Wiege der Neurochirurgie

Die Würzburger Neurochirurgie gehört zu den bundesweit führenden Kliniken in diesem Fachgebiet. Für Klinikdirektor Prof. Dr. Ralf-Ingo Ernestus sind hierfür besonders drei Faktoren entscheidend: exzellente Qualifikation, modernste Technologie undein hohes Maß an interdisziplinärer Zusammenarbeit.

Wiege der Neuro­chirurgie

Die Würzburger Neurochirurgie gehört zu den bundesweit führenden Kliniken in diesem Fachgebiet. Für Klinikdirektor Prof. Dr. Ralf-Ingo Ernestus sind hierfür besonders drei Faktoren entscheidend: exzellente Qualifikation, modernste Technologie undein hohes Maß an interdisziplinärer Zusammenarbeit.

50 Jahre Kopfklinik: Welche Bedeutung hat die Neurochirurgie in diesem Zeitraum erlangen können? Prof. Ernestus: Würzburg ist die „Wiege“ der deutschen Neurochirurgie – 1934 wurde hier die erste eigenständige Neurochirurgie unter der Leitung von Wilhelm Tönnis gegründet. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den Neurofächern ebenso wie mit der HNO- und Augenklinik innerhalb der Kopfklinik hat in den fünf Jahrzehnten seit ihrer Gründung ganz wesentlich zu einem national wie international hohen Ansehen unserer Klinik beigetragen.

Prof. Dr. Ralf-Ingo Ernestus

Wo steht die Neurochirurgie am UKW im bundesweiten Vergleich? Die Würzburger Neurochirurgie kann, bei aller gebotenen Bescheidenheit, sicher zu den bundesweit führenden Kliniken dieses Faches gezählt werden. Diese Einschätzung wird belegt durch eine kontinuierliche Leistungsausweitung in den letzten 10 Jahren, eine weit überregional sichtbare Schwerpunktbildung, die Etablierung modernster Technologien sowie ein hohes Maß an kooperativer Interdisziplinarität mit Einbindung der Neurochirurgie in verschiedene Zentrums- und Netzwerkstrukturen. Dies gilt nicht nur für die Krankenversorgung, sondern in gleicher Weise auch für Lehre und Forschung. Die klinisch-wissenschaftlichen Mitarbeiter besitzen eine exzellente Qualifikation und fachliche Expertise sowie eine ausgeprägte Innovationsbereitschaft. Darüber hinaus ist die tägliche Arbeit durch einen besonderen Teamgeist geprägt – die daraus für die Aus- und Weiterbildung resultierende Attraktivität der Klinik spiegelt sich wider in einer ungewöhnlich guten und sehr erfreulichen Bewerberlage.

Blick in einen Operationssaal der Neurochirurgie an der Kopfklinik.

Welche Schwerpunkte zeichnen die hiesige Neuro­chirurgie aus? Neben den beiden Sektionen Pädiatrische und Experimentelle Neurochirurgie liegen die besonderen Schwerpunkte im Bereich der Neuroonkologie einschließlich der interdisziplinären Schädelbasischirurgie, der neurovaskulären und der neurodegenerativen Erkrankungen, der Wirbelsäulenchirurgie sowie der Neurotraumatologie und Neurochirurgischen Intensivmedizin. Alle Schwerpunkte sind in zahlreiche Zentren und Netzwerke eingebunden. Welche Patienten werden hier behandelt? Zunächst einmal können alle Patienten mit operativ zu behandelnden Erkrankungen des zentralen und peripheren Nervensystems hier in Würzburg versorgt werden. Die Altersstufen reichen dabei vom Neugeborenen bis zum Greis. Bei den jüngsten Patienten hat Würzburg mit der Pädiatrischen Neurochirurgie in der Behandlung sowohl von Hirntumoren als auch von kraniofazialen Schädelfehlbildungen eine weit über die Region reichende Bedeutung. Alle anderen Schwerpunkte reichen bis in das hohe und höchste Lebensalter – wir haben uns mit dieser Schwerpunktbildung frühzeitig und in besonderer Weise auf die demografische Entwicklung eingestellt. Welche Operations­methoden setzen Sie bei Tumor­erkrankungen ein? Die operative Therapie von Hirntumoren schließt heute vielfältige und sehr verschiedene Techniken ein. Mikrochirurgie, Neuronavigation, intraoperative Sonografie und elektrophysiologisches Monitoring sind ein Standard, der nahezu bei jeder Operation zur Anwendung kommt. Diese Techniken werden nicht wie ein „Füllhorn über den Patienten ausgeschüttet“, sondern, ganz im Sinne der personalisierten Medizin, differenziert nach ihrem individuellen Nutzen eingesetzt. So kann z. B. ein hirneigener, infiltrierend wachsender und in einer wichtigen Hirnregion gelegener Tumor heute in einer „Wachoperation“ so weit entfernt werden, wie es die Funktionskontrolle bei dem während dieser Phase des Eingriffs wachen Patienten erlaubt. Daneben gehen verschiedene MRT- und PET-Bilddaten in die Operationsstrategie ein, die im Zusammenhang mit der elektrophysiologischen Funktionsüberwachung und der Fluoreszenzmikroskopie eine in Bezug auf den Tumor weitgehend radikale und hinsichtlich des Funktionserhalts zugleich möglichst schonende Tumorentfernung erlauben. Tumor-, Gefäß-, Wirbel­säulen­erkrankungen, Kinder­neuro­chirurgie – was gibt es Neues? Hier sind in der Zukunft Fortschritte durch robotergesteuerte Verfahren, z. B. in der Wirbelsäulenchirurgie, durch den fokussierten Ultraschall als wenig invasives Verfahren, z. B. bei Hirntumoren, neurodegenerativen und psychiatrischen Erkrankungen, sowie durch neue molekulare und immunologische Therapieansätze, z. B. durch den Einsatz sog. CAR-T-Zellen bei malignen Gliomen, zu erwarten. Gerade an solchen neuro­onko­lo­gischen Therapien arbeiten wir derzeit sowohl im klinikeigenen Tumorbiologischen Labor als auch in interdisziplinären Studien gemeinsam mit Onkologen, Neuroradiologen und Nuklearmedizinern. Die Kombination verschiedener Technologien eröffnet neue Therapiemöglichkeiten – daher planen wir für die Neurochirurgie in der neuen Kopfklinik auf dem Nordgelände zwei sogenannte Hybrid-Operationssäle, die u. a. den intraoperativen Einsatz von Kernspintomografie und Angiografie erlauben.

Text: Dr. Bernhard Rauh, Fotos: Daniel Peter, Thomas Hauss

Eröffnungsfeier der 70. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie 2019 im Kaisersaal der Residenz.