Stärken Sie Ihre geheime Superkraft!

Seit Monaten beherrscht das Corona-Management unser Leben. Nach einem glimpflichen Sommer schauen viele mit gemischten Gefühlen auf den Corona-Winter. Die Professoren Jürgen Deckert und Marcel Romanos erklären, was die Psyche widerstandsfähiger macht, weshalb Jugendliche besser sind als ihr Ruf und warum mehr Computerspielzeit jetzt gar nicht so doof ist.

Professor Jürgen Deckert

Wie viel Angst vor Corona gesund ist. Eine gesunde Angst schützt vor Gefahren. Wer sich an die AHAAL-Regeln (Abstand, Hygiene, Alltagsmasken, App, Lüften) hält, ist von einem gesunden, vorsichtigen Verhalten geleitet. Wer aber so große Angst hat, dass er das Haus nicht mehr verlassen möchte, ist in seinem Leben gelähmt. Auch andere Abwehrmechanismen von Angst wie Leugnen oder Aggression sind in der Bewältigung der Situation nicht hilfreich.

Unter den Angstpatienten gibt es zurzeit zwei Gruppen: Die Menschen, die schon vor der Pandemie von Angsterkrankungen betroffen waren und die, die jetzt in der aktuellen Situation Erschöpfung und Demoralisierung erleben und infolgedessen Angsterkrankungen entwickeln können. Wer schon länger daran oder an einer Depression leidet, sollte jetzt therapeutisch optimal eingestellt sein. Welche Therapien sich bewährt haben. Die kognitive (von lat. cognoscere = erkennen) Verhaltenstherapie ist der Königsweg. Es geht darum, sich über seine Gedanken, Erwartungen und Ängste klar zu werden, um falsche und belastende Überzeugungen zu erkennen und zu verändern. Hierbei kann auch die Expositionstherapie helfen: Da es wichtig ist, angstbesetzte Situationen nicht zu meiden, lernen Patienten gefürchtete Situationen durchzustehen und sammeln positive Erfahrungen. Manchmal sind auch gut wirksame und erforschte Antidepressiva nötig, um eine Verhaltenstherapie zu ermöglichen. Positives Mindset für einen langen Corona-Winter. Krisen gehören zum Leben dazu. Sich über das Virus schlau machen, die Fakten einordnen und sich bewusst machen, dass eine Pandemie endlich ist, hilft, die Situation zu akzeptieren und mit ihr umzugehen. Das Virus ist im Vergleich zum Grippevirus problematisch, weil erst eine Impfung entwickelt werden muss. Aber es ist bekannt, wie man bis dato damit umgehen kann: AHAAL-Regeln einhalten und Beschränkungen einhalten. Allen ist bewusst, dass 2020 für alle ein schwieriges Jahr war: gesundheitlich, sozial, existenziell. Aber man darf und soll sich bewusst machen, dass auch positive Dinge passiert sind: privat wie im öffentlichen Leben. Und: Wissenschaftler auf der ganzen Welt arbeiten gemeinsam am Impfziel. Das hat es so noch nie gegeben. Resilienz – die geheime Superkraft. Für eine hohe Resilienz (psychische Widerstandskraft) sind zwei Aspekte entscheidend: Lebensgeschichte und Veranlagung. Wer im bisherigen Leben die Erfahrung gemacht hat, dass er mit Krisen (Krankheit, Schicksalsschläge) gut umgehen und ein gesundes Selbstbewusstsein aufbauen konnte, der fühlt sich eher gewappnet. Die gute Nachricht: Resilienz lässt sich aufbauen durch

  • selbstbewusst und optimistisch sein
  • Situation akzeptieren
  • Lösungen suchen statt Probleme beklagen
  • Opferrolle verlassen
  • Verantwortung übernehmen
  • Netzwerk aufbauen und pflegen
  • Zukunft planen

Welche Corona-Erklärungen Kinder brauchen. Nach so vielen Monaten Corona haben die Kinder schon einiges an Wissen. Die AHAAL-Regeln halten sie in der Regel besser als mancher Erwachsene ein. Kinder sind da sehr pragmatisch. Wenn sie Fragen haben, ernst nehmen, altersgerecht erklären und nicht verharmlosen. Eltern und Kindern einen Lockdown erträglich machen. Schlechte Laune nicht wegdrücken, sondern ansprechen. Wenn Kinder ihre Freunde vermissen: Regelmäßige Aktivitäten im Freien, gemeinsames Spielen, Backen, (Weihnachts-)Basteln, Filme schauen und die digitalen Medien können für Abwechslung sorgen. Mit Hilfe von Videotelefonie, Lernapps oder Computerspielen sind Freunde nur einen Mausklick entfernt. Zu den Risikogruppen gehören eindeutig Kinder, die isoliert in Familien mit Alkoholproblemen oder psychischen Erkrankungen leben. Da können Beratungsstellen („Beratungsstelle Psyche Würzburg“ googeln!) oder der Hausarzt helfen, die die Familie zu den therapeutischen Spezialisten verweisen können. Die besondere Situation der Jugendlichen. Jugendliche leben eigentlich in einer Phase, in der sie sich vom Elternhaus emotional stärker ablösen. Sie gestalten ihre Freizeit selbst, sind in Gruppen oder Vereinen unterwegs. Nach einem tollen „Frischluft-Sommer“ kommt jetzt der „Geschlossene-Räume-Winter“, bei dem mehr Beschränkungen nötig sind. Das kann einerseits als Entschleunigung gesehen werden, aber auch unglücklich machen. Dann hilft es, die Frustration anzuerkennen und zu schauen, was dem Jugendlichen genau fehlt: der beste Freund, der Klassenverband, die Großeltern oder Aktivitäten außer Haus. Lösungen können sein: 1:1-Treffen an der frischen Luft oder drinnen mit Maske, Chats oder Videokonferenzen mit der Gruppe und Familienangehörigen. Auch Computerspieler, die währenddessen über Discord (Online-Kommunikationstool) kommunizieren, erleben Gemeinschaft.

Trotz allem erkennen viele Jugendliche die Problemfelder der Gesellschaft, solidarisieren sich und gehen für ihre Überzeugung auch auf die Straße (z. B. Fridays for Future). Für sie ist es in Ordnung zurückzustecken, wenn damit der Gemeinschaft geholfen ist.

Text: Anke Faust, Fotos: Getty Images, Daniel Peter

Kinder halten sich gut an die Regeln.

Professor Marcel Romanos

12 goldene Corona-Winter-Regeln: Was Sie für sich selbst tun können

1. Sich informieren. Fakten, statt Bauchgefühl: Wie kann ich mich schützen, was hilft. 2. Aktuelle Situation akzeptieren, AHAAL-Regeln einhalten. 3. Corona-Nachrichten: Nur einmal pro Tag, keine Dauerbeschallung. 4. Positive Nachrichten sammeln (gerne auch Tagebuch dazu führen). 5. Positiv denken: Statt „Das geht jetzt alles nicht mehr“ -> Was ist möglich?! 6. „Physical distancing“ ja, aber soziale Kontakte pflegen: Spaziergänge zu zweit in der Natur, virtuelle Treffs, Telefonate, Briefe, Gespräche über den Gartenzaun, „Fensterln“ im Seniorenheim usw. 7. Gesund ernähren -> stärkt Immunsystem -> stärkt psychische Gesundheit.

8. In Bewegung bleiben: Sport im Freien oder zu Hause (CDs, You Tube etc.) 9. Grübeleien stoppen: Was man in ein bis zwei Stunden nicht gelöst hat, auf den nächsten Tag verschieben. 10. Selbstwirksam handeln: Einen Impfstoff kann ich nicht entwickeln, aber ich kann eine Maske tragen, um mich und andere aktuell zu schützen. 11. Konflikte ansprechen. Höflich, aber bestimmt Ich-Botschaften nutzen: z. B. Ich fühle mich sicherer, wenn du auch eine Maske trägst. An Solidarität appellieren. Empathie spiegeln: Das hilft uns allen. Die eigene Freiheit hört da auf, wo sie dem anderen schadet. 12. Aktuelle Situation einordnen: Das ist jetzt eine harte Zeit, aber sie wird nicht das ganze Leben dauern.