Im Mekka des Hörens

Die HNO-Klinik lockt Ärzte und Patienten aus aller Welt nach Würzburg, und auch die Forschung feiert Erfolge. Das ist unter anderem dem Konzept der Kopfklinik zu verdanken.

Im Mekka des Hörens

Die HNO-Klinik lockt Ärzte und Patienten aus aller Welt nach Würzburg, und auch die Forschung feiert Erfolge. Das ist unter anderem dem Konzept der Kopfklinik zu verdanken.

Eine Klinik, die die verschiedenen Spezialgebiete rund um den Kopf in einem Gebäude versammelt: Die Idee für die weltweit erste Kopfklinik hatte der HNO-Arzt und ehemalige Lehrstuhlinhaber für das Fach HNO-Heilkunde Professor Horst Ludwig Wullstein, nachdem er im Zweiten Weltkrieg viele schwer Kopfverletzte versorgen musste. In seiner Nachfolge steht derzeit Professor Dr. Dr. h.c. Rudolf Hagen. „Die Umsetzung von Wullsteins Konzepten ist mit dem Bau der Würzburger Kopfklinik sehr eindrucksvoll gelungen. Die Kopfklinik war damals etwas ganz Besonderes, und auch heute noch ist die unmittelbare Verbindung von Klinik, Forschung und Lehre in diesem Gebäude hervorragend“, schwärmt der heutige Direktor der HNO-Klinik.

Der ehemalige Direktor der Hals-, Nasen- und Ohrenklinik, Prof. Dr. Wullstein (2. v. l.) im Gespräch mit Gästen aus Südamerika (1959).

Weltzentrum für das Thema Hören und Hörimplantate Wullstein war seinerzeit eine herausragende Würzburger Persönlichkeit und ein Pionier der Mittelohr-Chirurgie. HNO-Ärzte aus aller Welt kamen, um ihm beim Operieren zuzuschauen. Als er den Ruf auf renommierte Lehrstühle in anderen deutschen Städten bekam, war es das Projekt Kopfklinik, das ihn schließlich dazu bewog, in Würzburg zu bleiben. 1970 startete die HNO-Klinik als erste Fachdisziplin den Betrieb im neuen, für damalige Verhältnisse hochmodernen Kopfklinik-Gebäude. Eine Besonderheit ist zum Beispiel der HNO-Hörsaal der Kopfklinik, der es er­mög­licht, Live-Operationskurse abzuhalten. „Die ersten Kurse widmeten sich der plastischen Chirurgie und der Mikrochirurgie. Heute sind wir außerdem ein Weltzentrum für das Thema Hören und Hörimplantate“, so Hagen. Seit nunmehr 32 Jahren holen die Live-Kurse internationale Teilnehmer nach Würzburg. Durch Wullstein wurde Würzburg zum Mekka der Otologie, also der Ohrenheilkunde, und ist es bis heute geblieben: „Die Hör-Rehablitation ist nach wie vor unser größter Schwerpunkt, wir führen mit die meisten Hör­implantat-Operationen in Deutschland durch“, so Hagen. Dazu gehören Cochlea-Implantate, die taub geborenen Kindern und ertaubten Erwachsenen das Hören er­mög­lichen, aber auch Mittelohr-, Schädel- und Hirnstamm-Implantate. Das Comprehensive Hearing Center (CHC), ein inter­diszi­plinäres Zentrum rund um das Thema Hören, ist dabei die zentrale Anlaufstelle für Menschen mit Hör­störungen – vom Hörscreening für Neugeborene bis hin zur individuellen Beratung zur optimalen Hör­geräte­versorgung im Alter. Zum Wissensaustausch ist das Zentrum im „Hearring“, einem Zusammen­schluss von 35 hoch­spezialisierten HNO-Kliniken, auch weltweit vernetzt.

Operationstraining für internationale Kursteilnehmer in Theorie und Praxis.

Komplizierte Rekonstruktionen Darüber hinaus umfasst das Spektrum der Klinik alles, was die moderne HNO-Medizin kann. Ein besonderer Schwerpunkt ist die wieder­herstellende Chirurgie bei Tumoren, etwa bei Kehlkopf- oder Rachenkrebs. Hier bietet die Klinik sehr aufwändige und komplizierte Verfahren an, darunter die Rekonstruktion des Kehlkopfs aus körpereigenem Gewebe, die von Professor Hagen entwickelt und nach ihm benannt wurde. Auch für kindliche Tumoren im Kopf-Hals-Bereich ist die Klinik ein Referenz­zentrum. Ein Gebiet, bei dem die Notwendigkeit der Zusammen­arbeit der verschiedenen „Kopffächer“ besonders deutlich wird, ist die interdisziplinäre Schädel­basis­chirurgie: An dieser Schnitt­stelle zwischen Gehirn und Gesichts­schädel muss zum Beispiel beim Akustikusneurinom, einem seltenen Tumor des Hör- und Gleichgewichtsnervs, operiert werden. Hier arbeiten die HNO-Ärzte eng mit der Neurochirurgie zusammen. Auch mit dieser relativ seltenen Erkrankung kommen Patienten von weit her.

Zentren für weitere HNO-Spezialgebiete Eine eigene Abteilung der Klinik beschäftigt sich mit dem Fachgebiet der Phoniatrie und Pädaudiologie. Hier werden alle Erkrankungen der Stimme sowie Kinder mit Hörstörungen behandelt. Seit Kurzem widmet sich außerdem das Interdisziplinäre Zentrum für Stimme und Schlucken speziellen Störungen im Kehlkopf und dem oberen Speiseweg. Rund um das Schlaflabor soll demnächst ein Interdisziplinäres Zentrum für gesunden Schlaf etabliert werden. Hier bietet die Klinik mit der Zungenschrittmacher-Operation eine noch sehr neue Behandlungsmethode an. „Aufgrund der Zunahme der Krankheitshäufigkeit ist auch die Allergologie in den vergangenen Jahrzehnten wichtiger geworden“, so Hagen. Auch für diesen Themenbereich hält die HNO-Klinik eine eigene Spezialabteilung vor.

Prof. Dr. Rudolf Hagen

Hervorragende Forschungsmöglichkeiten Dass die HNO-Klinik auch zahlreiche Erfolge in der Forschung vorweisen kann, führt Hagen auch auf das gelungene Konzept der Kopfklinik zurück: „Um unsere Forschungs­räumlich­keiten, die in die Klinik integriert sind, werden wir von vielen beneidet“, so der Klinikdirektor. Den Ärzten, die Forschung, Lehre und Patien­ten­ver­sorgung unter einen Hut bekommen müssen, wird die Arbeit erheblich dadurch erleichtert, dass sie nicht das Gebäude verlassen müssen. Klinik- und Laborflure befinden sich in direkter Nachbarschaft, was die Ab­stimmung mit Labor- und Klinikmitarbeitern erleichtert. Und Proben, die aus dem OP ins Zellkulturlabor gebracht werden müssen, sind in fünf Minuten am Ort ihrer Bestimmung, sodass die Wissenschaftler mit sehr frischem Material arbeiten können.

Text: Martina Häring, Fotos: Daniel Peter, Uniklinik

Integrales Konzept: Forschungsflur mit Laboren parallel zu den klinischen Räumen.

Professor Hagen operiert ein Akustikusneurinom mit höchster technischer Ausstattung.