Dr. Angelika Batzner (l.) und Prof. Brenda Gerull.

Hilfe bei verdicktem Herz­muskel

Angelika Batzner und Hubert Seggewiß betreuen am UKW Patienten mit der seltenen Herzerkrankung Hypertrophe Kardiomyopathie.

Hilfe bei verdicktem Herzmuskel

Angelika Batzner und Hubert Seggewiß betreuen am UKW Patienten mit der seltenen Herzerkrankung Hypertrophe Kardiomyopathie.

Dr. Angelika Batzner (l.) und Prof. Brenda Gerull.

Ein kräftiger, dicker Herzmuskel – das ist doch eigentlich eine gute Sache, sollte man meinen. Nicht, wenn dahinter eine Hypertrophe Kardio­myopathie (HCM) steckt. Hier ist die Herzwand aufgrund einer Gen­mutation verdickt und versteift, was unb handelt zu Herzschwäche und plötzlichem Herztod führen kann. Patienten mit dieser seltenen Herz­erkrankung haben nun am DZHI und an der Medizinischen Klinik I eine neue Anlaufstelle.

Einer, der den Weg dorthin schon gefunden hat, ist Stefan K. Drei Jahre irrte der heute 33-Jährige von Arzt zu Arzt. Aber niemand konnte erklären, warum ihn nach dem Essen Bauch­schmerzen, Herzklopfen und Schwäche­­­gefühl plagten. „Irgendwann habe ich den Doktor gewechselt, weil ich dachte, der erklärt mich noch für verrückt.“ Sein neuer Arzt konnte mit dem Beschwerdebild zum Glück mehr anfangen. Er untersuchte ihn erneut und stellte innerhalb von zehn Minuten die Diagnose: eine Verdickung des Herzmuskels, die den Ausstrom des Bluts in den Körper­kreislauf behindert und die man obstruktive HCM oder HOCM nennt.

Professor Hubert Seggewiß

Krankheit wird oft verkannt Die Geschichte von Stefan K. ist kein Einzelfall. Man schätzt, dass mindestens 160 000 Menschen in Deutsch­land von HCM betroffen sind, aber viele gar nichts davon wissen. Dass auch Kardiologen die Krankheit oft nicht auf dem Schirm haben, ist laut Prof. Hubert Seggewiß ein Problem. Aufgrund seiner jahr­zehnte­langen Erfahrung kommen Patienten aus der ganzen Welt zu ihm – früher ans Leopoldina in Schweinfurt, dann ans Juliusspital in Würzburg und seit April nun ans DZHI. „Wir haben uns dafür entschieden, weil es hier die passende Infrastruktur gibt“, sagt Seggewiß, der eigentlich schon das Rentenalter erreicht hat – aber nicht aufhören will, ohne sein Wissen an die jüngere Generation weitergegeben zu haben.

Die jüngere Generation: Das ist in diesem Fall die Kardiologin Dr. Angelika Batzner. Sie wollte eigentlich Allgemeinmedizinerin werden, bis sie in Schweinfurt Seggewiß und die HCM kennenlernte. Das Krankheitsbild, das ihr vorher kaum begegnet war, empfand sie als so spannend und die Betreuung der Patienten als eine so lohnende Aufgabe, dass sie nun in die Fußstapfen ihres Mentors treten will.

Seggewiß ist insbesondere für einen Katheter-Eingriff bekannt, der die einengende Muskelverdickung ver­ringert. Bei dem PTSMA oder TASH genannten Verfahren wird Alkohol in einen Herzkranz-Arterien-Ast gespritzt. Dadurch stirbt ein kleiner Teil des Muskels ab – ähnlich wie bei einem Herzinfarkt. Anschließend verheilt das Gewebe und der Muskelwulst schrumpft. Das Verfahren ist eine ebenso wirksame, aber weniger invasive Alternative im Vergleich zu einer operativen Muskelabtragung. Seggewiß hat es entscheidend weiterentwickelt und inzwischen über 2000 Mal durchgeführt. Auch Batzner hat bereits einige Erfahrung darin sammeln können.

Stefan K., der aus der Oberpfalz stammt, hat vom Team Seggewiß/Batzner über die Selbst­hilfegruppe HOCM e. V. erfahren. Nachdem ein Betablocker bei ihm keine deutliche Besserung brachte, entschied er sich auf Anraten von Seggewiß, den Kathetereingriff in Würzburg durchführen zu lassen. Drei Monate später stellt er fest: „Es ist ein Unterschied wie Tag und Nacht, die Symptome sind zu 80 Prozent weg.“ Auch von der Betreuung, der Fürsorge und Sorgfalt der beiden Ärzte ist er beeindruckt. Wechselhaftes Beschwerdebild Wählt man die Patienten entsprechend aus, ist der Eingriff zur Muskel­verkleinerung sehr gut wirksam, doch nicht alle HOCM-Patienten brauchen ihn: „Das Beschwerdebild ist sehr variabel und reicht von Symptom­losigkeit bis hin zu Herzrasen, Brust­enge und Atemnot, die sich unter Belastung, aber auch nach dem Essen, durch Alkohol und beim Vorn­über­beugen verschlechtert“, erläutert Batzner. Auch das Risiko, einen plötz­lichen Herztod zu erleiden, kann erhöht sein – fatalerweise vor allem bei jungen und beschwerde­freien Patienten. Für sie kann bei ent­sprechender Risiko­konstellation ein implantierbarer Defibrillator lebens­rettend sein. In anderen Fällen lassen sich mit Medikamenten gute Erfolge erzielen. Richtig und rechtzeitig behandelt, müsse sich niemand vor HCM fürchten. Die Lebenserwartung ist dann kaum reduziert, und auch bei der Lebensqualität muss man nur wenige Abstriche machen.

Da es sich bei der HCM meist um eine erbliche Erkrankung handelt, ist auch die Beratung der Angehörigen wichtig. Hier kommt Prof. Brenda Gerull ins Spiel, die das Department Kardio­vaskuläre Genetik am DZHI leitet. Sie berät zum einen HCM-Familien genetisch und erforscht zum anderen die Ursachen der Erkrankung: über 1500 Genmutationen, die letztlich dazu führen, dass die Herz­muskel­zellen zu viel Energie verbrauchen. „Die Herz-Zelle macht mehr Arbeit, als sie Sprit zur Verfügung hat. Das führt zu oxidativem Stress, der unter anderem Herzrhythmusstörungen verursacht“, erläutert Prof. Christoph Maack, Leiter des Departments für Translationale Forschung am DZHI. Er erprobt Medikamente, die in den Energiestoffwechsel der Zelle eingreifen und im Tiermodell bereits Wirkung zeigen. In klinischen Studien soll nun weiter daran geforscht werden, wie Medikamente, aber auch der Katheter-Eingriff den Energie­haushalt im Herzen verändern. Aufklärung liegt am Herzen Neben Forschung und Behandlung liegt den Experten aber noch eine andere Mission am Herzen: Sowohl Patienten als auch Ärzte über die Erkrankung aufzuklären und ein Bewusstsein dafür zu schaffen. Batzner: „Die HCM ist unter­repräsentiert im Studium und in der Facharztausbildung und wird deshalb mitunter verkannt.“ Oft werden Medikamente verordnet, die mehr schaden als nutzen, oder die Ärzte denken nur an die Gefahr des plötz­lichen Herztods, nicht aber an die Herzschwäche, die sich auf Dauer entwickeln kann. Deshalb sollte aus ihrer Sicht jeder HCM-Patient in einem spezialisierten Zentrum behandelt werden, in enger Abstimmung mit den niedergelassenen Kardiologen.

Anmeldung in der HCM-Sprechstunde über die Herzinsuffizienz-Ambulanz im DZHI bei Heike Hergenröder: Telefon: +49 931 201-46267, E-Mail: DZHI-Ambulanz@ukw.de.

Text: Martina Häring, Fotos: Daniel Peter

Prof. Christoph Maack (r.) und Vasco Sequeira erforschen die Krankheitsmechanismen der HCM.