ressource, die ihrer Meinung nach in Deutschland noch gar nicht ausgeschöpft ist. Auch dank der Herzinsuffizienz-Schwestern und -Pfleger, die Patienten eingangs schulen und dann fortlaufend durch regelmäßiges Coaching am Telefon motivieren und informieren, sei die Bereitschaft der Patienten zur Mitarbeit beim gerätegestützten Tele­monito­ring besonders hoch, ist Angermann überzeugt. Die Bedeutung dieser aktiven Beteiligung dürfe man nicht unterschätzen: „Bei jeder schweren Krankheit ist es eine großartige Sache, wenn der Patient auch selbst etwas tun kann“, so die Kardiologin. Chance für deutsche Patienten: PASSPORT-HF Ob das Telemonitoring mit dem CardioMEMS™-HF-System verglichen mit der üblichen Versorgung auch in Deutschland zu verbessertem Überleben und weniger Kranken­haus­aufnahmen wegen Herz­insuffizienz führt, prüft nun die von Stefan Störk geleitete multizentrische rando­misierte Studie PASSPORT-HF. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hatte diese Studie gefordert. Der G-BA legt in Deutschland fest, welche Leistungen der medizinischen Ver­sorgung von der gesetzlichen Kranken­kasse übernommen werden. Störk erklärt: „Ein positives Studien­ergebnis ist deswegen nicht selbstverständlich, weil das deutsche Gesundheitssystem in vielen Bereichen anders organisiert ist als beispielsweise in den USA. Dort sind Herz­insuffizienz-Schwester und -Pfleger seit vielen Jahren fester Bestand­teil des Versorgungs­­konzeptes. In der PASSPORT-HF-Studie stehen diese spezialisierten Pflege­kräfte nun im Zentrum des Ver­sorgungs­teams.“ Für deren Arbeit wurde erstmals eine Gebührenziffer erlassen, über die eine Tele­monitoring-Maßnahme mit den Krankenkassen abgerechnet werden kann. Ist die Studie erfolgreich, wird der von PASSPORT-HF beschriebene Ver­sorgungs­pfad in die Routine­versorgung über­nommen. Störk: „Wir freuen uns sehr über die große Resonanz, die die PASSPORT-HF-Studie bereits heute in Deutschland findet. Nur im multidisziplinären Team lässt sich das Potenzial von Telemonitoring voll auszuschöpfen!“

Text: Martina Häring, Fotos: Daniel Peter, Uniklinik