Maß­ge­fertigte Präparate

Das Uniklinikum Würzburg betreibt seit 70 Jahren eine eigene Apotheke.

Die Leiterin der Apotheke Dr. Mareike Kunkel und der ehemalige Leiter Dr. Johann Schurz.

Eigentlich könnte es die Apotheke des Uniklinikums Würzburg (UKW) schon seit fast 100 Jahren geben, denn schon in den Planungen des im Jahr 1921 in Betrieb gegangenen Luitpoldkrankenhauses in Grombühl war eine solche Einrichtung vorgesehen. „Allerdings wurden die dafür vorgesehenen Räume damals anderweitig vergeben. Stattdessen versorgten in den anschließenden Jahrzehnten öffentliche Apotheken das Krankenhaus mit Medikamenten“, berichtet Dr. Johann Schurz, der die Klinikapotheke des UKW von 1994 bis Ende 2015 leitete und sich intensiv mit deren Geschichte beschäftigt. Start mit fünf Kräften Zum Jahresbeginn 1950 wurde die eigene Betriebserlaubnis erteilt und die Apotheke startete im Gebäude D2 im heutigen Klinikumsaltgelände an der Josef-Schneider-Straße. Gerade mal 210 Quadratmeter Betriebsfläche standen zur Verfügung. Bereits in den Anfangsjahren wurde eine Sterilabteilung aufgebaut, um die Kliniken mit selbst hergestellten sterilen Infusionslösungen zu versorgen. Zu Beginn der 1980er Jahre belegte die Klinikapotheke nach einem Komplettumbau vier Ebenen des Gebäudes und verfügte über rund 1200 Quadratmeter. Dort war es unter anderem möglich, gerade patentfrei gewordene, kleinvolumige Lösungen mit Wirkstoffen in größeren Chargen mit enormen wirtschaftlichen Vorteilen zu produzieren. Kaum jemand ahnte, wie wertvoll das damals erworbene Know-how in der aktuellen Corona-Krise für die Routine- und Spezialversorgung werden sollte.

Als organisatorische Weiterentwicklung wurde 1981 außerdem die Arzneimittelkommission ins Leben gerufen. Sie kümmert sich seither um eine sinnvolle Auswahl und den rationellen Einsatz der am UKW angebotenen Arzneistoffe. Seit 2002 eigene Chemotherapeutika-Herstellung „Ein wichtiger Schritt in Richtung Qualität und Wirtschaftlichkeit war die Eröffnung der Zytostatika-Abteilung im Jahr 2002“, schildert Dr. Schurz und fährt fort: „Seit diesem Zeitpunkt ist die Apotheke in der Lage, Krebspatienten des Klinikums mit individuell dosierten und unter Reinraumbedingungen hergestellten Chemotherapeutika zu versorgen.“

Als weitere essentielle Erweiterung des Leistungsspektrums ist die seit 2011 mögliche eigene Herstellung von klinischen Ernährungslösungen zu werten. Die aseptisch im Gebäude D5 gefertigten Produkte dienen der patientenindividuellen Versorgung von Früh- und Neugeborenen sowie Kindern mit Krebserkrankungen, die anderweitig nicht ausreichend ernährt werden können. 2014: Umzug in die Aumühle Als auch wieder mehr Platz nötig war, zog ein Großteil der Klinikapotheke in den Jahren 2014 und 2015 in den ersten Stock des UKW-Zentrallagers im nahegelegenen Würzburger Industriegebiet Aumühle um. Seither ist dort ein halbautomatisches Kommissionierungssystem im Einsatz, das hilft, menschliche Zuordnungsfehler zu minimieren. Nach der Logistik wurde auch die Arzneimittelproduktion in die Innere Aumühlstraße verlagert. Die Klinikapotheke stellt für die Kliniken des UKW vor allem Medikamente her, die von der Pharmaindustrie nicht angeboten werden. Außerdem überbrückt sie – sofern technisch realisierbar – Lieferengpässe. Viele Präparate werden je nach den Bedürfnissen des einzelnen Patienten „maßgefertigt“.

Nur die Herstellung von Zytostatika und der parenteralen Ernährung, wie auch das Infusionslager im Zentrum für Operative Medizin verblieben bis heute an den alten Standorten. Heute: Ein immenses Produktportfolio Nachdem Dr. Schurz Ende 2015 in den Ruhestand ging, übernahm im Jahr 2016 Dr. Mareike Kunkel die Führung der Apotheke. Im Vergleich zu den bescheidenen Anfängen führt sie ein veritables „Unternehmen“ mit fast 70 Mitarbeitern. „Unser Lager verwaltet rund 2200 Produkte von Firmen, während wir viele weitere Arzneimittel – von Kapseln über Salben und Nasentropfen bis zu Infusionslösungen – selbst herstellen“, beschreibt Dr. Kunkel.

Besonders gefordert wurden die Apothekenleiterin und ihr Team durch die erste Welle der Corona-Pandemie in diesem Frühjahr. „Durch die Pandemie verdreifachte sich am UKW – wie auch weltweit – der Verbrauch an Arzneimitteln für die Sedierung von beatmeten, intensivpflichtigen Patienten“, erläutert Dr. Kunkel und fährt fort: „Dadurch kam es zu massiven Engpässen. Hier zahlte sich unter anderem unsere gut aufgestellte Sterilherstellung aus, mit der wir bestimmte Infusionen für unsere Intensivstationen standardmäßig selbst herstellen. Im Großen und Ganzen waren wir auch in diesen schwierigen Zeiten zum Glück immer Herr der Lage.“

Neben der Medikamentenversorgung erfüllt die Klinikapotheke des UKW viele weitere Aufgaben. Beispielsweise betreibt sie seit 2003 eine von drei Arzneimittelinformationsstellen der Bayerischen Landesapothekerkammer im Freistaat. Zukunftspläne für Gebäude und Logistik Für die zukünftige Entwicklung der Klinikapotheke hat Dr. Kunkel schon eine ganze Reihe von Plänen auf dem Tisch. So laufen nach ihren Worten intensive Planungen für ein neues Gebäude in Modulbauweise für die aseptische und patientenindividuelle Zubereitung von Zytostatika- und parenteralen Ernährungslösungen. „Was die Arzneimittellogistik angeht, wollen wir in der Zukunft ein sogenanntes Unit-Dose-System einführen“, kündigt die Apotheken-Chefin an. Darunter versteht man ein Konzept, bei dem auch Tabletten und Kapseln maschinell in der Klinikapotheke patientenindividuell zusammengestellt und direkt an die Stationen geliefert werden. Diese Verfahren verspricht eine weitere Verbesserung in der Arzneimitteltherapiesicherheit.

Texte: Uniklinik, Foto: Daniel Peter