Trendthema Impfen

Saisonale Impfungen, neue Impfangebote, Impfpflicht, Impfkritiker – auch ohne die kommende Corona-Impfung steht das Thema Impfen schon seit einiger Zeit im Fokus der öff entlichen Aufmerksamkeit. Auf den folgenden Seiten beleuchten Expert*innen des Uniklinikums Würzburg (UKW) einige wissenswerte Aspekte.

Auf aktuell höchstes Interesse stoßen in diesem Zusammenhang selbstverständlich die geplanten Impfungen gegen das Covid-19-Virus. Im Interview beantworten Prof. Dr. Ulrich Vogel, der Leiter der Stabsstelle Krankenhaushygiene, und Julia Weimert, die administrative Koordinatorin des geplanten Impfzentrums UKW, einige der zentralen Fragen dazu aus Sicht des Uniklinikums Würzburg.

Welche Corona-Impfstoffe stehen aktuell unmittelbar vor der Nutzbarkeit? Welche Wirkmechanismen und Eigenschaften haben diese? Prof. Ulrich Vogel: Insgesamt befinden sich 73 Impfstoff kandidaten in der klinischen Erprobung, 16 davon in Phase 3-Studien, die an zehntausenden Probanden vorgenommen werden. Die Phase 3-Studien haben unter anderem das Ziel, die Schutzwirkung der Impfstoff e zu untersuchen. Alle Impfstoffe durchlaufen aber auch die üblichen ersten beiden Phasen der klinischen Testung. Die Firmen Moderna und Pfizer/ BioN Tech haben Impfstoffe entwickelt, die auf dem Botenstoff -RNA beruhen. Dieser Botenstoff dient Zellen als Matrize für die Herstellung von Eiweißstoff en. Die RNA ist in den Impfstoff en so verpackt, dass sie am Ort der Injektion in die Muskelzellen eintreten kann. Die Muskelzellen können dann das Virusprotein bilden – und zwar so lange, bis die RNA natürlich degradiert wird und nicht mehr nachweisbar ist. Es wird keine RNA in die Erbsubstanz der Zellen eingebaut. Das Virusprotein regt das Immunsystem zu einer gezielten Immunantwort an. Die Antikörper und Abwehrzellen bewirken nach Angaben der Hersteller in den bisherigen klinischen Studien einen über 90-prozentigen Schutz der Probanden vor Covid-19, auch in hohen Altersgruppen. Neben mRNA-Impfstoff en werden sogenannte Adenovirus-Vektorimpfstoffe erprobt, die ebenfalls gute Chancen auf Zulassung haben. Adenoviren sind Erkältungsviren. Sie wurden so verändert, dass sie sich nicht mehr vermehren können, dass aber die Coronavirus- Erbsubstanz, die sie tragen, zur Ausbildung einer Immunantwort genutzt werden kann. Ihr Vorteil ist die leichtere Herstellung. Zudem müssen sie nicht – wie die RNA-Impfstoffe – bei –70 °C gelagert werden.

Ist jeder Impfstoff für jede*n Empfänger*in gleichermaßen geeignet? Prof. Vogel: Derzeit sieht es so aus, dass beim Impfstoff von Pfizer und BioNTech auch bei alten Menschen ein gutes Ansprechen zu erwarten ist. Da nicht mit vermehrungsfähigen Viren gearbeitet wird, sind Risiken für stark abwehrgeschwächte Patienten nicht zu erwarten, Daten liegen aber nicht vor. Wie aber gerade solche Patientengruppen in der Lage sein werden, eine robuste Immunantwort aufzubauen, ist nicht bekannt. Die Phase 3-Studie von Pfizer und BioNTech wurde erst in der zweiten Dezemberwoche veröffentlicht.

Wie beurteilt das UKW die möglichen Nebenwirkungen und die Langzeitrisiken bei diesen doch sehr schnell auf den Markt gebrachten Substanzen? Prof. Vogel: Das UKW vertraut natürlich den Expertinnen und Experten der Zulassungsbehörden bei ihrer Einschätzung. Auch wenn die klinischen Studien in ­Rekordgeschwindigkeit durchgeführt werden – was angesichts der globalen Krise auch notwendig ist – sind die bisher durchgeführten klinischen Studien sehr robust, da sehr viele Probanden eingeschlossen wurden. Auch bei anderen Impfungen erfolgt die Marktzu­lassung nach abgeschlossenen Phase 3-Studien. Selbstverständlich gilt es, wie bei früheren Impfstoffeinführungen, alle Nebenwirkungen in der Massenanwendung sorgfältig zu beobachten und zu verfolgen. Dies erfolgt im Rahmen der üblichen Überwachung nach Markteinführung. Die schnellen Zulassungen in Großbritannien und jetzt auch in Kanada und den USA werden die Datenmengen rasch anwachsen lassen. Wann rechnet das UKW mit der Verfügbarkeit des/der ersten Corona-Impfstoff/e in Würzburg? Prof. Vogel: Die Prüfung der Anträge auf bedingte Zulassung bei der Europäischen Arzneimittelbehörde ist für den ersten Impfstoff angelaufen. Die EMA wird diese Prüfung bis zum 21. Dezember 2020 abschließen. Wenn die Zu­lassung erfolgt ist, wird die Verteilung der produzierten Impfstoffe durch die Bundesländer entscheidend sein. Nach unserer Einschätzung ist frühestens zum Jahreswechsel 2020/21 mit einem Beginn der Impfungen zu rechnen. Werden die Beschäftigten des UKW als systemrelevante Einrichtung des Gesundheitssystem Vorrang bei der Ausgabe der Impfstoffe gegenüber der restlichen Bevölkerung haben? Julia Weimert: Je nach Verfügbarkeit sollen zunächst Beschäftigte in den Gesundheitsberufen und Risikokollektive geimpft werden. Die Beschäftigten von Krankenhäusern sollen an der Arbeitsstelle geimpft werden, um eine schnelle Durchimpfung dieser Risikogruppe zu ermöglichen. Bewohner*innen von Alters- und Pflegeheimen können von mobilen Impftrupps geimpft werden. Die Allgemeinbevölkerung wird dann in den großen zentralen Impfzentren der Kreisverwaltungsbehörden geimpft.

Unsere Interviewpartner: Prof. Dr. Ulrich Vogel, der Leiter der Stabsstelle Krankenhaushygiene, und Julia Weimert, die administrative Koordinatorin des geplanten Impfzentrums UKW.

Wird es Prioritäten bei der Impfung innerhalb verschiedener Bereiche oder Berufsgruppen des UKW geben? Weimert: Ja, es findet – angelehnt an die Empfehlung der Ständigen Impfkommission – eine Priorisierung nach Einsatzort und Berufsgruppe statt. Ob diese Priorisierung tatsächlich zum Tragen kommt, hängt von der Menge des Impfstoffs ab, die uns am UKW zur Verfügung steht. Wir bauen unsere Infrastruktur jedenfalls so auf, dass wir ausreichend Termine anbieten können, um alle Impfwilligen baldmöglichst zu ­impfen. Wie wird die klinikumsinterne Impfung logistisch organisiert? Weimert: Am UKW werden im 1. Quartal 2021 in verschiedenen Gebäudekomplexen dezentrale Impfstellen für Beschäftigte eingerichtet, die im tage­weisen Wechsel öffnen. Diese Stellen werden mit einem mobilen Impfteam besetzt. Parallel wird der Betriebsarzt Termine zur Impfung anbieten. Wird es eine Verpflichtung der Klinikumsbeschäftigten zur Impfung geben? Weimert: Nein, die Impfung ist freiwillig. Welche überwiegenden Reaktionen erwartet das Klinikum von Seiten der Beschäftigten auf das Angebot zur Covid-19-Impfung? Weimert: Wir haben Anfang Dezember eine Umfrage zur Impfbereitschaft unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durchgeführt. Daran haben sich etwa 1.600 Beschäftigte mit PC-Zugang sowie weitere 600 Kolleginnen und Kollegen ohne PC-Zugang beteiligt. Bei den Beschäftigten mit PC-Zugang sind gut 78 Prozent grundsätzlich bereit, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen. Rund 60 Prozent würden sich impfen lassen, sobald ein Impfstoff verfügbar ist. 40 Prozent möchten lieber noch etwas warten. Diese Zahlen liegen bei den Beschäftigten ohne PC-Zugang etwas niedriger: 50 Prozent signalisierten eine grundsätzliche Impfbereitschaft; davon würde sich etwa die Hälfte sofort impfen lassen. Wie wird sich das UKW bei der Covid-19-Impfung nach außen positionieren? Wird es – ähnlich wie bei der Corona-Testung – auch ein Impfzentrum für die Bevölkerung installieren? Weimert: Das ist derzeit noch offen. Es ist vorstellbar, dass wir unsere Strukturen und Kapazitäten nach der Impfung unserer Beschäftigten für anderen definierte Teile der Bevölkerung, wie zum Beispiel Behörden oder der Würzburger Universität, zur Verfügung stellen, wenn der Bedarf besteht.

Der bisherige Verlauf hat gezeigt, dass sich Situationen während der Corona-Pandemie sehr schnell ändern können. Die Antworten des Interviews beruhen auf dem Informationsstand vom 16. Dezember 2020.