Flip & Flap ist ein an der Universitäts-Kinderklinik in Lübeck schon vor über 20 Jahren entwickeltes Schulungsprogramm für Kinder und Jugendliche mit Epilepsie sowie deren Eltern. Seit diesem Frühjahr wird es in aktualisierter Form auch am Uniklinikum Würzburg (UKW) angeboten.
Die Einführung an der Würzburger Universitäts-Kinderklinik ist eng mit der Person von Prof. Dr. Juliane Spiegler verbunden. Die Kinderärztin mit Spezialisierung Neuropädiatrie wechselte im Oktober 2021 von Lübeck ans UKW, wo sie die ärztliche Leitung des Frühdiagnosezentrums / Sozialpädiatrischen Zentrums (SPZ) übernahm. Die Epileptologin verdeutlicht: „Patientenschulungen sind ein wesentlicher Bestandteil in der Behandlung von Menschen mit chronischen Erkrankungen – und das eben nicht nur bei vergleichsweise häufigen Krankheiten wie Asthma oder Neurodermitis, sondern auch bei eher seltenen Erkrankungen wie Epilepsie.“
Besser verstehen, was bei einem Anfall passiert
Ziel des Kurses sei es, die betroffenen Kinder, Jugendlichen und Eltern zu Fachleuten für die Erkrankung auszubilden. Im Unterschied zu anderen chronischen Krankheiten muss dabei nach den Beobachtungen der Expertin zunächst bei vielen der jungen Patientinnen und Patienten ein grundlegendes „Problembewusstsein“ geschaffen werden: „Bei Kindern und Jugendlichen gehen die meisten Epilepsie-Anfälle mit einem Bewusstseinsverlust einher. Das heißt, die Betroffenen selbst bekommen gar nicht mit, dass da etwas war – nur hinterher sind alle um sie herum in heller Aufregung. Die Kinder verstehen zunächst überhaupt nicht, warum sie zum Beispiel nicht mehr klettern oder unbeobachtet schwimmen gehen dürfen.“
Bei der in einen Kinderkurs für Sechs- bis Zwölfjährige und einen Jugendlichenkurs für Dreizehn- bis 18-Jährige aufgeteilten Schulung lernen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, was in ihrem Körper passiert, wenn sie Anfälle haben. Sie erlangen größere Sicherheit im Umgang mit ihrer Krankheit und können sie auch in ihrem Freundeskreis besser erklären.
Bei der parallel stattfindenden Elternschulung gibt es unter anderem Hilfestellungen zum Umgang mit Epilepsie in der Schule und der Öffentlichkeit. Außerdem werden Wege zur Angstbewältigung im Zusammenhang mit der Erkrankung aufgezeigt.
Kindgerechte Identifikationsfiguren
Die wissenschaftlich evaluierten Flip & Flap-Kurse finden an einem Wochenende statt und umfassen insgesamt 16 Stunden. Der Name leitet sich von den zwei kindgerechten Identifikationsfiguren der Schulung ab: Flip und Flap sind Nervenzellen, die im Gehirn arbeiten und sich bestens damit auskennen, wie dieses den Körper steuert.
Die erste Würzburger Schulung für Jugendliche fand im Mai dieses Jahres im Ambulanten Schulungszentrum in der Mönchbergstraße statt. Eine Wiederholung ist für Oktober 2022 geplant.
Ausbildung von Trainerinnen und Trainern ab November
Die Kurse für Kinder und Jugendliche hält ein Team aus zwei Kinderkrankenpflegekräften oder EEG-Assistentinnen oder -Assistenten. Die Elternkurse werden von einer Ärztin oder einem Arzt sowie einer Psychologin oder einem Psychologen geleitet. „Diese Trainerinnen und Trainer müssen für das kompetente Durchführen der Kurse natürlich besonders geschult werden“, sagt Spiegler. Die Professorin kann sich aus ihrer Zeit an der Universitäts-Kinderklinik in Lübeck auf langjährige Schulungserfahrungen stützen. Deshalb lag es nahe, in Würzburg die derzeit bundesweit einzige Trainerausbildung für das von ihr in den vergangenen zwei Jahren federführend medizinisch überarbeitete Kursprogramm zu installieren. Die erste Trainerschulung findet im November 2022 in den Räumen des SPZ statt.