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Gestärkte Immunzellen für den Kampf gegen Krebs

Sabrina Prommersberger erhält Förderung der DKMS, um die CAR-T-Zelltherapie zu optimieren

Dr. Sabrina Prommersberger untersucht am Uniklinikum Würzburg mit finanzieller Unterstützung des John Hansen Research Grant der DKMS, wie sich mit dem Einsatz des Medikaments Dasatinib die Car-T-Zelltherapie optimieren lässt. ©Kirstin Linkamp

“Leveraging dasatinib as an ON/OFF switch for SLAMF7 CAR T cells to prevent fratricide and exhaustion and augment anti-myeloma potency”. So lautet der Antrag, mit dem sich Dr. Sabrina Prommersberger vom Universitätsklinikum Würzburg (UKW) bei der Stammzellenspenderdatei DKMS um den John Hansen Research Grant beworben hat. Mit Erfolg. Das Medical Council der DKMS Stiftung Leben Spenden hat dem Projekt viel Potential eingeräumt, dem Förderziel des Forschungspreises zu entsprechen und den Kampf gegen Blutkrebs nachhaltig und wirksam voranzubringen. Sabrina Prommersberger erhält für die nächsten drei Jahre ein Preisgeld von insgesamt 240.000 Euro. Ihr Projekt ist gesichert. Sie wird den Einsatz des Medikaments Dasatinib als EIN/AUS-Schalter für SLAMF7-CAR-T-Zellen nutzen, um zu verhindern, dass die T-Zellen, die eigentlich darauf trainiert sind Krebszellen zu erkennen, frühzeitig ermüden und ihre Arbeit einstellen, bevor sie alle Krebszellen abgeräumt haben.   

Immunzellen werden im Labor für Kampf gegen Krebszellen gerüstet

Die 36-jährige Biologin arbeitet seit sechs Jahren in der AG Hudecek der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des UKW. Klinikdirektor Professor Dr. Hermann Einsele gilt als Pionier in der zellulären Immuntherapie. Vor zehn Jahren holte er Professor Dr. Michael Hudecek an Bord, der sich auf dem Gebiet der CAR-T-Zell-Forschung weltweit einen Namen gemacht hat. „Die CAR-T-Zelltherapie ist eine der vielversprechendsten immuntherapeutischen Ansätze für die Behandlung von Krebserkrankungen, die das blutbildende System betreffen, in der Fachsprache hämatologischen Malignome genannt“, berichtet Sabrina Prommersberger.  „Wir entnehmen aus dem Blut der Patientinnen und Patienten T-Zellen. Das sind weiße Blutkörperchen, die der Immunabwehr dienen. Damit sie auch Krebszellen erkennen und bekämpfen können, verändern wir sie gentechnologisch. Das heißt, wir statten sie im Labor mit künstlichen auf die entsprechende Krebsart zugeschnittenen Rezeptoren aus, sogenannte Chimäre Antigen Rezeptoren, kurz CAR.“ Anschließend werden die „scharf gestellten“ T-Zellen den Patienten über eine Infusion wieder zugeführt. Mithilfe des spezifischen Oberflächenmarkers können die CAR-T-Zellen die Tumorzellen im Körper aufspüren und zerstören. Das bekannteste Beispiel sind CD19-CAR-T-Zellen, die zur Behandlung von B-Zell-Leukämie und Lymphomen eingesetzt werden.

SLAMF7-CAR-T-Zellen zur Behandlung des Multiplen Myeloms

Die AG Hudecek untersucht mit inzwischen 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verschiedene CAR-T-Zellen, darunter auch solche, die den Oberflächenmarker SLAMF7 erkennen. Dieser ist auf bösartigen Knochenmarkszellen beim Multiplen Myelom zu finden. Das Multiple Myelom ist eine bösartige Erkrankung der Plasmazellen im Knochenmark. Sabrina Prommersberger und ihre Kolleginnen und Kollegen haben die SLAMF7-spezfischen CAR-T-Zellen intensiv untersucht und verbessert. Sie haben geprüft, ob sie fähig sind, Myelomzellen zu bekämpfen und ob sie schwerwiegende Nebenwirkungen hervorrufen könnten. Nach mehrjähriger präklinischer Forschung werden die SLAMF7-CAR-T-Zellen nun der klinischen CARAMBA-Studie getestet. „In der CARAMBA-Studie untersuchen wir derzeit gemeinsam mit Partnern aus sechs europäischen Ländern die Anwendung von SLAMF7-CAR-T-Zellen bei Patienten mit fortgeschrittenem Multiplen Myelom, bei denen konventionelle Therapien dieser bösartigen Erkrankung der Plasmazellen im Knochenmark ausgeschöpft sind“, erläutert Michael Hudecek, der die von der Europäischen Union im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon 2020 unterstützten Studie leitet.

Die Herausforderung: Erschöpfung der CAR-T-Zellen beim schnellen Abräumen der Krebszellen

„Mein Projekt baut auf den Erfahrungen der CARAMBA Studie und dem klinischen Einsatz von CD19-CAR-T-Zellen zur Bekämpfung von Leukämien und Lymphomen auf: Die CAR-T-Zellen sind häufig so sehr mit der Zerstörung der Krebszellen beschäftigt, dass sie sich verausgaben und nach der Verabreichung an den Patienten einen Erschöpfungszustand eintritt.“ Wie lassen sich also bessere Rahmenbedingungen für die Zellen schaffen? Der Proteinkinasehemmer Dasatinib könnte eine Lösung sein. Vorarbeiten von Dr. Katrin Mestermann aus der Arbeitsgruppe Hudecek haben gezeigt, dass das Medikament, das oft zur Behandlung einer chronischen myeloischen und akuten lymphatischen Leukämie zum Einsatz kommt, die Funktion der CAR-T-Zellen wie ein EIN/AUS-Schalter steuern kann. Den CAR-T-Zellen wird somit in regelmäßigen Abständen eine – kurze – Pause vom Abräumen der Krebszellen verschafft.

Kleine Pausen erhöhen signifikant die Gesamtwirkung von CAR-T-Zellen gegen Krebs

„Diese Pausentaste möchten und können wir dank der Förderung der DKMS nun genauer untersuchen“, sagt Sabrina Prommersberger zuversichtlich. „Zunächst einmal werden wir testen, ob die Zugabe von Dasatinib bei der Herstellung der SLAMF7-CAR-T-Zellen, ihre Qualität und Quantität beeinflusst. Anschließend werden wir in präklinischen Modellen testen, ob Dasatinib die Wirksamkeit der CAR-T-Zellen erhöht. Unterm Strich stellt sich die Frage: Kann Dasatinib das Wachstum der CAR-T-Zellen verbessern und ihre Fitness erhöhen? Und: Lässt sich der Ansatz auch auf andere CAR-T-Zellarten übertragen?“

Michael Hudecek fügt hinzu: „Die Möglichkeit, CAR-T-Zellen mit einem AN/AUS Schalter zu steuern ist ein bahnbrechendes aber auch sehr praxisnahes neues Konzept, denn die Medikamente, die wir als AN/AUS Schalter einsetzen sind klinisch verfügbar, preiswert und sehr gut verträglich. Wir hoffen sehr, dass wir durch diese Untersuchungen die CAR-T-Zell-Therapie noch wirksamer, sicherer und zugänglicher machen können.“ 

#WomenInScience am UKW

Sabrina Prommersberger ist Naturwissenschaftlerin mit Leib und Seele. Warum der Fränkin der translationale Forschungsansatz am Uniklinikum so gut gefällt, und wie sich ihrer Meinung nach Frauen in der Forschung besser durchsetzen können ist hier zu lesen.

Über die DKMS

Die DKMS ist bekannt als weltweit größte Stammzellspenderdatei. Mit verschiedenen Forschungsprogrammen setzt sie sich aber auch dafür ein, den medizinischen Fortschritt in diesem Bereich voranzutreiben. Ein wichtiger Baustein ist dabei die Nachwuchsförderung: Die John Hansen Research Grants gehen jedes Jahr an bis zu vier talentierte Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler. Dotiert sind die Grants mit 240.000 Euro je Preisträger, verteilt auf einen Zeitraum von drei Jahren. Voraussetzung für die Bewerbung ist unter anderem ein Doktorgrad, dessen Erreichung höchstens acht Jahre zurückliegen darf. Das Forschungsgebiet des einzureichenden Projekts soll in den Bereichen Stammzelltransplantation und Zelltherapie liegen und zum Ziel haben, den Kampf gegen Blutkrebs nachhaltig und wirksam zu unterstützen und voranzubringen. Alle Anträge werden anhand eines standardisierten Kriterienkatalogs geprüft. Vier unabhängige Experten bewerten die Bewerbungen vor, anschließend folgt eine Gruppendiskussion über die in die engere Wahl gekommenen Bewerbungen durch Mitglieder des DKMS Medical Council.

 

Pressemitteilung der DKMS

Informationen zur CARAMBA-Studie unter www.caramba-cart.eu

Wie Darmbakterien zum Kampf gegen Krebs beitragen

Maik Luu erhält für seine Forschung zu Stoffwechselprodukten von Darmbakterien, die Immunzellen effizienter für die Vernichtung von Krebszellen machen, ein Stipendium der Universität Würzburg und der Novartis Stiftung für therapeutische Forschung.

Prof. Dr. Matthias Frosch, Dekan der Medizinischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg überreicht Dr. Maik Luu das Graduiertenstipendium der Stiftung für therapeutische Forschung. © Margot Rössler/UKW
Prof. Dr. Matthias Frosch, Dekan der Medizinischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg überreicht Dr. Maik Luu das Graduiertenstipendium der Stiftung für therapeutische Forschung. © Margot Rössler/UKW

Drei Jahre lang durfte die Medizinische Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg jährlich eine junge Wissenschaftlerin oder einen Wissenschaftler für das Graduiertenstipendium der Novartis Stiftung für therapeutische Forschung nominieren. Nach Dr. Lisa Rauschenberger, die neurologischeBewegungsstörungen erforscht, und Dr. Florian Kleefeldt, der die Altersbedingte Gefäßverkalkung untersucht, darf sich nun Dr. Maik Luu über die mit 8.000 Euro dotierte Auszeichnung freuen.

Der Postdoc im Labor von Professor Michael Hudecek in der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des Würzburger Universitätsklinikums hat im vergangenen Jahr mit einer herausragenden Publikation in der Fachzeitschrift Nature Communications auf seine Arbeit aufmerksam gemacht. Mit einem Forschungsteam aus Würzburg und Marburg, wo der Humanbiologe studiert und gearbeitet hat, ist ihm erstmals der experimentelle Nachweis gelungen, dass bestimmte Stoffwechselprodukte von Darmbakterien die Aktivität der Immunzellen steigern und somit die Effizienz von Krebstherapien positiv beeinflussen. 

Fettsäuren steigern Aktivität der Immunzellen

Seit der Jahrtausendwende rücken die Billionen von Bakterien, die jeder Mensch im Darm hat, immer stärker in den Fokus der Medizinforschung. Denn sie beeinflussen nicht nur die Verdauung, das Darmmikrobiom kann auch Krankheiten verhindern. So produziert zum Beispiel das Bakterium Megasphaera massiliensis im menschlichen Verdauungstrakt die kurzkettige Fettsäure Pentanoat, wie Maik Luu herausgefunden hat. Und die ist in der Lage, die zytotoxische Aktivität von CD8-T-Zellen zu steigern. CD8-T-Zellen haben ähnlich wie CAR-T-Zellen als Teil des Immunsystems die Aufgabe, schädliche Zellen auszuschalten.

Luu konnte im Experiment zeigen, dass eine Behandlung mit der Fettsäure Pentanoat die Fähigkeit von Tumor-spezifischen T-Zellen verbessert hat, solide Tumormodelle zu bekämpfen. „Diese Erkenntnis kann helfen, verschiedene Krebstherapien noch wirksamer zu machen“, kommentiert Prof. Matthias Frosch, Dekan der Medizinischen Fakultät, Luus Nominierung.

„Ich freue mich sehr, dass wir in Würzburg so überragend begabte Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler wie Maik Luu haben, die dazu beitragen, mit der permanenten Weiterentwicklung von Immuntherapien den Kampf gegen Krebs zu verbessern. Vor allem in der Erforschung, Anwendung und Ausweitung der CAR-T-Zell-Therapie arbeitet der Würzburger Wissenschaftsstandort seit vielen Jahren in der Weltelite mit.“

Prof. Dr. Matthias Frosch, Dekan der Medizinischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg überreicht Dr. Maik Luu das Graduiertenstipendium der Stiftung für therapeutische Forschung. © Margot Rössler/UKW
Prof. Dr. Matthias Frosch, Dekan der Medizinischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg überreicht Dr. Maik Luu das Graduiertenstipendium der Stiftung für therapeutische Forschung. © Margot Rössler/UKW

Neuer Schub für Immuntherapien

Ein neuer Forschungsverbund will die Immuntherapie mit CAR-T-Zellen weiter verbessern. Wichtige Partner sind Universität und Universitätsklinikum Würzburg.

Jedes Jahr erkranken rund 18 Millionen Menschen weltweit an bösartigen Tumoren. Mehr als die Hälfte der Betroffenen sterben daran.

Als Hoffnungsträger für bessere Überlebenschancen gelten neue Immuntherapien, bei denen den einzelnen Patientinnen und Patienten Abwehrzellen (T-Zellen) entnommen und so verändert werden, dass sie die Tumorzellen besser erkennen. Diese effektiveren CAR-T-Zellen werden den Erkrankten dann mittels Infusion wieder zugeführt.

Damit die CAR-T-Immuntherapie gelingt, müssen zuerst passende Antigene auf den Tumorzellen identifiziert werden. Dann gilt es, geeignete T-Zellen zu finden und sie mit hoher Präzision in effektive CAR-T-Zellen umzuwandeln. In diesem Prozess kommen bislang zwei Nachweismethoden zum Einsatz, deren Sensitivität zu wünschen übriglässt – die Immunhistochemie und die Durchflusszytometrie.

Mikroskopie-Plattform mit Super-Auflösung

Hier will das Initiativprojekt IMAGINE (Fighting Cancer with Optimal Personalized Immunotherapies) für Fortschritte sorgen.

„Wir möchten eine superauflösende Mikroskopie-Plattform entwickeln, die im klinischen Alltag einsetzbar ist“, sagt der Mikroskopie-Experte Professor Markus Sauer von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU), der den neuen Verbund koordiniert.

Die Plattform soll automatisiert und mit hohem Probendurchsatz tumorspezifische Antigene auf Tumorzellen erkennen. Außerdem soll sie die Qualität der im Labor erzeugten Antigen-Rezeptoren für die CAR-T-Zellen charakterisieren. „Damit könnten die beiden Zielmoleküle, Tumorantigene und Rezeptoren, mit bislang ungekannter Präzision identifiziert werden“, so Professor Sauer.

Gefördert vom Bundesforschungsministerium

Dem neuen Verbund aus sieben Partnern steht ein Budget von zwölf Millionen Euro zur Verfügung. Gefördert wird er vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Offiziell ist das Projekt am 1. Oktober 2021 mit einer Laufzeit von drei Jahren gestartet.

Neben dem JMU-Lehrstuhl von Markus Sauer ist auch ein Team um Klinikdirektor Professor Hermann Einsele, Professor Michael Hudecek und Dr. Thomas Nerreter von der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des Universitätsklinikums Würzburg beteiligt.

CAR-T-Zellen auch für andere Krankheiten

Das Team um Einsele und Hudecek arbeitet auf dem Gebiet der CAR-T-Zellen seit vielen Jahren in der Weltelite mit – das gilt sowohl für die präklinische Entwicklung als auch für die klinische Anwendung der ersten Präparate bei Leukämie und Multiplem Myelom.

Im Verbund wollen sich die Mediziner in der ersten Phase auf Patientinnen und Patienten mit akuter lymphatischer Leukämie konzentrieren. „Sie sprechen zwar sehr häufig auf die CAR-T-Zell-Therapie an, erleiden dann aber oft einen Rückfall“, erklärt Professor Einsele. Weitere Krebsarten, gegen die CAR-T-Zellen schon eingesetzt werden, sind Lymphknotenkrebs oder das Multiple Myelom. „Bei beiden ist die Ansprechrate deutlich geringer und der Verbesserungsbedarf noch größer.“

IMAGINE lege den Grundstein dafür, dass CAR-T-Zellen in naher Zukunft auch für die Behandlung häufiger Krebsformen wie Brustkrebs, Lungenkrebs, Darmkrebs und Bauchspeicheldrüsenkrebs zum Einsatz kommen können, sagt Professor Einsele. Zusätzlich seien Immuntherapien zukünftig auch bei Infektionserkrankungen, Autoimmunerkrankungen, degenerativen Erkrankungen und Herz-Gefäßkrankheiten denkbar.

„Die Immuntherapie mit CAR-T-Zellen ist von höchster Bedeutung, weil sie das Potenzial hat, Monate oder Jahre dauernde konventionelle Krebstherapien durch eine Einmalbehandlung mit CAR-T-Zellen zu ersetzen“, so Professor Hudecek. Dadurch würden die Ressourcen des Gesundheitssystems geschont und die Wiedereingliederung der Patientinnen und Patienten in den Beschäftigungsprozess unterstützt.

Text: Robert Emmerich

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Anti-Tumormittel aus dem Darm

Bestimmte Stoffwechselprodukte von Bakterien aus dem Darm machen Immunzellen aggressiver. Das zeigt eine neue Studie der Universitäten Würzburg und Marburg. Die Erkenntnisse könnten helfen, Krebstherapien zu verbessern.

Es soll an der Entstehung chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen beteiligt sein, Diabetes auslösen, für Übergewicht sorgen, sogar neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose und Parkinson könnten hier ihre Ursachen haben – ganz zu schweigen von Depressionen und autistischen Störungen. Die Rede ist vom Mikrobiom – der gewaltigen Ansammlung von Bakterien im menschlichen Darm. Jeder Mensch trägt geschätzt rund 100 Billionen Bakterienzellen in seinem Verdauungstrakt, die mehreren tausend Arten angehören.Im Mittelpunkt der Forschung steht das Mikrobiom seit gut 20 Jahren – seit eine neue Technik eine schnelle und präzise Analyse dieser Bakterien möglich gemacht hat: die Hochdurchsatzsequenzierung. Seitdem häufen sich die Befunde, dass das Mikrobiom, das bisweilen auch als zweites menschliches Genom bezeichnet wird, nicht nur für die Verdauung von zentraler Bedeutung ist, sondern auch eine Vielzahl von Körperfunktionen, wenn nicht steuert, so doch zumindest beeinflusst. Besonders häufig genannt wird dabei das Immunsystem.

Das Mikrobiom beeinflusst das Immunsystem

Jetzt ist Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universitäten Würzburg und Marburg erstmals der experimentelle Nachweis gelungen, dass bakterielle Stoffwechselprodukte in der Lage sind, die zytotoxische Aktivität bestimmter Immunzellen zu steigern und damit die Effizienz von Tumortherapien positiv zu beeinflussen. Über die Zusammensetzung der Bakterienarten im Mikrobiom könnte somit im Idealfall dessen Einfluss auf den Therapieerfolg gesteuert werden.Die Ergebnisse seiner Studie hat das Forschungsteam in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht. Verantwortlich dafür war Dr. Maik Luu, Postdoc im Labor von Professor Michael Hudecek in der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des Würzburger Universitätsklinikums. Weiterer Beteiligter war Professor Alexander Visekruna vom Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene der Philipps-Universität Marburg, wo Luu vor seinem Wechsel nach Würzburg geforscht hat.

Fettsäuren steigern die Aktivität der Killerzellen

„Wir konnten zeigen, dass die kurzkettigen Fettsäuren Butyrat und insbesondere Pentanoat in der Lage sind, die zytotoxische Aktivität von CD8-T-Zellen zu steigern“, beschreibt Maik Luu das zentrale Ergebnis der jetzt veröffentlichten Studie. CD8-T-Zellen werden bisweilen auch Killerzellen genannt. Als Teil des Immunsystems ist es ihre Aufgabe, für den Organismus schädlich Zellen gezielt zu töten.Kurzkettige Fettsäuren wiederum gehören zur dominantesten Klasse von Stoffwechselprodukten des Darmmikrobioms. Sie können auf der einen Seite den Stoffwechsel von T-Zellen ankurbeln, indem sie zentrale Regulatoren des Energiestoffwechsels induzieren. Auf der anderen Seite können sie spezielle Enzyme hemmen, welche in den T-Zellen die Zugänglichkeit zum Erbgut und somit die Gen-Expression regulieren. Dabei rufen sie epigenetische Veränderungen hervor.

Solide Tumormodelle werden effektiver bekämpft

„Wenn kurzkettige Fettsäuren CD8-T-Zellen umprogrammieren, führt dies unter anderem zu einer gesteigerten Produktion entzündungsfördernder und zytotoxischer Moleküle“, erklärt Luu. Im Experiment steigerte eine Behandlung mit der Fettsäure Pentanoat die Fähigkeit von Tumor-spezifischen T-Zellen, solide Tumormodelle zu bekämpfen. „Denselben Effekt konnten wir bei der Bekämpfung von Tumorzellen mit sogenannten CAR-T-Zellen beobachten“, sagt der Wissenschaftler.CAR-T-Zellen sind ausgeschrieben „Chimäre Antigen-Rezeptor-T-Zellen“. Während normale T-Zellen gegenüber Tumorzellen weitgehend „blind“ sind, sind CAR-T-Zellen dank einer gentechnologischen Veränderung in der Lage, spezifische Ziel-Antigene auf der Tumoroberfläche zu erkennen und die Krebszellen zu vernichten. Michael Hudecek ist einer der führenden Experten auf dem Gebiet der CAR-T-Zell-Forschung.

Gezielte Steuerung über die Zusammensetzung des Mikrobioms

„Die Ergebnisse sind somit ein Beispiel dafür, wie Stoffwechselprodukte der Darmbakterien den Stoffwechsel und die Gen-Regulation unserer Zellen verändern und damit die Effizienz von Tumortherapien positiv beeinflussen können“, sagt Maik Luu. Davon profitieren könnte insbesondere der Einsatz von CAR-T-Zellen gegen solide Tumore.In diesen Fällen ist eine Therapie mit den genetisch veränderten Zellen bislang nämlich deutlich weniger effektiv als die Behandlung hämatologischer Tumorerkrankungen wie etwa einer Leukämie. Ändern könnte sich dies, wenn die CAR-T-Zellen vor ihrem Einsatz beim Patienten mit Pentanoat oder anderen kurzkettigen Fettsäuren behandelt wurden, so die Hoffnung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.Über die Zusammensetzung der bakteriellen Darmbesiedlung ließe sich dieser Effekt möglicherweise gezielt nutzen – zumal Luu und die weiteren an der Studie Beteiligten auch den wesentlichen Pentanoat-Produzenten der Darmflora identifizieren konnten: das Bakterium Megasphaera massiliensis.

Weiter Weg bis zum Einsatz in der Klinik

Bis die neuen Erkenntnisse zu neuen Therapien für Krebspatienten führen, ist es allerdings noch ein weiter Weg. In einem nächsten Schritt will das Forschungsteam zunächst das Spektrum der untersuchten Tumorerkrankungen erweitern und neben weiteren soliden Tumoren auch hämatologische Tumorerkrankungen wie das Multiple Myelom betrachten. Darüber hinaus will es die Arbeitsweise kurzkettiger Fettsäuren intensiver untersuchen, um so Ansatzpunkte für gezielte genetische Veränderungen zu identifizieren.Finanziell unterstützt wurde die Studie von der P. E. Kempkes-Stiftung, der Von Behring-Röntgen-Stiftung, der Deutschen Krebshilfe, der Fazit-Stiftung und der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Originalpublikation

Microbial short-chain fatty acids modulate CD8+ T cell responses and improve adoptive immunotherapy for cancer. Maik Luu, Zeno Riester, Adrian Baldrich, Nicole Reichardt, Samantha Yuille, Alessandro Busetti, Matthias Klein, Anne Wempe, Hanna Leister, Hartmann Raifer, Felix Picard, Khalid Muhammad, Kim Ohl, Rossana Romero, Florence Fischer, Christian A. Bauer, Magdalena Huber, Thomas M. Gress, Matthias Lauth, Sophia Danhof, Tobias Bopp, Thomas Nerreter, Imke E. Mulder, Ulrich Steinhoff, Michael Hudecek, Alexander Visekruna. Nature Communications.

Text: Gunnar Bartsch

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