Prof. Dr. Martina Prelog

Kinderklinik und Poliklinik

Ich wurde 1977 in Salzburg geboren, habe in Innsbruck studiert und wurde im Jahr 2010 als Professorin für Pädiatrische Rheumatologie und Immunologie an den Würzburger Campus berufen. Mein Mann, ebenfalls Österreicher, folgte mir im Jahr 2015 nach Würzburg, wo ich zwei Töchter zur Welt gebracht habe. 

Was ich als Kind werden wollte

Naturforscherin! Ich habe es schon als Dreijährige geliebt, die Natur zu erkunden. Bei gutem Wetter bin ich mit meinem Opa in den Wald gegangen, habe alles mit der Lupe und zuhause unterm Mikroskop untersucht, Kaulquappen gesammelt und Frösche entstehen lassen. Wenn das Wetter schlecht war, sind wir in Salzburg ins „Haus der Natur“ gegangen.

Wie ich zur Medizin gekommen bin

Auch wenn ich im klassischen Familienmodell groß geworden bin, mein Vater war Baumeister, meine Mutter Hausfrau, so war ein Bezug zur Lehre durch die mütterliche Verwandtschaft – größtenteils Schullehrer – da. In der Schule hat mich die Biologie sehr interessiert, aber auch Mathematik, Physik, Chemie und Astronomie fand ich faszinierend. Meine Biologielehrerin empfahl mir schließlich die Medizin, so könne ich alle Interessensgebiete unter einen Hut bringen. Und tatsächlich fühlte ich vom ersten Tag des Studiums an: Hier bin ich genau richtig. Ich bin nah am Menschen und kann alle naturwissenschaftlichen Aspekte einfließen lassen.

Mein Weg zur Immunologie

Ich war schon immer sehr an der Infektions- und Entzündungsforschung interessiert. Durch meinen Doktorvater, Prof. Georg Wick am Institut für Immunpathophysiologie an der Medizinischen Universität Innsbruck, bin ich zur Immunologie gekommen. In meiner Promotion habe ich Entzündungsprozesse bei einer speziellen Autoimmunkrankheit untersucht. Im Anschluss habe ich zunächst eine Facharztausbildung in Immunologie begonnen. Da dieser Facharzt bis vor kurzem nur in Österreich anerkannt war, habe ich noch bei der Deutschen Gesellschaft für Immunologie eine Prüfung zur Fachimmunologin abgelegt. Nach der Immunologie, dem theoretischen Fach, wollte ich noch ein klinisches Fach machen, die Pädiatrie lag mir stark am Herzen. Zum einen ist es breites Fachgebiet, das viele Fachbereiche abdeckt, die sonst in der Erwachsenenmedizin eigene Fachbereiche darstellen, zum anderen mag ich die Arbeit mit jungen Menschen. Also habe ich in Österreich noch diese Facharztausbildung absolviert, mit einigen Forschungsaufenthalten in Toronto, Canada, und Freiburg. Danach habe ich mich im Fachgebiet zu frühen immunologischen Veränderungen bei Autoimmunerkrankungen habilitiert.

Durch meine beiden Facharztausbildungen bot sich der Spezialbereich Kinderrheumatologie, Immunologie und Infektiologie an. Einer der großen Vorteile ist hier die gegenseitige Stimulation und die Möglichkeit der Translation. Den Fragestellungen aus dem Kontext der Klinik kann ich im Rahmen von Grundlagenprojekten nachgehen. Umgekehrt kann ich Mechanismen, die ich in der Grundlagenforschung untersucht habe, zum Beispiel Zielmoleküle oder verschiedene Signalkaskaden, in die Klinik bringen. 

Meine Forschungsschwerpunkte

Inzwischen bin ich nicht mehr klinisch tätig. Ich habe für mich festgestellt: Wenn ich mich hundertprozentig einer Sache widmen will, muss ich mich entscheiden. Aufgrund der optimalen Infrastruktur und Rahmenbedingungen hier am Campus habe ich mich für die Forschung und Lehre entschieden. 

Mein erster Forschungsschwerpunkt ist die Infektionsimmunologie, in der wir uns viel mit virusspezifischen T-Zellen, virusspezifischen Immunantworten im Kontext mit Impfungen oder bei immunsupprimierten Personen beschäftigen.

Mein zweiter Schwerpunkt liegt in der Entzündungsimmunologie. Hier gehe ich Fragen auf den Grund, wie bestimmte Abwehrzellen, zum Beispiel T-Zellen, Entzündungsvorgänge regulieren oder bei der Homöostase, also der Aufrechterhaltung des Gleichgewichts unserer physiologischen Körperfunktionen, eine Rolle spielen. 

Den dritten Schwerpunkt bildet die Epidemiologie. Ich habe einen Master of Science in Gesundheitswissenschaften und Public Health, da geht es unter anderem um epidemiologische Fragestellungen, Krankheitsmodellierung, gesundheitliche Entscheidungsprozesse und einen größeren, gesellschaftlich orientierten Kontext. Dieses berufsbegleitende Studium ermöglichte es mir quasi „über den Tellerrand“ zu schauen.

 

Was und wer mich motiviert

Es ist enorm spannend, neue Ideen zu formulieren und Projekte zu entwickeln. Da kann ich gar nicht lockerlassen und würde am liebsten Tag und Nacht daran arbeiten.

Aber auch die Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen, Projektpartnern und mit den Studierenden erlebe ich als äußerst motivierend. Die Zusammenarbeit mit den Doktoranden, die voller Faszination und Begeisterung sind, macht mir am meisten Spaß. 

Während ich mit Kolleginnen und Kollegen die Inhalte bespreche, halte ich mich bei strategischen Entscheidungen, wenn es zum Beispiel darum geht, auch einmal ein „verrücktes“ oder risikoreiches innovatives Projekt zu machen, eher an die Ratschläge meines Mannes und seine Motivation. Als Betriebswirt in der IT-Branche bringt er ganz andere Perspektiven und Gesamtkonzepte in die Diskussion ein.

Und dann gibt es seit kurzem noch eine weitere Motivation: Wenn ich meine ältere Tochter, seit Herbst 2022 Erstklässlerin, ins Bett bringe, dann fragt sie mich: Mama, was hast Du heute gemacht? Erzähle mir von deinem Tag. Dann gerate ich ins Schwärmen oder berichte von meinen Herausforderungen. Das ist für mich eine Rekapitulation und unheimlich motivierend, wenn ich ihr Interesse spüre. 

Was mich geprägt hat

Hinsichtlich der Freude und Liebe zur Natur haben mich sicherlich schon sehr früh im Vorschulalter die Spaziergänge mit meinem Opa in den Wald oder ins Haus der Natur geprägt. 

Aktuell und ganz allgemein haben mich die Geburten meiner Töchter und der Tod meines Vaters geprägt. Durch diese nicht greifbaren und wenig beeinflussbaren Ereignisse wurde mir noch einmal die Komplexität des Lebens bewusst. Wir glauben, alles zu wissen, sehen aber nur kleine Ausschnitte und können die Komplexität nicht und wohl nie ganz verstehen. Das ist zugleich das Faszinierende und was mich antreibt.

Unterstützung durch Mentoren und Förderprogramme

Der erste wichtige Mentor war mein Doktorvater. Er hat gefordert und gefördert. Der zweite wichtige Mentor war Professor Zimmerhackl in der Pädiatrie. Der hat den klinischen Blick hereingebracht und mir viele Freiräume ermöglicht. Das hat mich sehr weitergebracht. Er hat mir auch das Vertrauen entgegengebracht, eine Laborleiterstelle zu übernehmen, Oberärztin zu sein und Verantwortung zu tragen. Zutrauen und Vertrauen sind ganz wichtige Funktionen eines Mentorings.

In der Phase meiner Habilitation habe ich als Mentee eines Frauenförderprogramms an der Medizinischen Universität in Innsbruck viele Skills und Kompetenzen gelernt, von Rhetorik bis hin zur Verhandlungssicherheit. Das war sehr nützlich.

 

Stolpersteine

Die Eigenschaften jung, klug und weiblich, diese Kombination kann bei manchen, vor allem männlichen Führungspersonen zum Ablehnungsverhalten führen und als persönlicher Angriff gewertet werden. Das habe ich sehr oft erlebt und daraus geschlossen: Frauen müssen anders kommunizieren als Männer und auf die feinen Nuancen achtgeben, um nicht ins Fettnäpfchen zu treten. Stolpersteine sind für etwas gut und mit jedem Stolperstein habe ich dazugelernt und versucht, nicht zu stolpern. Man kann außen rumgehen oder sich unten durchgraben, drübersteigen oder – am besten - drüberspringen, und so seinen Weg weiterverfolgen – oder auch einen anderen Weg einschlagen.  

Mein Tipp an junge Forschende

Seid mit Herzblut dabei. Blut heißt auch anstrengend, man wendet Energie auf, aber es muss auch das Herz dabei sein. 

Steigt früh bei wissenschaftlichen Fachgesellschaften und in Netzwerke ein und engagiert Euch. Wir wachsen mit unseren Aufgaben. Wichtig ist, auf Tagungen und Kongressen präsent zu sein, so bekommt man die Kontakte und Netzwerke, die es ermöglichen, Projekte umzusetzen.

Wie wichtig die Präsenz bei Meetings und auf Kongressen ist, wurde mir noch einmal in der Zeit rund um die Geburt meiner Kinder bewusst. Wenn man zwei bis drei Jahre nicht präsent war, an keinem Gesellschaftsabend teilgenommen hat oder anschließend in der Kneipe war, um ein Projekt in ungezwungener Atmosphäre zu besprechen, gibt es einen Karriereknick. Da braucht man ein bis zwei Jahre, um das wieder aufzuholen. 

Frauen können auch beim Netzwerken von Männern lernen. Denn Männer bilden eher Seilschaften mit erfahrenen „Bergführern“, um an den Gipfel zu kommen. Frauen bilden oftmals formale Netzwerke auf niedriger karrieretechnischer Entwicklungsstufe, die keine weiblichen Führungspersönlichkeiten enthalten, die karrierewillige Frauen nach oben begleiten.

Versucht Euch nicht zu stark anzupassen oder in bestimmte Schemata pressen zu lassen, nur weil einige Menschen Unangepasstheit nicht vertragen. Zwängt Euch nicht in diese neue Art des Korsetts. Etwas mehr Individualität würde den Frauen guttun. Während die männlichen Studierenden oft schon Ecken und Kanten haben, bilden die weiblichen oft ein „Heer von braven Zinnsoldatinnen“, eine homogene Masse, keine sticht heraus. Nutzt Euer Potential! 

Wie sich Mädchen und junge Frauen für die Wissenschaft begeistern lassen

Wir benötigen mehr Rollenmodelle und Vorbilder. Wenn man zum Beispiel sieht, da hat es eine Frau geschafft, sich wissenschaftlich zu etablieren. Insbesondere wenn sie noch andere Lebensaufgaben liebt, Familie hat, Sport, Musik, was auch immer.  

Und warum Arbeit und Leben – Work and Life -  trennen? Viele sehen es sehr dichotom, als würde sich arbeiten und leben ausschließen. Ich persönlich sehe meinen Beruf als Teil meines Lebens. Mir gefällt das Domänenmodell, Familie, Freunde, Hobbies, Arbeit sind alles Lebensdomänen, alle diese Bereiche inspirieren einander. Mir macht es zum Beispiel Freude, auch am Sonntag einen wissenschaftlichen Text zu lesen oder an einer Publikation zu schreiben. Umgekehrt beeinflusst die Familie auch den Beruf.

Wie sich Familie und Forschung besser vereinbaren lassen

Gerade Naturwissenschaftler gehen von einer Drittmittelstelle zur nächsten, das ist natürlich kontraproduktiv, wenn man sich örtlich niederlassen möchte und eine Familie gründen möchte. Frauen leiden hier stärker unter der fehlenden Planungssicherheit. Denn die Familienplanung steht meistens dann an, wenn man beruflich am leistungsstärksten unterwegs ist. Hier müssten bessere Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit Zeit und Geld zur Verfügung stehen, um bestimmte Projekte durchzuziehen.

Und dann muss man sich Unterstützung holen, kompetente Kinderbetreuung, jemanden, der im Haushalt hilft. Und zu guter Letzt benötigt man natürlich einen Partner, der mitzieht. Mein Mann ist zum Beispiel in Elternzeit gegangen. Ich habe aber auch viele Möglichkeiten genutzt, zu Hause zu arbeiten. 

Meine drei Wünsche für die Zukunft

Mehr Ressourcen für freie Forschung, frühe Förderung bereits in Schule und während des Studiums und mehr Individualität zulassen.