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Würzburger Anästhesist und Intensivmediziner verstärkt Leopoldina

Prof. Patrick Meybohm wurde vom Präsidium der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina als neues Mitglied berufen

Porträtbild von Patrick Meybohm in weißem Kittel
Prof. Patrick Meybohm, Direktor der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie am Universitätsklinikum Würzburg und Inhaber des Lehrstuhls für Anästhesiologie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU), wurde vom Präsidium der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina als neues Mitglied berufen. © Daniel Peter

Würzburg. Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina ist die Stimme der Wissenschaft in Deutschland. Die rund 1.600 Akademiemitglieder aus aller Welt beraten die Politik und Gesellschaft in wichtigen Fragen, setzen sich für wissenschaftliche Exzellenz und Integrität ein, fördern den Dialog mit der breiten Öffentlichkeit und stärken so das Vertrauen in die Wissenschaft und sie vertreten die deutsche Wissenschaft im internationalen Kontext. Die Nominierung und Wahl zum Mitglied ist sowohl eine große Ehre für jede Wissenschaftlerinnen und jeden Wissenschaftler als auch eine Plattform, die Wissenschaftslandschaft aktiv mitzugestalten. 

Diese ehrenvolle Auszeichnung wurde nun Professor Patrick Meybohm zuteil. Er ist Direktor der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie am Universitätsklinikum Würzburg und Inhaber des Lehrstuhls für Anästhesiologie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). „Ich freue mich sehr über die hohe Wertschätzung meiner bisherigen wissenschaftlichen Arbeit und darauf, mich künftig als Mitglied engagiert in die Aktivitäten dieser traditionsreichen Nationalen Akademie einzubringen“ so der Anästhesist und Intensivmediziner.

Auch der Präsident der JMU, Prof. Paul Pauli, gratuliert: „Diese Auszeichnung würdigt in besonderer Weise die hervorragenden wissenschaftlichen Leistungen und das große Engagement von Patrick Meybohm – insbesondere auf dem Gebiet der anästhesiologischen und intensivmedizinischen Forschung.“

Meybohms Ziele: Minimierung der Risiken bei größeren Operationen und Komplikationen in der Intensivmedizin, Weiterentwicklung des Patient Blood Managements

Die Expertise von Patrick Meybohm liegt vor allem im Bereich der Intensivmedizin und translationalen Forschung. Sein Ziel ist es, Risiken bei größeren Operationen und Komplikationen in der Intensivmedizin zu minimieren und damit die Grundlage für eine moderne, evidenzbasierte perioperative Medizin zu schaffen. Zusätzlich arbeitet Meybohm an der Weiterentwicklung des Patient Blood Managements, einem Konzept, das auf drei Säulen basiert: rechtzeitige Erkennung und Behandlung einer Anämie vor planbaren Eingriffen, möglichst geringe intraoperative Blutverluste sowie die Durchführung von Bluttransfusionen nur nach eindeutigen klinischen Kriterien. Dadurch wird die perioperative Versorgung der Patientinnen und Patienten optimiert, die Sicherheit erhöht und die Abhängigkeit von Fremdblutkonserven deutlich reduziert. 

Patrick Meybohm, im Jahr 1978 in Stendal geboren, absolvierte sein Studium der Humanmedizin an der Georg-August Universität Göttingen, wo er im Jahr 2004 auch seine Promotion abschloss. Seine Facharztweiterbildung zum Anästhesisten begann er am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel. 2009 erhielt er die Facharztanerkennung für Anästhesiologie sowie die Venia Legendi in diesem Fachgebiet. Im Jahr 2019 wurde er auf die W2-Professur für Anästhesiologie und Intensivmedizin an der Johann Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main berufen. Seit 2020 bekleidet der zweifache Vater die W3-Professur für Anästhesiologie an der Medizinischen Fakultät der Julius-Maximilian-Universität Würzburg und ist zugleich Direktor der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie am Universitätsklinikum Würzburg.

Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina zählt zu den ältesten und renommiertesten Wissenschaftsakademien der Welt 

Charles Darwin, Marie Curie, Albert Einstein, Emmanuelle Charpentier, Harald zur Hausen - sie alle waren oder sind Mitglieder der Leopoldina. Die Nationale Akademie der Wissenschaften zählt zu den ältesten und renommiertesten Wissenschaftsakademien der Welt. Als „Academia Naturae Curiosorum" 1652 in Schweinfurt gegründet, beschäftigten sich die ersten Mitglieder der „Akademie der Naturforscher“ vor allem mit medizinischen und naturwissenschaftlichen Fragen und trugen wesentlich zur wissenschaftlichen Aufklärung bei. Bis heute steht die Leopoldina für wissenschaftliche Exzellenz und interdisziplinären Austausch. Um ihre Stärke der Akademie zu erhalten, wählt die Leopoldina jedes Jahr in einem mehrtägigen Auswahlverfahren etwa 50 neue Mitglieder. Die Mitglieder sind in Fachsektionen organisiert, die wiederum vier Klassen mit den Schwerpunkten Naturwissenschaften, Lebenswissenschaften, Medizin sowie Verhaltens-, Sozial- und Geisteswissenschaften zugeordnet sind. Unabhängig von wirtschaftlichen oder politischen Interessen erarbeiten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gesellschaftlich relevante Zukunftsthemen und beraten die deutsche Politik und internationale Institutionen in wichtigen Fragen. Ihre Stellungnahmen zu Themen wie Gesundheit, Klimawandel oder Technologie haben großes Gewicht. Darüber hinaus setzt sich die Leopoldina für die Achtung der Menschenrechte ein. 

Porträtbild von Patrick Meybohm in weißem Kittel
Prof. Patrick Meybohm, Direktor der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie am Universitätsklinikum Würzburg und Inhaber des Lehrstuhls für Anästhesiologie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU), wurde vom Präsidium der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina als neues Mitglied berufen. © Daniel Peter

Seltene genetische Varianten erhöhen ADHS-Risiko um das bis zu 15-Fache

In einer neuen Studie, die von Forschenden der Universität Aarhus geleitet wurde und an der das Universitätsklinikum Würzburg beteiligt war, wurden seltene genetische Varianten identifiziert, die das Risiko für ADHS deutlich erhöhen. Die Studie zeigt, dass diese Varianten insbesondere in Nervenzellen im Gehirn exprimiert werden und sich negativ auf kognitive Fähigkeiten sowie den Bildungserfolg auswirken.

Grafische Übersicht wie Genetik und Epigenetik die Entstehung von ADHS beeinflussen kann.
Ein komplexes Zusammenspiel von genetischen Faktoren und Umweltbedingungen führt zur Entstehung psychischer Erkrankungen wie ADHS. Je nach individueller Veranlagung und Lebensumfeld kann es zu Veränderungen in Nervenzellen und Hirnnetzwerken kommen. Ob dann eine psychische Erkrankung entsteht, hängt auch mit Resilienzfaktoren zusammen. In der Nature Arbeit werden nun seltene genetische Varianten berichtet, die einen sehr großen Effekt auf das ADHS-Risiko haben und mit krankheitsrelevanten neurobiologischen Prozessen in Verbindung stehen. Das Bild basiert auf einer Grafik aus Geissler J, Lesch KP. A lifetime of attention-deficit/hyperactivity disorder: diagnostic challenges, treatment and neurobiological mechanisms. Expert Rev Neurother. 2011 Oct;11(10):1467-84. doi: 10.1586/ern.11.136. PMID: 21955202 und wurde mit Canva überarbeitet.

Aarhus/Würzburg. Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine Neuroentwicklungsstörung mit hoher Erblichkeit, deren genetische Grundlage aus Tausenden von Varianten besteht. Die meisten dieser Varianten erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer ADHS-Diagnose jedoch nur geringfügig.

Eine internationale Studie unter der Leitung von Forschenden der Universität Aarhus (Dänemark) in Zusammenarbeit mit Partnern wie dem Broad Institute of MIT und Harvard (USA), der Radboud Universiteit (Niederlande) und dem Universitätsklinikum Würzburg (UKW) zeigte nun, dass auch sogenannte „high-effect genetic variants“, also seltene, stark wirkende genetische Varianten, eine wichtige Rolle spielen. Die Ergebnisse wurden in der renommierten Fachzeitschrift NATURE veröffentlicht. 

Störungen der Gehirnentwicklung und -funktion sind zentral für die Entstehung von ADHS 

Die Forschenden fanden heraus, dass Personen mit seltenen Varianten in den drei Genen MAP1A, ANO8 und ANK2 ein deutlich erhöhtes ADHS-Risiko aufweisen, zum Teil um mehr als das 15-Fache. Diese genetischen Varianten sind zwar sehr selten, beeinflussen jedoch stark die Aktivität von Genen in den Nervenzellen. Bei Menschen, die diese Varianten tragen, kann die Entwicklung und Kommunikation zwischen den Nervenzellen daher gestört sein, was zu ADHS führen kann. „Die Ergebnisse zeigen erstmals klar benannte Gene, in denen seltene, stark wirkende Varianten eine hohe Anfälligkeit für ADHS verursachen und grundlegende biologische Mechanismen beeinflussen“, fasst Professor Anders Børglum vom Department of Biomedicine der Universität Aarhus, der Seniorautor der Studie, zusammen. 

Die Analyse kombinierter genetischer und Genexpressionsdaten zeigt, dass die seltenen, an ADHS beteiligten Varianten insbesondere die Funktion dopaminerger und GABAerger Neurone beeinflussen. Diese Zelltypen sind für Aufmerksamkeit, Impulskontrolle und Motivation von großer Bedeutung. Die Auswirkungen lassen sich bereits im fetalen Leben nachweisen und reichen bis ins Erwachsenenalter. „Unsere Ergebnisse unterstützen die Annahme, dass Störungen der Gehirnentwicklung und -funktion zentral für die Entstehung von ADHS sind“, erklärt Ditte Demontis, Professorin am Department of Biomedicine der Universität Aarhus und Erstautorin der Studie. „Unsere Kolleginnen und Kollegen am Broad Institute analysierten, welche Proteine mit den Proteinen interagieren, die von den drei identifizierten ADHS-Genen kodiert werden, und identifizierten ein größeres Netzwerk von Proteinen, das ebenfalls bei anderen neurologischen Entwicklungsstörungen wie Autismus und Schizophrenie eine Rolle spielt. Das liefert Einblicke in biologische Zusammenhänge über mehrere psychiatrische Diagnosen hinweg.“

Auswirkungen auf Intelligenz, Bildung und Beschäftigung

Die seltenen genetischen Varianten beeinflussen nicht nur, wer ADHS entwickelt, sondern auch, wie es den Betroffenen im Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt ergeht. Durch die Verknüpfung genetischer Daten mit dänischen Registerdaten fanden die Forschenden heraus, dass Personen mit ADHS und seltenen Varianten im Durchschnitt einen geringeren Bildungsstand und einen niedrigeren sozioökonomischen Status haben als Betroffene ohne diese Varianten. Bei Erwachsenen mit ADHS der Würzburger Stichprobe wurde eine durchschnittliche Abnahme des IQ-Werts um etwa 2,25 Punkte pro seltener Hochrisikovariante beobachtet. 

Die Ergebnisse erweitern das Verständnis der biologischen Grundlagen von ADHS und könnten die Basis für zukünftige Behandlungsmethoden bilden. Laut Studienteam ist das erst der Anfang. Ihre Berechnungen zeigen, dass es viele weitere seltene kausale Varianten gibt, die in noch größeren Studien identifiziert werden können. 

Daten von fast 1.000 Patientinnen und Patienten kamen aus Würzburg

„Ich freue mich sehr, dass wir in Würzburg zu diesen wichtigen Erkenntnissen wesentlich beitragen konnten“, sagt Prof. Dr. Klaus-Peter Lesch. Der Psychiater und Verhaltenswissenschaftler war von 1985 bis 2023 an der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie tätig und ist jetzt Seniorprofessor an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Von 2010 bis 2023 hatte er den Lehrstuhl für Molekulare Psychiatrie inne und leitete von 2004 bis 2011 die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Klinische Forschergruppe zur Erforschung des Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitäts-Syndroms (KFO 125). 

In die aktuelle Studie flossen genetische Analysen von fast 9.000 Personen mit ADHS und von 54.000 Personen ohne ADHS ein. Diese wurden mit Analysen der Gehirnzellfunktion und Registerdaten zu Bildung und sozioökonomischem Status kombiniert. Das Universitätsklinikum Würzburg steuerte die diagnostische Evaluierung und das Biomaterial von fast 1.000 Patientinnen und Patienten mit ADHS des Erwachsenenalters bei. 

Bei bis zu 60 Prozent der Betroffenen besteht ADHS im Erwachsenenalter fort

„ADHS über die gesamte Lebensspanne“ ist einer der gemeinsamen Forschungsschwerpunkte der beiden Kliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Die Störung ist die häufigste neuroentwicklungsbedingte Störung im Kindesalter. Bei bis zu 60 Prozent der Betroffenen besteht sie auch im Erwachsenenalter fort und ist mit erheblichem psychischem Leidensdruck verbunden – etwa durch wiederholte Misserfolge oder Frustrationserleben. Zudem entwickeln viele Erwachsene mit ADHS im Laufe ihres Lebens mindestens eine weitere psychische Erkrankung, zum Beispiel Depression, Angststörungen oder Suchterkrankungen. Allerdings sprechen nur etwa die Hälfte der Betroffenen ausreichend auf die derzeit gängigen Behandlungsformen, wie beispielsweise Psychostimulanzien oder psychotherapeutische Verfahren, an. „Mit unserer Forschung möchten wir daher ein besseres Verständnis der neurobiologischen und psychologischen Ursachen von ADHS und seinen häufigen Begleiterkrankungen gewinnen, um langfristig die dringend notwendige Entwicklung zusätzlicher Therapieansätze zu unterstützen“, so Dr. Georg Ziegler, leitender Oberarzt und Leiter der Forschungsgruppe zu ADHS im Erwachsenenalter.

Publikation: Demontis, D., Duan, J., Hsu, YH.H. et al. Rare genetic variants confer a high risk of ADHD and implicate neuronal biology. Nature (2025). https://doi.org/10.1038/s41586-025-09702-8

Grafische Übersicht wie Genetik und Epigenetik die Entstehung von ADHS beeinflussen kann.
Ein komplexes Zusammenspiel von genetischen Faktoren und Umweltbedingungen führt zur Entstehung psychischer Erkrankungen wie ADHS. Je nach individueller Veranlagung und Lebensumfeld kann es zu Veränderungen in Nervenzellen und Hirnnetzwerken kommen. Ob dann eine psychische Erkrankung entsteht, hängt auch mit Resilienzfaktoren zusammen. In der Nature Arbeit werden nun seltene genetische Varianten berichtet, die einen sehr großen Effekt auf das ADHS-Risiko haben und mit krankheitsrelevanten neurobiologischen Prozessen in Verbindung stehen. Das Bild basiert auf einer Grafik aus Geissler J, Lesch KP. A lifetime of attention-deficit/hyperactivity disorder: diagnostic challenges, treatment and neurobiological mechanisms. Expert Rev Neurother. 2011 Oct;11(10):1467-84. doi: 10.1586/ern.11.136. PMID: 21955202 und wurde mit Canva überarbeitet.

Jeder Dritte, der sich einem größeren chirurgischen Eingriff unterzieht, leidet unter Blutarmut

ERGEBNISSE DER INTERNATIONALEN, MULTIZENTRISCHEN, PROSPEKTIVEN ALICE-STUDIE ZUR URSACHE DER PRÄOPERATIVEN ANÄMIE

Die ALICE-Studie untersucht die Ursachen der präoperativen Anämie mit dem Ziel, die Patientensicherheit zu steigern und ein ganzheitlichen Anämie-Management zu etablieren. Die unter der Leitung von Prof. Patrick Meybohm (Universitätsklinikum Würzburg), Prof. Kai Zacharowski und Dr. Suma Choorapoikayil (Universitätsmedizin Frankfurt) international in 20 Ländern durchgeführte ALICE-Studie wurde jetzt in der renommierten Fachzeitschrift The Lancet Global Health veröffentlicht. Fazit: Jeder Dritte ist von einer Anämie betroffen, wobei 55,2 Prozent einen Eisenmangel, 14,5 Prozent einen Folsäuremangel, 7,7 Prozent einen Vitamin-B12-Mangel und 8,7 Prozent eine chronische Nierenerkrankung aufweisen. Der Sterblichkeit war im Fall einer Anämie um das Fünffache erhöht.

 

Das Bild zeigt, wie eine Pflegekraft mit Handschuhen einem Patienten Blut abnimmt.
Jeder Dritte, der sich einem größeren chirurgischen Eingriff unterzieht, leidet unter Blutarmut. © Daniel Peter / UKW
Zwei Tabellen, die zeigen die Verteilung der Ursachen nach Geschlecht und Alter.
Prävalenz der Ätiologie der Anämie nach Geschlecht und Alter. Quelle: Choorapoikayil, S. et al. The Lancet Global Health 2025

Frankfurt/Würzburg. Eine Anämie, umgangssprachlich auch Blutarmut genannt, schwächt den Körper bereits im Normalzustand. Durch die Verminderung der Hämoglobin-Konzentration im Blut werden die Zellen nämlich nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Hämoglobin ist ein sauerstofftragendes Protein, das sich in den roten Blutkörperchen (Erythrozyten) befindet. Ein Mangel an Hämoglobin führt zu Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen und Herz-Kreislauf-Beschwerden. 

Während einer Operation steht der Körper zusätzlich unter Stress, sodass das Risiko für Komplikationen wie Herz-Kreislauf-Probleme und Infektionen steigt. Da die Organe und das Gewebe schlechter mit Sauerstoff versorgt werden, verzögert sich auch die Wundheilung. Schließlich benötigen anämische Patientinnen und Patienten häufiger Bluttransfusionen, was weitere Risiken birgt.

Patient Blood Management – medizinisches Konzept zur Steigerung der Patientensicherheit durch Stärkung der körpereigenen Blutreserven

Oft wird Eisenmangel als Hauptgrund für diese Blutarmut angesehen. Deshalb beschränkt sich die präoperative Behandlung im Rahmen des „Patient Blood Managements“ bisher auf die Gabe von Eisenpräparaten. Das Auffüllen der Eisenspeicher fördert die Bildung neuer Blutzellen, verbessert die Sauerstoffversorgung und verringert den Transfusionsbedarf. Tatsächlich kann eine Anämie jedoch viele verschiedene Ursachen haben. Um diese besser zu verstehen und die Behandlung gezielter zu gestalten, wurde in der internationalen, multizentrischen, prospektiven ALICE-Studie untersucht, wie häufig Anämie vor größeren Operationen auftritt und welche Gründe dafür verantwortlich sind.

„Unser Ziel ist es, die Patientensicherheit zu erhöhen und ein ganzheitliches Anämie-Management zu etablieren“, sagen Prof. Dr. Patrick Meybohm, Direktor der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie am Universitätsklinikum Würzburg (UKW), und Prof. Kai Zacharowski, Direktor der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie des Universitätsklinikums Frankfurt am Main. Meybohm und Zacharowski sind die Letztautoren der Studie. Als Leiter des Deutschen Patient Blood Management Netzwerks liegt ihnen besonders am Herzen, die körpereigenen Blutreserven zu stärken (patientbloodmanagement.de).

Die Auswertung der Daten von insgesamt 2.830 Patientinnen und Patienten aus 79 Krankenhäusern in 20 Ländern auf fünf Kontinenten wurde nun in der renommierten Fachzeitschrift The Lancet Global Health veröffentlicht. Die in der Studie untersuchten Personen waren mindestens 18 Jahre alt, unterzogen sich einer größeren Operation und hatten einen mindestens 24-stündigen Krankenhausaufenthalt.

Neben Eisenmangel kann auch ein Mangel an Folsäure oder Vitamin B12 zur Anämie führen

Erstautorin Dr. Suma Choorapoikayil von der Universitätsmedizin Frankfurt fasst die Ergebnisse zusammen: „Unter den Patientinnen und Patienten hat jeder Dritte eine Anämie. Mehr als die Hälfte von ihnen (55,2 %) wies einen Eisenmangel auf, 7,7 % einen Vitamin-B12-Mangel, 14,5 % einen Folsäuremangel und 8,7 % eine chronische Nierenerkrankung. Zudem zeigte sich in unseren Ergebnissen, dass eine präoperative Anämie das Risiko für Bluttransfusionen um das Dreifache, die Komplikationsrate um das 2,5-Fache und die Sterblichkeit um das Fünffache erhöht.“

Die Autoren sind sich einig, dass es entscheidend für die Zukunft ist, eine präoperative Anämie, die mit einer so hohen Häufigkeit auftritt und einen erheblichen Einfluss auf das operative Ergebnis hat, nicht mehr zu ignorieren. Zudem müsse neben dem Eisenmangel auch ein Vitamin-B12- und Folsäuremangel diagnostisch und therapeutisch berücksichtigt werden.

Publikation: 
Choorapoikayil, S., Baron, D.M., Spahn, D.R., Lasocki, S., Boryshchuk, D., Yeghiazaryan, L., Posch, M., Bisbe, E., Metnitz, P., Reichmayr, M., Zacharowski, K., Meybohm, P., the German Society of Anaestesiology and Intensive Care (GSAIC) Trials Group, SFAR research network, Supportive Anaesthesia Trainee-led Audit and Research Network (SATURN), and the ALICE study collaborators. The aetiology and prevalence of preoperative anaemia in patients undergoing major surgery (ALICE): an international, prospective, observational cohort study; The Lancet Global Health 2025, Volume 13, Issue 12, e2041 - e2050

Verantwortliche:

  • Dr. Suma Choorapoikayil und Univ.-Prof. Dr. Dr. Kai Zacharowski (Goethe Universität, Universitätsmedizin Frankfurt, Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie)
  • Univ.-Prof. Dr. Patrick Meybohm (Universitätsklinikum Würzburg, Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie)
Das Bild zeigt, wie eine Pflegekraft mit Handschuhen einem Patienten Blut abnimmt.
Jeder Dritte, der sich einem größeren chirurgischen Eingriff unterzieht, leidet unter Blutarmut. © Daniel Peter / UKW
Zwei Tabellen, die zeigen die Verteilung der Ursachen nach Geschlecht und Alter.
Prävalenz der Ätiologie der Anämie nach Geschlecht und Alter. Quelle: Choorapoikayil, S. et al. The Lancet Global Health 2025

Weltweit häufig zitierte Forscher aus Würzburg

Fünf Professoren der Uni Würzburg gehören zu den Highly Cited Researchers 2025. In diese Liste werden Forschende aufgenommen, deren Arbeiten besonders oft von anderen zitiert werden.

Auf dem Bild ist eine Collage erstellt mit den fünf Herren. Oben in der Mitte zwischen zwei Bildern ist das Logo Highly Cited Researchers 2025.
Häufig zitierte Würzburger Forscher (im Uhrzeigersinn): Ronny Thomale, José Pedro Friedmann Angeli, Georg Gasteiger, Dominic Grün und Christoph Wanner. (Bilder: Tobias Ritz / José Pedro Friedmann Angeli / Katja Krause / Marcus Rockoff / Daniel Peter)

Das auf Zitationsdaten spezialisierte Unternehmen Clarivate Analytics hat eine neue Liste mit weltweit häufig zitierten Forschenden veröffentlicht. Darin finden sich erneut auch Professoren der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU): der Zellforscher José Pedro Friedmann Angeli, der Mediziner und Immunologe Georg Gasteiger, der Systembiologe Dominic Grün, der Physiker Ronny Thomale und der Mediziner Christoph Wanner.

Clarivate veröffentlicht die Liste jedes Jahr im November. Wer darin auftaucht, gilt als exzellent in der Wissenschaft und hat in den vergangenen elf Jahren mehrfach Forschungsergebnisse publiziert, die von anderen Forschenden sehr häufig zitiert werden. Als häufig zitiert gelten Publikationen, die in ihrem Erscheinungsjahr zu den ein Prozent am meisten zitierten ihres Fachgebiets gehören.

2025 besteht die Liste aus 7.131 Persönlichkeiten. Die meisten arbeiten in den USA (42 Prozent), gefolgt von China (12 Prozent) und dem Vereinigten Königreich (9). Deutschland liegt mit 5 Prozent der oft zitierten Forschenden auf Platz 4.

Gratulation vom Universitätspräsidenten

JMU-Präsident Paul Pauli beglückwünscht die Forscher: „Dass fünf Würzburger Wissenschaftler zu den Highly Cited Researchers zählen, belegt eindrucksvolle die internationale Sichtbarkeit unserer Universität. Meinen Glückwunsch an die Ausgezeichneten!“

Prof. Dr. José Pedro Friedmann Angeli

Der Professor am Rudolf Virchow Zentrum – Center for Integrative and Translational Bioimaging wird seit fünf Jahren in Folge als Highly Cited Researcher ausgezeichnet. Mit seiner Arbeit liefert er eine neue Definition davon, wie Zellen leben und sterben. Seine Forschung zeigt, wie oxidative Kräfte an Zellmembranen kontrolliert werden und wie Veränderungen in diesem Gleichgewicht die Ferroptose auslösen können, eine regulierte Form des Zelltods. Er sucht neue Wege, um das Schicksal von Zellen vorherzusagen und zu beeinflussen und die Membran-Redox-Biologie für präzise Behandlungen zu nutzen. Seine Arbeit eröffnet Möglichkeiten, schwer zu behandelnde Krebsarten gezielter zu therapieren. Und sie liefert eine Vorlage für Innovationen in der translationalen Zellbiologie.

Prof. Dr. Georg Gasteiger

Der Gründungsdirektor der Max-Planck-Forschungsgruppe für Systemimmunologie an der Uni Würzburg und Leiter des JMU-Lehrstuhls für Systemimmunologie II ist ein international führender Immunologe und hat Pionierarbeiten zur Biologie von Immunzellen in Geweben geleistet. Sein Team erforscht die Wechselwirkungen von Lymphozyten mit den verschiedenen Geweben des Körpers. Von ihm stammen grundlegende Beiträge zur gewebespezifischen Regulation des angeborenen und adaptiven Immunsystems im Kontext der Entwicklung, Reparatur und Alterung verschiedener Organe. Gasteigers Gruppe möchte verstehen, wie diese Regulationsmechanismen zur Abwehr von Infektionen oder Tumoren oder zur Entstehung entzündlicher Erkrankungen beitragen.

Prof. Dr. Dominic Grün

Der Leiter des Lehrstuhls für Computational Biology of Spatial Biomedical Systems und Direktor am Institut für Systemimmunologie erforscht mit hochauflösenden Methoden Prozesse der Zelldifferenzierung im Knochenmark und im Lebergewebe. Seine Arbeitsgruppe hat zahlreiche bioinformatische Algorithmen entwickelt, um Daten zu entschlüsseln, die mittels Einzelzell-RNA-Sequenzierung gewonnen wurden. Mit diesen Methoden konnte der Physiker einen ersten Zelltyp-Atlas der menschlichen Leber erstellen und zu einem besseren Verständnis der Gewebearchitektur und Zelldifferenzierung in der Leber beitragen. Seine Arbeitsgruppe erforscht außerdem molekulare und zelluläre Prozesse bei der Geweberegeneration von Leber, Herz und Knochenmark.

Prof. Dr. Ronny Thomale

Der Leiter des Lehrstuhls für Theoretische Physik I befasst sich mit der Beschreibung stark korrelierter Elektronenzustände.. Materialien mit diesen Eigenschaften bringen erstaunliche Phänomene hervor, wie zum Beispiel Supraleitung, Quanten-Hall-Effekt, Spinflüssigkeiten, Topologische Isolatoren und Magnetismus. Thomales Grundlagenforschung zielt darauf ab, neue Quantenzustände von Materie vorherzusagen und mögliche Materialkandidaten, vereint mit experimentellen Untersuchungen, besser zu verstehen. Sie erstreckt sich auch auf synthetische Festkörpersysteme, die für die Simulation spezieller Eigenschaften von Quantenmaterialien verwendet werden können.

Prof. Dr. Christoph Wanner

Der Seniorprofessor und frühere Leiter des Schwerpunktes Nephrologie an der Medizinischen Klinik und Poliklinik I des Würzburger Universitätsklinikums ist Experte für Nierenkrankheiten bei Diabetes mellitus sowie für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Dialysepatienten und nach Nierentransplantationen. Durch weltweit angelegte klinische Studien konnte er erstmals zeigen, dass bei Diabetikern ein in der Niere wirksames Medikament das Fortschreiten der Nierenerkrankung entscheidend verzögern kann. Die Diagnostik, Prognoseerstellung und Therapie von Fettstoffwechselstörungen bei Nierenkranken sind weitere Schwerpunkte seiner Arbeit.

Weblink: Highly Cited Researchers 2025 https://clarivate.com/highly-cited-researchers/

 

Pressemitteilung der Universität Würzburg vom 12. November 2025

Auf dem Bild ist eine Collage erstellt mit den fünf Herren. Oben in der Mitte zwischen zwei Bildern ist das Logo Highly Cited Researchers 2025.
Häufig zitierte Würzburger Forscher (im Uhrzeigersinn): Ronny Thomale, José Pedro Friedmann Angeli, Georg Gasteiger, Dominic Grün und Christoph Wanner. (Bilder: Tobias Ritz / José Pedro Friedmann Angeli / Katja Krause / Marcus Rockoff / Daniel Peter)

Vorhofflimmern: Gestörte Kalzium-Kommunikation bringt das Herz aus dem Takt

Eine gemeinsame Studie der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) und des Universitätsklinikums Würzburg liefert neue Einblicke, warum Herzmuskelzellen bei Vorhofflimmern aus dem Rhythmus geraten. Eine gestörte Kalzium-Kommunikation zwischen zentralen Zellstrukturen des Herzens könnte dabei ein entscheidender Mechanismus sein. Die Ergebnisse sind im Fachjournal „Circulation Research“ veröffentlicht.

Collage mit Porträts der Forscher rechts und links dem Titelbild der November-Ausgabe von Circulation Research.
Rechts das Titelbild der aktuellen Ausgabe von Circulation Research, erstellt von Julius Pronto (oben rechts bei der Untersuchung von Mitochondrien am Fluoreszenzmikroskop): Das Coverbild zeigt die regelmäßige, blau eingefärbte Anordnung der Mitochondrien in Herzmuskelzellen aus dem Vorhof eines Patienten ohne Herzrhythmusstörung. In Magenta ist das Zytoskelett dargestellt, das die Struktur der Zellen stützt und zur geordneten Organisation der Mitochondrien beiträgt. Mitte rechts Prof. Dr. Niels Voigt, unten rechts Prof. Dr. Christoph Maack. Collage mit Bildern von UMG/Swen Pförtner und UKW.

Göttingen/Würzburg. Vorhofflimmern ist die häufigste Form anhaltender Herzrhythmusstörungen. Laut der Deutschen Herzstiftung sind in Deutschland rund zwei Millionen Menschen betroffen. Die Erkrankung betrifft die elektrische Aktivität des Herzens und kann zu unregelmäßigen Herzschlägen, Atemnot und im weiteren Verlauf zu ernsthaften Komplikationen wie Herzschwäche oder Schlaganfall führen. Warum die Herzmuskelzellen bei Vorhofflimmern aus dem Takt geraten, war bislang nicht ausreichend geklärt.

Ein Forschungsteam der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) um Prof. Dr. Niels Voigt, Professor für Molekulare Pharmakologie am Institut für Pharmakologie und Toxikologie der UMG, und des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) um Prof. Dr. Christoph Maack, Leiter des Departments Translationale Forschung am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz (DZHI) des UKW, hat nun neue Hinweise darauf gefunden, dass eine gestörte Kommunikation zwischen zentralen Zellstrukturen des Herzmuskels entscheidend zur Entstehung der Rhythmusstörung beiträgt.

Mitochondriale Kalziumaufnahme ist bei Vorhofflimmern vermindert

Im Fokus der Forschung stehen die Mitochondrien, die „Kraftwerke der Zelle“, und das sarkoplasmatische Retikulum, ein feines Röhrchensystem innerhalb der Herzmuskelzelle, das Kalzium speichert und bei jedem Herzschlag freisetzt. Dieses Kalzium sorgt dafür, dass sich der Herzmuskel zusammenzieht. Die Mitochondrien nutzen dieses Kalziumsignal, um Energie zu erzeugen, insbesondere dann, wenn das Herz unter Belastung steht. Normalerweise sind das sarkoplasmatisches Retikulum und die Mitochondrien eng gekoppelt: Bei Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern scheint diese Kopplung jedoch gestört zu sein. Das Team konnte zeigen, dass die mitochondriale Kalziumaufnahme bei Vorhofflimmern vermindert ist und die Regeneration wichtiger Energieträger eingeschränkt bleibt. Hochauflösende Mikroskopieaufnahmen belegen außerdem, dass die räumliche Nähe zwischen sarkoplasmatischem Retikulum und Mitochondrien in erkrankten Zellen verloren geht und damit die Energieversorgung des Herzmuskels aus dem Gleichgewicht gerät. 

„Wir vermuten, dass der Verlust an Kalzium-Kommunikation zur elektrischen Instabilität des Herzmuskels beiträgt und damit ein zentraler Mechanismus der Rhythmusstörung ist“, erklären Prof. Voigt und Prof. Maack. Die Erkenntnisse sind im Fachjournal „Circulation Research“ veröffentlicht.

Cholesterinsenker unterstützt bei Kalziumaufnahme

In ihren Untersuchungen analysierte das Team Herzmuskelproben von Patient*innen mit und ohne Vorhofflimmern. Neben biochemischen Messungen kamen auch hochauflösende bildgebende Verfahren wie die Elektronentomographie und die STED-Nanoskopie zum EinsatzMit der Elektronentomographie lassen sich Zellstrukturen in dreidimensionaler Ansicht bis auf Nanometer-Ebene darstellen. Mit der Methode konnten die Forschenden die räumliche Nähe zwischen den Mitochondrien und dem sarkoplasmatischen Retikulum exakt vermessen. Die STED-Nanoskopie (Stimulated Emission Depletion Microscopy) ermöglichte es darüber hinaus, die Feinstruktur der Zellen mit einer deutlich höheren Auflösung als bei herkömmlicher Lichtmikroskopie sichtbar zu machen. Auf diese Weise konnten die Wissenschaftler*innen zeigen, dass die Mitochondrien bei Vorhofflimmern ihre geordnete Struktur verlieren und sich vom sarkoplasmatischen Retikulum ablösen.

Die Arbeitsgruppen prüften, ob sich die gestörte Funktion des Herzens beeinflussen lässt – mit einem überraschenden Befund: Ein bereits zugelassenes cholesterinsenkendes Medikament konnte die Kalziumaufnahme der Mitochondrien in Herzmuskelzellen teilweise wieder normalisieren. Eine Auswertung von Daten von Patientinnen und Patienten ergab zudem, dass Menschen, die dieses Medikament einnahmen, seltener an Vorhofflimmern litten. 

„Unsere Ergebnisse eröffnen neue Perspektiven für die Behandlung von Vorhofflimmern“, so Erstautor Dr. Julius Pronto, Postdoktorand am Institut für Pharmakologie und Toxikologie der UMG. „Wenn es gelingt, die Mitochondrien gezielt zu stabilisieren und ihre Kalziumaufnahme zu verbessern, könnte das langfristig das Risiko für Herzrhythmusstörungen senken.“

Kalzium im Fokus

Bereits in einer früheren Studie in Zusammenarbeit mit der Uniklinik Würzburg konnte die Arbeitsgruppe zeigen, dass Kalzium auch als Marker helfen kann, das Risiko für gefährliche Herzrhythmusstörungen nach Herzoperationen besser vorherzusagen. Die neue Arbeit geht nun einen Schritt weiter und beleuchtet die grundlegenden zellulären Mechanismen, die solchen Störungen zugrunde liegen können.

Forschungsförderung

Das Forschungsvorhaben wurde vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK), der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) sowie dem Göttinger Exzellenzcluster „Multiscale Bioimaging: Von molekularen Maschinen zu Netzwerken erregbarer Zellen“ (MBExC) finanziell unterstützt.

Originalpublikation: 
Julius Ryan D. Pronto, et al. Impaired Atrial Mitochondrial Calcium Handling in Patients With Atrial Fibrillation. Circulation Research (2025). DOI: https://doi.org/10.1161/CIRCRESAHA.124.325658

Text: Universitätsmedizin Göttingen (UMG) / Unternehmenskommunikation

Collage mit Porträts der Forscher rechts und links dem Titelbild der November-Ausgabe von Circulation Research.
Rechts das Titelbild der aktuellen Ausgabe von Circulation Research, erstellt von Julius Pronto (oben rechts bei der Untersuchung von Mitochondrien am Fluoreszenzmikroskop): Das Coverbild zeigt die regelmäßige, blau eingefärbte Anordnung der Mitochondrien in Herzmuskelzellen aus dem Vorhof eines Patienten ohne Herzrhythmusstörung. In Magenta ist das Zytoskelett dargestellt, das die Struktur der Zellen stützt und zur geordneten Organisation der Mitochondrien beiträgt. Mitte rechts Prof. Dr. Niels Voigt, unten rechts Prof. Dr. Christoph Maack. Collage mit Bildern von UMG/Swen Pförtner und UKW.

Verbesserte Diagnostik von Kronen-Wurzel-Frakturen

Studie des UKW liefert praxisrelevante Erkenntnisse für das Frakturmanagement nach Zahnunfall – Tagungsbestpreis der DGET für die beste wissenschaftliche Studie geht an Ralf Krug

Ralf Krug und Edgar Schäfer stehen vor einer Logo-Wand - Ralf Krug hält die Urkunden in der rechten Hand.
Privatdozent Dr. Ralf Krug (links) erhält von Prof. Dr. Edgar Schäfer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Endodontologie und dentale Traumatologie, den Tagungsbestpreis 2024 für die beste „Wissenschaftliche Studie“. Bildquelle DGZMK/Jonas Güttler
Ansicht von segmentierten 3D-DVT-Aufnahmen verschiedener Zähne mit Kronen-Wurzel-Fraktur

Würzburg. Zähne mit einer sogenannten Kronen-Wurzel-Fraktur sind in der Regel kompliziert zu behandeln. Der Bruch verläuft nämlich von der sichtbaren Zahnkrone meist tief in die Zahnwurzel hinein und manchmal sind auch kleinere gelockerte Bruchstücke vorhanden. Eine frühere Studie aus der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie sowie des Zahnunfallzentrums am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) zeigte bereits, dass nach einer Wiederbefestigung solcher Fragmente oftmals Komplikationen auftreten und die Langzeitergebnisse begrenzt sind (Soliman et al. 2020*).

Welche therapeutisch relevanten Erkenntnisse lassen sich abhängig von Art und Umfang der Primärdiagnostik für die Behandlung von Zähnen mit Kronen-Wurzel-Fraktur ableiten? 

In einer weiteren Studie untersuchte die Würzburger Forschergruppe verschiedene zahnerhaltende Techniken und ermittelte eine Überlebensrate von 89,2 % sowie eine Komplikationsrate von 19 % nach 3,6 Jahren (Krug et al. 2024**). Um herauszufinden, wie gut sich die genaue Lage und Tiefe solcher Frakturen mit verschiedenen Untersuchungsmethoden feststellen lassen und welche Erkenntnisse für die Behandlung wichtig sind, wertete Privatdozent Dr. Ralf Krug, Oberarzt und Spezialist für Endodontologie am UKW, die Befunde der Primärdiagnostik noch einmal genauer aus. 

Tagungsbestpreis der Deutschen Gesellschaft für Endotontologie und zahnärztliche Traumatologie (DGET) e.V.

Seine Ergebnisse stellte Ralf Krug am 22. November 2024 bei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Endodontologie und zahnärztliche Traumatologie e.V. (DGET) in Hamburg vor. Für die Präsentation*** erhielt er nun bei dem diesjährigen Kongress, der vom 30.Oktober bis 1. November 2025 in Berlin stattfand, den wissenschaftlichen Tagungsbestpreis.

Insgesamt wurden 28 Patientinnen und Patienten mit 38 Kronen-Wurzel-Frakturen, überwiegend an Schneidezähnen untersucht. Bei jedem Patienten wurde dazu eine gründliche klinische Untersuchung mit Fotos, Röntgenaufnahmen und einer speziellen hochauflösenden digitalen Volumentomografie (DVT) in 3D durchgeführt. So konnten Merkmale wie die genaue Bruchlage, die Tiefe der Fraktur, feine Risse (Infraktionen) sowie zusätzliche Brüche in der Wurzel oder im Kieferknochen beurteilt werden. 

3D-Aufnahmen verbessern Primärdiagnostik von Kronen-Wurzel-Frakturen

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass 3D-Aufnahmen besonders hilfreich bei der Erstuntersuchung sein können, um aus zahnerhaltender Sicht die nötige Tiefe der Fraktur zu beurteilen und eventuelle zusätzliche Wurzelbrüche auszuschließen“, sagt Ralf Krug. „Vor einer Therapie ist jedoch eine gründliche klinische Inspektion der Frakturfläche unerlässlich, um Infraktionen, also feinste Risse, und Teilfragmente zu erkennen.“

Meist sind Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene von Zahnunfällen betroffen. In diesem Alter können keine Zahnimplantate gesetzt werden. Daher ist es sehr sinnvoll, die traumatisch geschädigten Zähne so zuverlässig wie möglich einschätzen zu können. „Unsere Daten zeigen, dass bei präziser Primärdiagnostik in sehr vielen Fällen auch Zähne mit Kronen-Wurzel-Fraktur stabil und langfristig erhalten werden könnten“, verdeutlicht Ralf Krug. 

Das Projekt wurde im Rahmen eines DGR²Z-GC-Grants der deutschen Fachgesellschaft für restaurative und regenerative Zahnerhaltung (DGR²Z) in Kooperation mit dem Dentalunternehmen GC Germany GmbH gefördert. 

Studien:

*Soliman et al. 2020 konnten für die Therapie der adhäsiven Fragmentbefestigung bis zu 56.8 % (25/44) restaurative und 22.7 % (10/44) endodontische Komplikationen feststellen. Das funktionelle Überleben der refixierten Fragmente betrug 66.7 % (26/39) nach ⌀ 9.5 Jahren. Soliman S, Lang LM, Hahn B, Reich S, Schlagenhauf U, Krastl G, Krug R. Long-term outcome of adhesive fragment reattachment in crown-root fractured teeth. Dent Traumatol. 2020 Aug;36(4):417-426. https://doi.org/10.1111/edt.12550

**Krug R, Soliman S, Reich S, Winkler A, Hahn B, Krastl G. Parodontaler Status nach Therapie von Zähnen mit Kronen-Wurzel-Fraktur – eine prospektive Beobachtungsstudie. Gemeinsame Jahrestagung DGZ & DGPRO, 13.-15. Juni 2024, Leipzig (Kurzpräsentation, PDF)

***Krug R, Soliman S, Connert T, Kroeger AT, Dietrich T, Krastl G. Detektion von Frakturmustern bei Zähnen mit Kronen-Wurzel-Fraktur im Rahmen der Primärversorgung. 13. Jahrestagung DGET, 21.-23. November 2024, Hamburg (Kurzpräsentation, PDF)

Ralf Krug und Edgar Schäfer stehen vor einer Logo-Wand - Ralf Krug hält die Urkunden in der rechten Hand.
Privatdozent Dr. Ralf Krug (links) erhält von Prof. Dr. Edgar Schäfer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Endodontologie und dentale Traumatologie, den Tagungsbestpreis 2024 für die beste „Wissenschaftliche Studie“. Bildquelle DGZMK/Jonas Güttler
Ansicht von segmentierten 3D-DVT-Aufnahmen verschiedener Zähne mit Kronen-Wurzel-Fraktur

Molekularer Herzatlas zeigt Wege zur besseren Heilung nach Infarkt

Nach einem Herzinfarkt entsteht Narbengewebe. Forschende aus Würzburg und Freiburg zeigen mit einem molekularen Herzatlas, wie Zellen daran mitwirken – und wie sich Heilung gezielt fördern ließe.

Ein Kreis mit bunter grafischer Darstellung, um sichtbar zu machen, wie einzelne MRNA-Moleküle das Zusammenspiel von Zelltypen während der Herzgewebereparatur nach einem Infarkt zeigt.
Ein Zelltyp-Atlas mit räumlicher Auflösung auf der Ebene einzelner mRNA-Moleküle zeigt das Zusammenspiel von Zelltypen während der Herzgewebereparatur nach einem Infarkt. (Bild: Andy Chan / Uni Würzburg)

Im Laufe der Evolution hat unser Herz die Fähigkeit zur Regeneration weitgehend verloren. Unsere Vorfahren kannten keine Herzinfarkte, entstehen sie doch vor allem durch ungesunde Ernährung, Übergewicht und andere moderne Risikofaktoren.  

Kommt es zu einem Herzinfarkt, entsteht im Verlauf der Heilung Narbengewebe im Herzen. Dieses stabilisiert zwar das Organ, bei übermäßiger Bildung verliert das Herz aber an Pumpkraft, da funktionsfähige Herzmuskelzellen verloren gehen. Das kann langfristig zu Herzschwäche oder Herzversagen führen.  

Zellatlas liefert Anhaltspunkte für bessere Heilung nach Herzinfarkt 

Damit die Heilung gelingt, müssen viele Zelltypen präzise zusammenarbeiten und ihre Aktivitäten über Raum und Zeit koordinieren. Diese komplexen Abläufe konnte das Forschungsteam nun durch einen molekularen Atlas des Herzens mit räumlicher und zeitlicher Auflösung nach einer Verletzung sichtbar machen.

„Unser molekularer Zellatlas zeigt, wie verschiedene Zelltypen bei der Herzreparatur miteinander kommunizieren und die Heilung steuern“, erklärt Professor Dominic Grün, Leiter des Lehrstuhls für Computational Biology of Spatial Biomedical Systems und Direktor am Institut für Systemimmunologie der Universität Würzburg. „Er bietet eine wichtige Grundlage für künftige Studien, um übermäßige Narbenbildung nach einem Herzinfarkt zu verhindern und die Pumpfunktion des Herzmuskels aufrechtzuerhalten.“

Das Team kombinierte modernste Analysemethoden – Einzelzell-RNA-Sequenzierung und räumliche Transkriptomik – und entdeckte dabei: Bestimmte Immunzellen, sogenannte Makrophagen, steuern die Bindegewebszellen und verhindern so übermäßige Narbenbildung. „Dieses Wissen eröffnet neue Möglichkeiten, die Heilung des Herzens gezielt zu fördern, etwa durch die Aktivierung spezifischer Signalwege“, sagt Dr. Andy Chan, Hauptautor der Studie und Postdoc in der Gruppe von Dominic Grün.

Sonderforschungsbereich 1425  

Die Studie wurde im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 1425 von einem Team aus Forschenden der Universität Würzburg und des Universitätsklinikums Freiburg durchgeführt.  

„Der Sonderforschungsbereich 1425 hat sich die Entwicklung neuer Methoden zur Diagnose und Therapie von Herzkrankheiten zum Ziel gesetzt. Unser Fokus liegt darauf, die natürlichen Reparaturprozesse des Herzens zu nutzen, um bessere Narben zu bilden,“ fasst Professor Peter Kohl zusammen, und ergänzt: „Dies wird durch die neue Studie eindrucksvoll belegt“. Er ist Sprecher des Sonderforschungsbereichs1425 der Universität Freiburg und hat gemeinsam mit Dr. Franziska Schneider-Warme vom Universitätsklinikum Freiburg entscheidende Beiträge zu der Studie geleistet.

Originalpublikation     

Andy Shing-Fung Chan, Joachim Greiner, Lisa Marschhäuser, Tomás A. Brennan, Stefanie Perez-Feliz, Ankit Agrawal, Helene Hemmer, Katrin Sinning, Jennifer Wing Lam Cheung, Zafar Iqbal, Alexander Klesen, Tamara Antonela Vico, Julieta Aprea, Ingo Hilgendorf, Thomas Seidel, Martin Vaeth, Eva A. Rog-Zielinska, Peter Kohl, Franziska Schneider-Warme & Dominic Grün: “ Spatiotemporal dynamics of the cardioimmune niche during lesion repair“; in Nature Cardiovascular Research, DOI: 10.1038/s44161-025-00739-6 

 

einBlick - Das Online-Magazin der Universität Würzburg vom 04.11.2025

Ein Kreis mit bunter grafischer Darstellung, um sichtbar zu machen, wie einzelne MRNA-Moleküle das Zusammenspiel von Zelltypen während der Herzgewebereparatur nach einem Infarkt zeigt.
Ein Zelltyp-Atlas mit räumlicher Auflösung auf der Ebene einzelner mRNA-Moleküle zeigt das Zusammenspiel von Zelltypen während der Herzgewebereparatur nach einem Infarkt. (Bild: Andy Chan / Uni Würzburg)