Arzt und Wissen­schaft­ler aus Passion

Am 31. Dezember endet Georg Ertls Amtszeit als Ärztlicher Direktor des UKW: Worauf er am meisten stolz ist, was er von Bier in Büchsen hält und warum ein Wissenschaftler nie in Rente geht.

Arzt und Wissen­schaftler aus Passion

Am 31. Dezember endet Georg Ertls Amtszeit als Ärztlicher Direktor des UKW: Worauf er am meisten stolz ist, was er von Bier in Büchsen hält und warum ein Wissenschaftler nie in Rente geht.

Dass Professoren „höhere“ Wesen seien, war bei der 68er-Generation keine beliebte Denkart. „Wir haben es unseren Lehrern oder Vorgesetzten nicht leicht gemacht“, erinnert sich Georg Ertl. Es war im „radikalen“ Jahr 1968, als Ertl in Mainz Medizin zu studieren begann. Sein Berufsziel war eigentlich, die väterliche Landarztpraxis zu übernehmen.

Fünf Jahre stand Georg Ertl nun an der Spitze des UKW. Am 31. Dezember endet seine Amtszeit als Ärztlicher Direktor des Klinikums. Was er als junger Mann auf dem Mainzer Campus erlebt hatte, prägte Ertl sein ganzes Leben. „Lehrmeinungen sind nicht in Stein gemeißelt, nur so geht es weiter in der Wissenschaft“, sagt der Medizinprofessor. Wichtig ist es ihm, mit Menschen, seien es Patienten oder Kollegen, offen und auf Augenhöhe zu kommunizieren. Das tut und tat der 70-jährige Internist und Kardiologe, was die Wissenschaft betrifft, die letzten Jahre im Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz (DZHI), denn hier wird sehr eng interdisziplinär kooperiert. Dass er dieses Zentrum zusammen mit Kollegen aus der Kardiologie, aber eben auch aus anderen Fachgebieten, in Würzburg aufbauen konnte, zählt zu Ertls größten Erfolgen. 2011 wurde das DZHI als gemeinsame Einrichtung von Universität und Universitätsklinikum eröffnet. Zweimal 50 Millionen Euro wurden für das Programm und das wunderschöne Gebäude vom Bund und Freistaat Bayern zur Verfügung gestellt.

Fast 40 Jahre ist es her, dass Ertl erstmals das UKW betrat: 1981 begann er in Würzburg seine Klinikerkarriere als wissenschaftlicher Assistent. Hinter ihm lag eine spannende Zeit. Er begann als reiner Grundlagenforscher an der Uni Düsseldorf, ging dann als Research Fellow an die Eliteuniversität Harvard im US-amerikanischen Boston. Aber: „Der ‚American Way of Live‘ war nicht mein Ding.“ Was er in Amerika zum Beispiel vermisst habe? Ertl schmunzelt: „Der geschmacklose Saft in Büchsen war für mich kein Bier, und deutsches Brot war auch nicht aufzutreiben.“

Klar war für Ertl da schon, dass er ein guter Arzt sein, sich aber immer auch wissenschaftlich betätigen wollte, die Pläne mit der väterlichen Praxis waren passé. Als Kardiologe spezialisierte er sich auf Herzprobleme. Dennoch blieb er immer auch noch ein bisschen Hausarzt, mit Interesse an der ganzen Medizin, am ganzen Menschen, auch als Forscher. So deckte Ertl unlängst in einer Schlüsselstudie auf, übrigens zusammen mit seiner Frau, Prof. Christiane Angermann, mit der er in letzten 20 Jahren auch in der Wissenschaft eng zusammengearbeitet hat, wie eng Herzinsuffizienz und psychische Probleme zusammenhängen. Am Anfang stand die Frage, ob man bei solchen Patienten die Lebenserwartung verbessern könne, indem man ihnen Antidepressiva verabreicht. Das Paar und ihre Mitarbeiter fanden schließlich heraus, dass sich die meisten Patienten körperlich und seelisch viel besser fühlten, wenn ihre Herzinsuffizienz optimal behandelt wurde. „Eine gute Therapie des körperlichen Leidens hilft auch der Seele. Klar, ohne die enge Kooperation mit unseren Psychiatern, allen voran Professor Jürgen Deckert, wäre das nicht gegangen.“ Kreativität, Engagement und Förderung Um Erfolg zu haben, müssen immer mehrere Umstände zusammenwirken. Es braucht Kreativität, Engagement und Kollegen, die fördern und kooperieren. Doch all das reicht oft nicht: Ob Karrieren erfolgreich verlaufen, hängt entscheidend auch davon ab, mit wem man es im Job zu tun hat. Er habe diesbezüglich viel Glück gehabt, gibt Ertl mit Blick auf die Anfänge seiner Karriere zu. So habe er als junger Oberarzt von seinem Chef Kurt Kochsiek weitgehend freie Hand bekommen: „Wissenschaftlich gesehen war das für mich die schönste Zeit.“ Ein ganzer Sonderforschungsbereich stammte damals aus seiner Feder. „Und dabei und später folgte eine ganze Serie von wundervollen Kollegen und Mitarbeitern, mit denen zusammen einige unserer Träume Wirklichkeit werden konnten.“ So ist Professor Ertl stolz auf eine große Zahl von Schülerinnen und Schülern, die in Deutschland, aber auch weltweit zu führenden Professoren wurden zum Beispiel in Oxford und kürzlich auch in Harvard, aber auch sein eigener Nachfolger in der Klinik, Professor Stefan Frantz ist sein Schüler. „Das macht natürlich riesig Freude, junge Leute von der Doktorarbeit bis zur Professur mit zu begleiten und zu sehen, wie sie meine Ideen von einer nicht kommerziell, sondern Patienten orientierten, umfassenden Medizin und Forschung weitertragen und entwickeln.“ Es spricht für sich, dass Ertl als Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie die Projektgruppen „Ethik in der Kardiologie“ und „Frauen und Familie in der Kardiologie“ gegründet hat.

In den vergangenen vier Jahrzehnten gab es für Ertl keine Fünftagewoche und keinen Achtstundentag: Der Mediziner ging in der Sorge um seine Patienten wie auch in seiner Wissenschaft auf. Gerade die letzten Monate waren für den Ärztlichen Direktor wegen der Corona-Pandemie turbulent. „Doch ich bin zum Glück stressresistent“, sagt Ertl und schaut kurz auf seinen Computer. Circa 120 Emails kamen in den letzten Stunden rein und sind noch ungelesen: „Es ist im Moment wirklich alles sehr viel.“

In puncto „COVID“ ist am UKW bisher alles gut abgelaufen, und das freut Ertl zum Abschied sehr: „In den letzten Monaten war es äußerst befriedigend, mit Stadt, Landkreis und Freistaat zusammenzuarbeiten und einem Klinikum vorzustehen, dessen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich bis an die eigenen Grenzen engagieren, wenn es um ihre Patienten geht. Für unser Klinikum kann ich versprechen, dass trotz Pandemie alle Patienten auf höchstem Niveau und sicher vor Ansteckung behandelt werden.“

So hektisch das Jahr 2020 auch war: Georg Ertl sehnt sich nicht nach Ruhe. Der Wissenschaftler wird sich zum Jahresende darum auch nicht in den Ruhestand verabschieden. „Es bleibt noch Einiges zu tun, wieder mehr Wissenschaft steht für mich ganz oben auf der Liste.“ Nachfolger Zum 1. Januar 2021 wird Prof. Dr. Jens Maschmann als neuer Ärztlicher Direktor des Uniklinikums Würzburg die Nachfolge von Prof. Dr. Georg Ertl antreten. Der Kinderarzt arbeitete bislang als Medizinischer Vorstand am Uniklinikum Jena.

Text: Pat Christ, Fotos: Daniel Peter

Drei Fragen an Georg Ertl

Was werden Sie aus dem Klinikalltag vermissen? Den Kaffee von Frau Bender, meiner Sekretärin. Auf was freuen Sie sich? Darauf, dass ich mehr selbstbestimmte Zeit haben werde. Würden Sie noch einmal Mediziner werden? Auf jeden Fall, denn das ist der schönste Beruf, einen schöneren gibt es nicht.

Foto: Prof. Georg Ertl beim Stadtradeln in der Würzburger Innenstadt.