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Kann NONS die Ausbreitung der Viruslast reduzieren und die Genesung beschleunigen?

STICKSTOFFMONOXID-NASENSPRAY BEI ATEMWEGSERKRANKUNGEN

Eine europaweite Studie unter Beteiligung des Würzburger Instituts für Allgemeinmedizin untersucht die Sicherheit und Wirksamkeit eines Nasensprays mit Stickstoffmonoxid (NONS) zur Behandlung von COVID-19 und anderen Atemwegserkrankungen in der Primärversorgung.

 

Illustration von Frau, die sich die Nase putzt
Erkältungen, grippale Infekte und COVID-19-Viren halten sich nicht an den Kalender und machen keine Sommerpause. In der europäischen Studie ECRAID-Prime wird die Sicherheit und Wirksamkeit eines Nasensprays mit Stickstoffmonoxid (NONS) zur Behandlung von COVID-19 und anderen Atemwegserkrankungen in der Primärversorgung untersucht. © MVshop - stock.adobe.com
Studynurses, Studienärzte und Leiterin der Studie posieren im Institut für Allgemeinmedizin, 2 Personen sitzen, vier Personen stehen dahinter.
Das ECRAID-Prime-Studienteam am Würzburger Institut für Allgemeinmedizin: hinten stehend v.l.n.r.: Kathrin Lasher, Alexander Nicolas Schwager, Christiane Wagner, Ildikó Gágyor; vorne sitzend Andreas Klug und Maike Ermster. © Bianca Steinmann / UKW

Würzburg. Schon wieder Schnupfen? Hals-, Kopf- und Gliederschmerzen? Sie wollen nur noch schlafen? Erkältungen, grippale Infekte und COVID-19-Viren halten sich nicht an den Kalender und machen keine Sommerpause. Sie schlagen auch zu, wenn die Sonne scheint. Wer die Atemwegsinfektion im Keim ersticken und sein Umfeld schützen will, dem könnte möglicherweise ein neues Nasenspray helfen, dessen Sicherheit und Wirksamkeit derzeit in der europaweiten Studie ECRAID-Prime untersucht wird. Insgesamt acht europäische Länder nehmen an der von der EU geförderten Plattform-Studie teil. Für Deutschland führt das Institut für Allgemeinmedizin des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) die Studie durch. 

Auswirkungen von Atemwegserkrankungen auf Gesundheit des Einzelnen und der Bevölkerung verringern

ECRAID steht für European Clinical Research Alliance on Infectious Diseases. Ziel dieses länderübergreifenden Forschungsnetzwerks ist es, die Auswirkungen von Atemwegserkrankungen auf die Gesundheit des Einzelnen und der Bevölkerung zu verringern. Erkältungskrankheiten gehören zu den häufigsten Ursachen für Krankschreibungen. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) schätzte die volkswirtschaftlichen Produktionsausfälle durch Arbeitsunfähigkeit im Jahr 2023 auf insgesamt 128 Milliarden Euro.

Stickstoffmonoxid-Nasenspray tötet Viren lokal ab, bevor sie sich im Körper ausbreiten können

ECRAID-Prime ist Europas erste Plattformstudie zur Sicherheit und Wirksamkeit von neuen Therapiemethoden der Atemwegsinfektionen in der Primärversorgung. Untersucht wird zunächst ein Nasenspray (NS), das eine geringe Dosis von Stickstoffmonoxid (NO) freisetzt. NO hat antimikrobielle Eigenschaften und kann verschiedene Krankheitserreger, einschließlich Viren, bekämpfen. Das Spray, abgekürzt NONS, soll Viren in den oberen Atemwegen eliminieren, bevor sie sich im Körper ausbreiten können. Eine vorhergehende Studie konnte zeigen, dass NONS die Viruslast in der Nase schneller reduzieren kann als ein Placebo.

Mindestens ein respiratorisches und ein systemisches Symptom

An der ECRAID-Prime-Studie können Personen ab 18 teilnehmen, die seit maximal drei Tagen Symptome einer Atemwegsinfektion haben. „Die Studienteilnehmenden sollten sowohl ein respiratorisches Symptom wie Husten, Halsschmerzen, Schnupfen oder Kurzatmigkeit, als auch ein systemisches Symptom wie Fieber, Kopf- oder Gliederschmerzen, Müdigkeit, Geschmacks- oder Geruchsverlust haben“, erklärt Maike Ermster, Studienassistentin am Institut für Allgemeinmedizin in Würzburg. 

Das Studienteam arbeitet bei der Rekrutierung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer eng mit niedergelassenen Hausärztinnen und Hausärzten in Würzburg und Umgebung zusammen. Interessierte können sich für weitere Informationen aber auch an das Studienteam wenden, per E-Mail unter ECRAID-Prime@ ukw.de oder telefonisch über 0931/201-47818 bzw. 0931/201-47802 (9 bis 17 Uhr). 

Hausbesuch vom Studienteam 

„Da wir die Patientinnen und Patienten für den Studieneinschluss meist noch am selben Tag zu Hause besuchen, sollten die Studienteilnehmenden in Würzburg oder Umgebung wohnen“, betont Studienarzt Nicolas Schwager. Nach der Aufklärung und Einwilligung erfolgt die Randomisierung. Das heißt, die Studienteilnehmenden werden nach dem Zufallsprinzip der Versuchsgruppe mit NONS (6 x am Tag über 7 Tage), der Vergleichsgruppe mit Kochsalz-Nasenspray oder einer dritten Gruppe ohne spezifische Anwendung zugeordnet. In allen Gruppen ist jedoch die so genannte „usual care“ erlaubt, also eine übliche Behandlung mit Schmerztabletten, Dampfbädern oder Ähnlichem. Alle Gruppen werden außerdem gebeten, ein Tagebuch zu führen und regelmäßig Nasenabstriche zu machen, die eingefroren und später vom Studienteam gesammelt werden. 

„Unsere bisherigen Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer haben in allen drei Gruppen sehr gut mitgemacht, auch diejenigen ohne Nasenspray waren hoch motiviert, unsere Forschung zu unterstützen. Denn ohne diese Gruppe hätten wir keine validen Ergebnisse,“ sagt Maike Ermster. Das Team freut sich sowohl über weitere rekrutierende Hausarztpraxen als auch über direkte Kontakte zu studieninteressierten Patientinnen und Patienten. 

Schlüssel zur Eindämmung von Infektionskrankheiten liegt im schnellen Handeln direkt dort, wo sie entstehen: in der Gemeinschaft 

„Sollte ECRAID-Prime belegen, dass NONS die Genesung beschleunigen und die Verbreitung von Viren verringern kann, wäre ein weiterer wichtiger Schritt getan, um künftige Erkältungs- und Grippewellen frühzeitig einzudämmen“, verdeutlicht Nicolas Schwager. „Je schneller wir dort handeln, wo die Infektionskrankheiten entstehen, nämlich direkt in der Gemeinschaft, desto besser können wir zukünftigen Ausbrüchen zuvorkommen.“

Link zur Studie am Institut für Allgemeinmedizin: ECRAID-Prime - Institut für Allgemeinmedizin

Text: KL / Wissenschaftskommunikation

Illustration von Frau, die sich die Nase putzt
Erkältungen, grippale Infekte und COVID-19-Viren halten sich nicht an den Kalender und machen keine Sommerpause. In der europäischen Studie ECRAID-Prime wird die Sicherheit und Wirksamkeit eines Nasensprays mit Stickstoffmonoxid (NONS) zur Behandlung von COVID-19 und anderen Atemwegserkrankungen in der Primärversorgung untersucht. © MVshop - stock.adobe.com
Studynurses, Studienärzte und Leiterin der Studie posieren im Institut für Allgemeinmedizin, 2 Personen sitzen, vier Personen stehen dahinter.
Das ECRAID-Prime-Studienteam am Würzburger Institut für Allgemeinmedizin: hinten stehend v.l.n.r.: Kathrin Lasher, Alexander Nicolas Schwager, Christiane Wagner, Ildikó Gágyor; vorne sitzend Andreas Klug und Maike Ermster. © Bianca Steinmann / UKW

Migränetrigger: Konfrontation statt Vermeidung

Universitätsmedizin Würzburg sucht Menschen mit und ohne Migräne für Neurofeedback-Studie im Bereich Migränetrigger

Collage der freigestellten Porträts von Sebastian Evers und Morgane Paternoster
Doktorand Sebastian Evers leitet gemeinsam mit Doktorandin Morgane Paternoster die Neurofeedback-Studie in der Neurologie des Uniklinikums Würzburg und am Institut für Psychologie der Universität Würzburg, an der Personen mit und ohne Migräne teilnehmen können. © UKW
Bild vom Monitor, davor ist ein Kopfmodel mit EEG-Haube und ein Maßband
Beim Neurofeedback wird mit Hilfe eines Elektroenzephalogramms (EEG) die Gehirnaktivität auf dem Bildschirm gezeigt. Durch gezieltes Training können die Gehirnströme beeinflusst und reguliert werden. © Sebastian Evers / UKW
Ein Proband sitzt vor einem Monitor und hat eine Haube für das Elektroenzephalogramm auf dem Kopf
EEG-Messung eines Probanden während einer Verhaltensentscheidung. Foto: Sebastian Evers / UKW
Die beiden Wissenschaftlerinnen sitzen mit weißen Kitteln im Labor und pipettieren.
Salomea Löffl (links) und Morgane Paternoster bei der Probenanalyse im Labor. Foto: Sonja Gommersbach / UKW

Würzburg. Migräne ist nicht nur schmerzhaft, sondern beeinträchtigt auch das familiäre, soziale und berufliche Leben. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zählt der halbseitige Kopfschmerz, der mit vielfältigen Begleitsymptomen einhergeht, zu den zehn häufigsten Ursachen für Arbeitsunfähigkeit. Weltweit ist etwa jeder siebte Mensch von regelmäßigen Migräneattacken betroffen. Die meisten leiden jedoch leise. Schätzungsweise jeder Zweite behandelt seine Migräne selbst, anstatt professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Viele kennen die Faktoren oder Situationen, die möglicherweise die Migräneattacke auslösen und versuchen diese so genannten Trigger zu vermeiden. Solche Vermeidungsstrategien können jedoch langfristig zu einer zunehmenden Sensibilisierung des Gehirns und einer erhöhten Empfindlichkeit führen, was stärkere und häufigere Migräneattacken zur Folge hat. 

„Statt Trigger komplett zu vermeiden, was im Alltag oft auch gar nicht möglich ist, empfiehlt sich daher eine Triggerbewältigung, bei dem sich die Betroffenen den Triggern von Zeit zu Zeit bewusst aussetzen“, sagt Prof. Dr. Claudia Sommer. Die Oberärztin an der Neurologischen Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) leitet gemeinsam mit Prof. Dr. Andrea Kübler im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Graduiertenkollegs 2660 das Projekt „Approach and avoidance behaviour in pain management“ – Konfrontations- und Vermeidungsverhalten zur Bewältigung von chronischen Schmerzen. 

Gehirnwellen gezielt steuern für bessern Umgang mit Migränetriggern

In der Migränetrigger-Interventionsstudie untersucht Claudia Sommer derzeit mit ihrem Team, ob eine Intervention mit Neurofeedback den Betroffenen helfen kann, besser mit ihren persönlichen Migräne-Triggern umzugehen. „Neurofeedback ist ein Verfahren, das auf dem Prinzip der Neuroplastizität basiert, also der Fähigkeit des Gehirns, sich durch Training zu verändern und anzupassen“, erklärt Morgane Paternoster. Die Doktorandin der Neurologie leitet die Neurofeedback-Studie gemeinsam mit dem Doktoranden Sebastian Evers. „Mit Hilfe eines Elektroenzephalogramms (EEG) werden die Gehirnströme in Echtzeit auf einem Bildschirm sichtbar gemacht. Das heißt, wir bekommen ein direktes Feedback zur Gehirnaktivität, die durch gezieltes Training beeinflusst und reguliert werden kann“, so Paternoster. 
Die an Migräne erkrankten Studienteilnehmerinnen und Studienteilnehmer kommen für insgesamt sechs bis acht Neurofeedback-Sitzungen innerhalb von drei Wochen in das Psychologiegebäude der Universität Würzburg in der Nähe des Hauptbahnhofs. Vor und nach der Interventionsphase findet eine so genannte Baseline-Untersuchung in der Kopfklinik des UKW mit neurologischen, neurobiologischen und Verhaltenstests sowie einer Blutentnahme und einer EEG-Analyse statt.

Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit und ohne Migräne gesucht

„Wer unsere Forschung unterstützen und dazu beitragen möchte, Migräne besser zu verstehen und in Zukunft besser behandeln zu können, ist herzlich eingeladen, an unserer Studie teilzunehmen. Wir suchen noch Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Migräne, aber auch ohne Migräne oder Kopfschmerzerkrankung, um unsere Messungen vergleichen zu können“, teilt Sebastian Evers mit. Für die so genannte Kontrollgruppe ist lediglich ein zwei- bis dreistündiger Termin mit Blutentnahme und EEG-Messungen in Ruhe und während Verhaltenstests erforderlich. Für den Zeitaufwand erhalten alle Studienteilnehmenden eine Aufwandsentschädigung: gesunde Personen ohne Migräne oder Kopfschmerzerkrankung in der Kontrollgruppe 25 Euro, Personen mit Migräne in der Interventionsgruppe bis zu 200 Euro.

Kriterien für den Studieneinschluss, Anmeldung und Kontakt

Ob gesund oder krank: Die Probandinnen und Probanden sollten mindestens 18 Jahre alt sein, nicht schwanger und weder farbenblind noch schwerhörig sein, nicht unter weiteren neurologischen Erkrankungen und unter Bluthochdruck leiden und derzeit keine Psychostimulanzien oder Antidepressiva einnehmen. 

Anmeldung: https://patientenportal.ukw.de – Fachbereich „Neurologie-Studien“ – Sektion wählen und bei Termintyp Fallgruppe oder Kontrollgruppe auswählen. 

Kontakt:
Morgane Paternoster, paternoste_m@ukw.de, Telefon: 0931 / 201 23741
Sebastian Evers, Evers_S@ukw.de, Telefon: 0931 / 3189618
 

Collage der freigestellten Porträts von Sebastian Evers und Morgane Paternoster
Doktorand Sebastian Evers leitet gemeinsam mit Doktorandin Morgane Paternoster die Neurofeedback-Studie in der Neurologie des Uniklinikums Würzburg und am Institut für Psychologie der Universität Würzburg, an der Personen mit und ohne Migräne teilnehmen können. © UKW
Bild vom Monitor, davor ist ein Kopfmodel mit EEG-Haube und ein Maßband
Beim Neurofeedback wird mit Hilfe eines Elektroenzephalogramms (EEG) die Gehirnaktivität auf dem Bildschirm gezeigt. Durch gezieltes Training können die Gehirnströme beeinflusst und reguliert werden. © Sebastian Evers / UKW
Ein Proband sitzt vor einem Monitor und hat eine Haube für das Elektroenzephalogramm auf dem Kopf
EEG-Messung eines Probanden während einer Verhaltensentscheidung. Foto: Sebastian Evers / UKW
Die beiden Wissenschaftlerinnen sitzen mit weißen Kitteln im Labor und pipettieren.
Salomea Löffl (links) und Morgane Paternoster bei der Probenanalyse im Labor. Foto: Sonja Gommersbach / UKW

Martin Fassnacht als „Visiting Professor“ ausgezeichnet

Auf Einladung der Society for Endocrinology (SfE) besuchte der Leiter der Endokrinologie des Uniklinikums Würzburg (UKW) Anfang März fünf Zentren im Vereinigten Königreich und hielt auf dem Jahreskongress der British Endocrine Society einen preisgekrönten Plenarvortrag.

Martin Fassnacht hält auf der Bühne die goldene Medaille in der einen Hand und schüttelt mit der anderen Hand die Hand von Neil Hanley
Prof. Neil Hanley aus Birmignham, Chair der Jury, überreicht Prof. Martin Fassnacht (rechts) den mit 8.000 Euro dotierten „Clinical Endocrinology Journal Foundation Visiting Professor Award“. © SfEBES2025
Porträtfoto von Martin Fassnacht im weißen Kittel
Prof. Dr. Martin Fassnacht, Leiter des Lehrstuhls für Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Würzburg (UKW), besuchte als „Visiting Professor“ im März fünf endokrinologische Zentren in Großbritannien und hielt abschließend einen Plenarvortrag auf dem Kongress der British Endocrine Society (SfE BES 2025) in Harrogate. © Daniel Peter / UKW

Würzburg. „Es war eine sehr intensive Zeit, aber auch eine ganz besondere Erfahrung“, sagt Prof. Dr. Martin Fassnacht über seine Tour als „Visiting Professor“ durch das Vereinigte Königreich (UK) vom 1. bis 11. März. Die Society for Endocrinology (SfE) hatte den Leiter des Lehrstuhls für Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) eingeladen, fünf endokrinologische Zentren in Großbritannien - Glasgow, Manchester, Birmingham, Oxford und London - zu besuchen und abschließend einen Plenarvortrag auf dem Kongress der British Endocrine Society (SfE BES 2025) in Harrogate zu halten. Diese Auszeichnung ist zugleich der Hauptpreis der endokrinologischen Fachgesellschaft. Der mit 8.000 Euro dotierte „Clinical Endocrinology Journal Foundation Visiting Professor Award“ wird einmal im Jahr an einen herausragenden ausländischen Endokrinologen verliehen. Eine aktive Bewerbung ist nicht möglich, eine Jury wählt aus.

Kontakte und Kollaborationen 

Neben dem Preisgeld gewann Martin Fassnacht auf seiner Reise viele Kontakte. „Ich habe sehr viele interessante Forscherinnen und Forscher, darunter auch zahlreiche Nachwuchskräfte, neu oder besser kennen gelernt und die Kontakte zu den jeweiligen Zentren ausgebaut“. berichtet Martin Fassnacht. Er ist überzeugt, dass sich aus seinem Besuch das eine oder andere gemeinsame Forschungsprojekt entwickeln wird. An jedem Standort gab es jeweils ein wissenschaftliches Symposium, bei dem Martin Fassnacht einen seiner Vorträge zu unterschiedlichen Aspekten von Nebennierentumoren hielt, den sich die Zentren jeweils auswählen durften. „Zusätzlich gab es Beiträge der lokalen Wissenschaftler und Kliniker sowie anschließend immer auch Gelegenheit zu Gruppen- und Einzelgesprächen, in denen es entweder um die Beratung von Nachwuchswissenschaftlern oder um die Diskussion von Forschungsprojekten ging“, so Fassnacht. 
Der Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie wurde Anfang 2014 zum Professor an der Universität Würzburg ernannt. Seine Forschungsschwerpunkte sind endokrine Tumoren, Hypophysen- und Nebennierenerkrankungen sowie Adipositas. Er leitete mehrere nationale und internationale Leitliniengremien, war Hauptprüfer mehrerer Phase II und III Studien zu Nebennierentumoren und ist Autor von mehr als 300 Publikationen. 

Plenarvortrag zum Management des Phäochromozytoms und Paraganglioms

In seinem Plenarvortrag beim SfE BES 2025 am 10. März gab Martin Fassnacht ein Update zur Behandlung des Phäochromozytoms und des Paraganglioms. Paragangliome sind Stresshormon-produzierende Tumoren, die im Bauch-, Brust- und Kopf-Hals-Bereich auftreten können. Wenn sie in der Nebenniere entstehen, werden sie Phäochromozytome genannt. Diese Tumoren sind selten, meist gutartig und gut behandelbar. Die bösartigen Tumorvarianten sind dagegen sehr aggressiv. Die mittlere 5-Jahres-Überlebensrate der Patientinnen und Patienten liegt bei 45 Prozent. Eine wirksame Standardtherapie gab es bisher nicht. Doch die FIRST-MAPP-Studie (First International Randomised Study in MAlignant Progressive Phaeochromocytoma and Paraganglioma), die vom Institut Gustave Roussy in Paris und vom UKW organisiert worden war und die im vergangenen Jahr in The Lancet veröffentlicht wurde, lieferte erstmals den Nachweis, dass der Multityrosinkinasehemmer Sunitinib eine wichtige neue Therapieoption darstellt (Pressemeldung vom 23.02.2024). Diese aber auch andere bisher unpublizierte Daten, unter anderem zu Temozolomid, präsentierte Martin Fassnacht vor dem vollen Auditorium in Harrogate. 
 

Martin Fassnacht hält auf der Bühne die goldene Medaille in der einen Hand und schüttelt mit der anderen Hand die Hand von Neil Hanley
Prof. Neil Hanley aus Birmignham, Chair der Jury, überreicht Prof. Martin Fassnacht (rechts) den mit 8.000 Euro dotierten „Clinical Endocrinology Journal Foundation Visiting Professor Award“. © SfEBES2025
Porträtfoto von Martin Fassnacht im weißen Kittel
Prof. Dr. Martin Fassnacht, Leiter des Lehrstuhls für Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Würzburg (UKW), besuchte als „Visiting Professor“ im März fünf endokrinologische Zentren in Großbritannien und hielt abschließend einen Plenarvortrag auf dem Kongress der British Endocrine Society (SfE BES 2025) in Harrogate. © Daniel Peter / UKW

Großer Fortschritt bei der Entwicklung neuer Medikamente gegen gefährliche Pilzinfektionen

NANOMEDIZIN MIT siRNA ZEIGT ERSTMALS WIRKUNG GEGEN DEN HUMANPATHOGENEN PILZ ASPERGILLUS FUMIGATUS

Einem Würzburger Forschungsteam ist es erstmals gelungen, kleine interferierende RNAs (siRNAs) mit Amphotericin B (AmB) in anionische Liposomen zu verpacken, um den gefährlichen Schimmelpilz Aspergillus fumigatus gezielt anzugreifen. Die in der Fachzeitschrift Nanoscale veröffentlichte und auf dem Cover hervorgehobene Studie zeigt, dass dieser RNAi-Ansatz lebenswichtige Pilzgene ausschaltet und so das Wachstum des Erregers hemmt – ein bahnbrechender Schritt in der Entwicklung neuer antimykotischer Therapien.

 

Die Illustration zeigt Pilze in der Lunge
Digitale Cover Illustration für die Fachzeitschrift Nanoscale (2025, Band 17, Seite 7002) von Andreas Beilhack, erstellt mit der Software Procreate von Savage Interactive. Das Bild zeigt eine mit Aspergillus fumigatus infizierte menschliche Lunge. Der Hyphen bildende, invasiv wachsende Pilz mit Pilzsporen in Blautönen ist links im Bild zu sehen. Die helfenden Nanopartikel sind in Gold- und Brauntönen dargestellt.
Eine grafische Zusammenfassung wie das Wachstum des Schimmelpilzes vorübergehend gehemmt wird
Grafische Zusammenfassung, wie anionische Liposomen mit kleinen interferierenden RNAs (siRNAs) und niedrig dosiertem Amphotericin B beladen in die Pilzzelle eindringen und dort gezielt drei wichtige Gene hemmen, die für das Wachstum des Pilzes notwendig wären.

Würzburg. Pilzinfektionen sind weltweit auf dem Vormarsch. Laut einer Studie der Manchester Fungal Infection Group infizierten sich im Jahr 2022 rund 6,5 Millionen Menschen mit einem krankheitserregenden Pilz, rund 3,8 Millionen starben an den Folgen - fast doppelt so viele wie noch 2012. Selbst mit Medikamenten, so genannten Antimykotika, liegt die Sterblichkeit bei einer invasiven Infektion mit dem Schimmelpilz Aspergillus fumigatus bei bis zu 85 Prozent. Da resistente Pilzstämme zunehmen, wird die Behandlung immer schwieriger und neue Therapien werden dringend benötigt. Ein Team der Universitätsmedizin Würzburg fand jetzt eine vielversprechende Strategie gegen Pilzinfektionen. 

RNAi in Kombination mit optimierter Verabreichungstechnologie 

Um den Schimmelpilz Aspergillus fumigatus gezielt anzugreifen kombinierten die Forschenden einen so genannten RNAi-Ansatz mit einer optimierten Verabreichungstechnologie aus der Nanomedizin. Ribonukleinsäure (RNA) spielt eine zentrale Rolle bei der Umsetzung der genetischen Information. Die RNA-Interferenz (RNAi) ist eine Art Genschalter, bei dem RNA-Moleküle wie small interfering RNA (siRNA) oder microRNA (miRNA) gezielt bestimmte Gene ausschalten. 

„Unsere Studie knüpft an die Entdeckung der RNA-Interferenz an, für die 2006 der Nobelpreis für Medizin verliehen wurde. Während siRNA-Therapien bereits gegen genetische Erkrankungen eingesetzt werden, ist unsere Arbeit die erste erfolgreiche Anwendung dieser Technologie gegen einen humanpathogenen Pilz in Infektionsmodellen. Die genetischen Unterschiede zwischen Pilz und Mensch bieten hier einzigartige therapeutische Möglichkeiten“, erklärt Erstautorin Dr. Yidong Yu vom Zentrum für Experimentelle Molekulare Medizin (ZEMM) und der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des Universitätsklinikums Würzburg (UKW). 

Technologischer Durchbruch in der Pilzbekämpfung

Eine der größten Herausforderungen war es, die siRNA so zu verpacken, dass sie die dicke Zellwand des Pilzes durchdringt. „Der Trick bestand darin, anionische Liposomen mit geringen Mengen des Antipilzmittels Amphotericin B zu kombinieren“, berichtet Ko-Erstautorin Theresa Vogel über ihre Doktorarbeit. Anionische Liposomen sind winzige Fettbläschen mit einer negativen Ladung. Amphotericin ist ein bewährtes Medikament gegen Pilzinfektionen, das die Zellwände des Pilzes durchlässiger macht, so dass die siRNA besser in die Pilzzellen eindringen kann, um gezielt drei wichtige Gene zu hemmen, die für das Wachstum des Pilzes notwendig sind. Das Konzept entwickelten die Wissenschaftlerinnen in enger Zusammenarbeit mit Dr. Krystyna Albrecht und Prof. Jürgen Groll vom Institut für Funktionswerkstoffe der Medizin und der Zahnheilheilkunde (FMZ) am UKW, die verschiedene Nanopartikel-Strategien testeten, bis der Durchbruch gelang. 

Neue Wege in der Forschung: Insektenlarven statt Mäuse

Ein weiterer innovativer Aspekt der Studie ist der Einsatz von Insektenlarven anstelle von Mäusen als Infektionsmodell, um Tierversuche in Säugetieren zu reduzieren. „Diese Arbeit zeigt, wie interdisziplinäre Zusammenarbeit innovative Lösungsansätze in der Nanomedizin ermöglicht“, betont Ko-Seniorautorin Krystyna Albrecht. Yidong Yu wurde übrigens für ihre herausragende Forschung mit einem renommierten zweijährigen Stipendium der Japan Society for the Promotion of Science (JSPS) ausgezeichnet, das über die Alexander von Humboldt-Stiftung vermittelt wird, um ihre Arbeit in einer weltweit führenden Forschungsgruppe zu Seidenraupen fortzusetzen.

Pilzinfektionen und Resistenzen gegen gängige Antimykotika nehmen zu

„Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass diese Methode das Pilzwachstum stark reduziert und belegen erstmals die Wirksamkeit von siRNA als Mittel gegen Pilzinfektionen beim Menschen“, fasst Seniorautor Prof. Andreas Beilhack von der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des UKW zusammen. „Die Studie ist von besonderer Bedeutung, da Infektionen mit Aspergillus fumigatus weltweit zunehmen und Resistenzen gegen gängige Antimykotika immer häufiger auftreten. Die siRNA-Strategie könnte nicht nur gegen Aspergillus fumigatus, sondern auch gegen andere gefährliche Pilzerreger eingesetzt werden.“

Die Studie wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen der Forschungskonsortien „FungiNet“ (SFB/TRR 124) und „Biofabrikation“ (SFB/TRR 255) gefördert und in der Fachzeitschrift Nanoscale veröffentlicht. In der Printausgabe wird die wegweisende Forschung auf dem Einband hervorgehoben – ein Beleg für die wissenschaftliche Relevanz der Studie und ihr Potenzial, die Behandlung lebensbedrohlicher Pilzinfektionen nachhaltig zu verändern.

Publikation:
Yu Y, Vogel T, Hirsch S, Groll J, Albrecht K, Beilhack A. Enhanced antifungal activity of siRNA-loaded anionic liposomes against the human pathogenic fungus Aspergillus fumigatus. Nanoscale. 2025 Mar 24;17(12):7002-7007. doi: 10.1039/d4nr03225j. PMID: 39508295.

PDF der Publikation mit Back-Cover. 

Text: Andreas Beilhack und Kirstin Linkamp
 

Die Illustration zeigt Pilze in der Lunge
Digitale Cover Illustration für die Fachzeitschrift Nanoscale (2025, Band 17, Seite 7002) von Andreas Beilhack, erstellt mit der Software Procreate von Savage Interactive. Das Bild zeigt eine mit Aspergillus fumigatus infizierte menschliche Lunge. Der Hyphen bildende, invasiv wachsende Pilz mit Pilzsporen in Blautönen ist links im Bild zu sehen. Die helfenden Nanopartikel sind in Gold- und Brauntönen dargestellt.
Eine grafische Zusammenfassung wie das Wachstum des Schimmelpilzes vorübergehend gehemmt wird
Grafische Zusammenfassung, wie anionische Liposomen mit kleinen interferierenden RNAs (siRNAs) und niedrig dosiertem Amphotericin B beladen in die Pilzzelle eindringen und dort gezielt drei wichtige Gene hemmen, die für das Wachstum des Pilzes notwendig wären.

Wenn in Motoneuronen die Müllabfuhr streikt

Dr. Patrick Lüningschrör vom Institut für Klinische Neurobiologie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) erhält den 1. Platz beim Felix-Jerusalem-Preis der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke (DGM) für die Entdeckung eines unkonventionellen Mechanismus, mit dem mutierte Proteine aus Nervenzellen geschleust werden.

Patrick Lüningschrör steht mit Trophäe und Urkunde vor einem Roll-up der DGM, links neben ihm die drei in der Bildunterschrift erwähnten Damen.
Verleihung des Felix-Jerusalem-Preises, v.l.n.r.: Prof. Dr. Anne Schänzer (Laudatorin), Linda Weise (Sponsorenvertreterin), Silke Schlüter (2. Vorsitzende im Bundesvorstand der DGM), Dr. Dr. Patrick Lüningschrör. © DGM
die Collage zeigt oben mikroskopische Bilder von Rückenmarksschnitten und unten eine farblich markierte Rekonstruktion eines Fortsatz einer Nervenzelle
A.) Sod1 Akkumulationen in Rückenmarksschnitten von Plekhg5-defizienten Mäuse. B.) 3D Rekonstruktion eines Axons im Rückenmark einer Plekhg5-defizienten Maus (türkis) mit Anreicherung des mutierten Sod1-Proteins (gelb). Quelle: Hutchings, AJ., Hambrecht, B., Veh, A. et al. Plekhg5 controls the unconventional secretion of Sod1 by presynaptic secretory autophagy. Nat Commun 15, 8622 (2024).

Würzburg. Mehr als 100.000 Menschen in Deutschland sind von einer Muskelkrankheit betroffen. Im Volksmund spricht man oft von Muskelschwund, denn die Abnahme der Muskelmasse ist ein wesentliches Symptom der neuromusklären Erkrankungen, von denen es etwa 800 verschiedene Formen gibt. Da diese oft progressiv verlaufen, schwerwiegend und derzeit nicht heilbar sind, kommt der Forschung im neuromuskulären Bereich eine enorme Bedeutung zu. 
Die Förderung der Forschung war daher vor 60 Jahren der Auslöser für die Gründung der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke e.V. (DGM). Mit dem Felix-Jerusalem-Preis zeichnet die DGM beispielsweise junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für Verdienste bei der Erforschung von Pathomechanismen und für objektiv nachvollziehbare Therapieerfolge bei allen Formen neuromuskulärer Erkrankungen aus.
Auf dem diesjährigen DGM-Kongress in Gießen erhielt der Naturwissenschaftler Dr. Patrick Lüningschrör vom Institut für Klinische Neurobiologie am Uniklinikum Würzburg (UKW) am 20. März 2025 den ersten mit 7.500 Euro dotierten Felix-Jerusalem-Preis.

In seiner Studie „Plekhg5 controls the unconventional secretion of Sod1 by presynaptic secretory autophagy“, die in Nature Communications veröffentlicht wurde, konnte Patrick Lüningschrör zusammen mit einem internationalen Team einen unerwarteten pathophysiologischen Mechanismus aufklären, der Nervenzellen vor Schäden schützt. „Wir konnten zeigen, dass der Guanin-Austauschfaktor PLEHG5 die unkonventionelle Sekretion von SOD1 vermittelt. Dieser Mechanismus verhindert, dass sich SOD1 intrazellulär anreichert und zu einer neuronalen Dysfunktion führt“, erklärt Patrick Lüningschrör.

Unerwartete Zusammenarbeit von zwei Proteinen bei Erkrankungen des Motoneurons

Das Überraschende und Interessante an dieser von der DFG und dem BMBF geförderten Studie sei das Zusammenspiel zweier Proteine – SOD1 und PLEKGHG5 - die mit unterschiedlichen Erkrankungen des Motoneurons in Verbindung gebracht werden.

Fehlgefaltete Proteine wie die mutierte Form des Enzyms Superoxid-Dismutase 1 (SOD1) spielen zum Beispiel eine zentrale Rolle bei der familiären Form der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS). Und Mutationen in PLEKHG5 sind die Ursache für verschiedene Formen von Motoneuronerkrankungen, die das untere, spinale Motoneuron betreffen. Motoneurone sind die Nerven, deren Impulse die Muskeln in Aktion versetzen.

Ohne PLEKGH5 häuft sich SOD1 in den Nervenzellen an, was zur ALS beitragen kann

Normalerweise werden Proteine von speziellen Zellstrukturen, den Lysosomen, abgebaut. Da SOD1 jedoch sehr stabil ist und dazu neigt toxische Aggregate zu bilden, ist es sehr wichtig, dieses Protein effizient aus den Axonfortsätzen, den langen Ausläufern der Nervenzellen, zu entfernen. „Fehlt das Protein PLEKHG5, bleibt SOD1 in der Zelle stecken und sammelt sich an - ähnlich wie Müll, der nicht entsorgt werden kann und sich stapelt“, beschreibt Patrick Lüningschrör die Entdeckung. Das bedeutet: Eine gestörte Entsorgung von SOD1 kann zur ALS beitragen. „Deshalb ist das Zusammentreffen dieser beiden Proteine in einem gemeinsamen pathophysiologischen Mechanismus klinisch hoch relevant und eröffnet neue therapeutische Ansatzpunkte“, sagt Patrick Lüningschrör.

Erweiterung der Behandlungsmöglichkeiten für größere Patientengruppe

„Kürzlich wurde zum Beispiel mit Toferesen eine effektive Therapie für ALS-Patienten mit SOD1 Mutationen entwickelt. Aufgrund der Erkenntnisse von Lüningschrör und seinem Team gibt es erste Überlegungen, dieses Medikament unter Umständen auch für betroffene Patienten mit PLEKHG5 Mutationen einzusetzen.

In den nächsten Schritten will das Team die gewonnenen Erkenntnisse transnational weiterverfolgen und in präklinischen Studien untersuchen, ob die Akkumulationen von SOD1 tatsächlich die Ursache der PLEKHG5-assozierten Erkrankungen sind. Aus zellbiologischer Perspektive wäre es Lüningschrör zufolge sehr spannend weiter aufzuschlüsseln, wie SOD1 erkannt wird, um aus der Zelle ausgeschleust zu werden.


Publikation: Hutchings AJ, Hambrecht B, Veh A, Giridhar NJ, Zare A, Angerer C, Ohnesorge T, Schenke M, Selvaraj BT, Chandran S, Sterneckert J, Petri S, Seeger B, Briese M, Stigloher C, Bischler T, Hermann A, Damme M, Sendtner M, Lüningschrör P. Plekhg5 controls the unconventional secretion of Sod1 by presynaptic secretory autophagy. Nat Commun. 2024 Oct 4;15(1):8622. doi: 10.1038/s41467-024-52875-5. PMID: 39366938; PMCID: PMC11452647.

Text: KL / Wissenschaftskommunikation
 

Patrick Lüningschrör steht mit Trophäe und Urkunde vor einem Roll-up der DGM, links neben ihm die drei in der Bildunterschrift erwähnten Damen.
Verleihung des Felix-Jerusalem-Preises, v.l.n.r.: Prof. Dr. Anne Schänzer (Laudatorin), Linda Weise (Sponsorenvertreterin), Silke Schlüter (2. Vorsitzende im Bundesvorstand der DGM), Dr. Dr. Patrick Lüningschrör. © DGM
die Collage zeigt oben mikroskopische Bilder von Rückenmarksschnitten und unten eine farblich markierte Rekonstruktion eines Fortsatz einer Nervenzelle
A.) Sod1 Akkumulationen in Rückenmarksschnitten von Plekhg5-defizienten Mäuse. B.) 3D Rekonstruktion eines Axons im Rückenmark einer Plekhg5-defizienten Maus (türkis) mit Anreicherung des mutierten Sod1-Proteins (gelb). Quelle: Hutchings, AJ., Hambrecht, B., Veh, A. et al. Plekhg5 controls the unconventional secretion of Sod1 by presynaptic secretory autophagy. Nat Commun 15, 8622 (2024).

Stampfend und springend zu mehr Lebensqualität

Impact-Training ist beim Multiplen Myelom machbar / neue Studie soll Wirksamkeit auf Knochengesundheit prüfen

Anne Kollikowski und Franziska Jundt stehen auf einer Treppe im ZIM, im Hintergrund ist ein Fahrstuhl mit einem Röntgenbild eines Skeletts.
Sportwissenschaftlerin Anne Kollikowski (links) und Onkologin Franziska Jundt prüften am Uniklinikum Würzburg, ob ein Impact-Training beim Multiplen Myelom sicher und machbar ist. In einer Folgestudie wollen sie die Wirksamkeit des Stampf- und Sprungtrainings auf die Knochengesundheit prüfen. © UKW / Kirstin Linkamp
Von der Seite fotografiert, wie Patienten in die Hocke gehen und zum Sprung ansetzen.
Zwölf Patientinnen und Patienten mit Multiplem Myelom nahmen in der Physiotherapie am Uniklinikum Würzburg im Rahmen einer Machbarkeitsstudie am Stampf- und Sprungtraining teil. © UKW / Daniel Peter
Patienten, Doktoranden und Franziska Jundt springen gemeinsam  im Flur der Physiotherapie in die Höhe.
Die Patientinnen und Patienten waren hochmotiviert, das Training trotz der hohen und anstrengenden Belastung durchzuhalten und wurden am Ende mit einer Verbesserung der körperlichen Fitness und Lebensqualität belohnt. © UKW / Daniel Peter

Würzburg. Zahlreiche Studien haben bereits belegt, dass körperliche Aktivität in verschiedenen Phasen einer Krebserkrankung positive Effekte haben und die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten verbessern kann. Regelmäßiges Training steigert die körperliche Leistungsfähigkeit und reduziert Ängste und Depressivität sowie die krebsassoziierte Müdigkeit, die so genannte Fatigue. Präklinische Studien zeigen zudem, dass sich spezifische Belastungsübungen positiv auf die Knochenfestigkeit auswirken können. Davon könnten vor allem Patientinnen und Patienten mit Multiplem Myelom profitieren. Bei dieser Krebserkrankung des Knochenmarks infiltrieren die Tumorzellen das Skelett und zersetzen die Knochen. „80 Prozent der Myelom-Patientinnen und Patienten leiden unter Knochenabbau und teilweise Knochenschmerzen und -frakturen“, berichtet Franziska Jundt. Die Professorin für Hämatologie und Internistische Onkologie am Uniklinikum Würzburg (UKW) hat gemeinsam mit Freerk T. Baumann, Professor für Onkologische Bewegungswissenschaften an der Uniklinik Köln, der Sportwissenschaftlerin Anne Kollikowski vom Comprehensive Cancer Center Mainfranken (CCC MF) und weiteren Kolleginnen und Kollegen untersucht, ob ein Sprung- und Stampftraining, in der Fachsprache Impact-Training genannt, den Patientinnen und Patienten mit Multiplem Myelom überhaupt zugemutet werden kann. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift „Supportive Care in Cancer“ veröffentlicht.

Impact-Training ist für ausgewählte Patientinnen und Patienten mit Multiplem Myelom sicher und durchführbar

In der Machbarkeitsstudie wurden insgesamt zwanzig Patientinnen und Patienten in zwei Gruppen eingeteilt: Eine Gruppe absolvierte sechs Monate lang ein zweimal wöchentliches, intensives Sprung- und Stampftraining, die andere Gruppe ein sanftes Dehnprogramm. In der Impact-Gruppe trainierten neun von zwölf Personen während des gesamten Studienzeitraums, in der Dehngruppe sieben von acht. Nach etwa einem Drittel der Belastungseinheiten traten Schmerzen auf, jedoch ohne schwerwiegende Nebenwirkungen. Nach sechs Monaten verbesserten sich in beiden Gruppen sowohl die Gehstrecke im Sechs-Minuten-Gehtest als auch die allgemeine Fitness, wobei die Lebensqualität in der Impact-Gruppe um fast 25 % Prozent stieg.

„Eine kontrollierte Bewegungstherapie ist also auch bei Krebspatientinnen und -patienten machbar, die körperlich stark eingeschränkt sind“, fasst Erstautorin Anne Kollikowski zusammen. Wichtig sei, dass vor einem solchen kontrollierten Training immer die Stabilität der Wirbelsäule und des gesamten Skelettsystems von einer Spezialistin oder einem Spezialisten aus der Orthopädie oder Unfallchirurgie geprüft wird. Bemerkenswert fand Anne Kollikowski vor allem das Engagement und Durchhaltevermögen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. „Unsere Patientinnen und Patienten waren hochmotiviert, das Training trotz der hohen und anstrengenden Belastung durchzuhalten. Umso mehr freut es mich, dass die Teilnahme zu einer erheblichen Verbesserung der körperlichen Fitness und der Lebensqualität führte.“

Die Wirksamkeit von Bewegungstherapien auf die Knochengesundheit bei Patientinnen und Patienten mit Multiplem Myelom soll nun in einer multizentrischen, randomisierten Bewegungstherapiestudie untersucht werden.

Onkologische Trainings- und Bewegungstherapie (OTT) vor, während und nach der medizinischen Therapie

Aktuell laufen am Uniklinikum Würzburg unter dem Dach des CCC MF verschiedene Supportiv-Studien vor, während und nach der medizinischen Krebstherapie. In der Studie EMpower wird beispielsweise die Machbarkeit der elektrischen Muskelstimulation nach Stammzelltransplantation untersucht, und in PräViC wird der präventive Einsatz von Vibrationstraining oder Dehnungs- und Entspannungstraining zur Vorbeugung einer Chemotherapie-induzierten peripheren Neuropathie erforscht.

Losgelöst von Studien berät das Team der Abteilung „Komplementäre Onkologie Integrativ“ die Patientinnen und Patienten zu körperlicher Aktivität und bietet in den Räumen der Physiotherapie des UKW eine Onkologische Trainings- und Bewegungstherapie (OTT) an, die unabhängig von einem stationären Aufenthalt ist.

KL/Wissenschaftskommunikation


Publikation: 
Anne Kollikowski, Marei Schallock, Ruben Ringeisen, Dirk Hasenclever, Lothar Seefried, Jan-Peter Grunz, Damir Zubac, Claudia Löffler, Freerk T- Baumann & Franziska Jundt. Feasibility and safety of impact-loading exercise in patients with multiple myeloma—a pilot study. Support Care Cancer 33, 235 (2025). doi.org/10.1007/s00520-025-09287-y
 

Anne Kollikowski und Franziska Jundt stehen auf einer Treppe im ZIM, im Hintergrund ist ein Fahrstuhl mit einem Röntgenbild eines Skeletts.
Sportwissenschaftlerin Anne Kollikowski (links) und Onkologin Franziska Jundt prüften am Uniklinikum Würzburg, ob ein Impact-Training beim Multiplen Myelom sicher und machbar ist. In einer Folgestudie wollen sie die Wirksamkeit des Stampf- und Sprungtrainings auf die Knochengesundheit prüfen. © UKW / Kirstin Linkamp
Von der Seite fotografiert, wie Patienten in die Hocke gehen und zum Sprung ansetzen.
Zwölf Patientinnen und Patienten mit Multiplem Myelom nahmen in der Physiotherapie am Uniklinikum Würzburg im Rahmen einer Machbarkeitsstudie am Stampf- und Sprungtraining teil. © UKW / Daniel Peter
Patienten, Doktoranden und Franziska Jundt springen gemeinsam  im Flur der Physiotherapie in die Höhe.
Die Patientinnen und Patienten waren hochmotiviert, das Training trotz der hohen und anstrengenden Belastung durchzuhalten und wurden am Ende mit einer Verbesserung der körperlichen Fitness und Lebensqualität belohnt. © UKW / Daniel Peter

Wer hat welches Tumormodell?

WISSENSCHAFTLER IM DIREKTEN AUSTAUSCH: DER BZKF-LEUCHTTURM „PRÄKLINISCHE MODELLE“

Der BZKF-Leuchtturm „Präklinische Modelle“ unter der Leitung des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) hat bereits zwei standortübergreifende Datenbanken aufgebaut: die Organoid-Datenbank und die Datenbank für onkologische Tierversuchsmodelle. Die Plattformen geben einen Überblick über die Verfügbarkeit von Organoid-Modellen verschiedener Tumorentitäten und von Tiermodellen. Insgesamt soll das Projekt eine effizientere Forschung, verbesserte Genehmigungsprozesse und die Optimierung präklinischer Modelle im Sinne des 3R-Prinzips (Replace, Reduce, Refine) ermöglichen.

 

Nicolas Schlegel, Anne Rech, Mahasen Saati und Christoph Otto stehen in weißen Kittel in einer Reihe an einem Geländer
Das Team des BZKF-Leuchtturms Präklinische Modelle am UKW v.l.n.r. Prof. Dr. Nicolas Schlegel (Sprecher), Anne Rech (Organoid-Datenbank), Dr. Mahasen Saati (Präklinische Tiermodelle), Prof. Dr. Christoph Otto (stellvertretender Sprecher). © Ulrich Bender
Collage aus drei mikroskopischen Bildern von Organoiden.
Organoid aus gesundem Gewebe (links), aus einem Darmpolypen (Mitte) sowie rechts ein Tumor-Organoid aus dem Gewebe eines Patienten mit kolorektalem Karzinom. © UKW

Würzburg. Präklinische Modelle sind für die medizinische Forschung unverzichtbar: Sie helfen, Krankheitsmechanismen zu verstehen, Therapieansätze zu testen, die Sicherheit zu bewerten und Hinweise für eine mögliche Dosierung neuer Therapeutika zu erhalten. Um die Lücke zwischen Grundlagenforschung und früher klinischer Anwendung zu verkleinern und die translationale Forschung einschließlich Proof-of-Concept-Studien zu beschleunigen, fördert das Bayerische Zentrum für Krebsforschung (BZKF) seit dem 1. Januar 2024 für den Leuchtturm „Präklinische Modelle“. 

Prof. Dr. Nicolas Schlegel, Sprecher des Leuchtturms und Inhaber des Lehrstuhls für Experimentelle Viszeralchirurgie am Uniklinikum Würzburg (UKW), zieht mit seinem Team – Prof. Dr. Christoph Otto, Anne Rech und Dr. Mahasen Saati – Zwischenbilanz: „Wir haben inzwischen zwei standortübergreifende Datenbanken als interaktive Informations-, Dokumentations- und Austauschplattform für die präklinische Forschung realisiert. Eine Plattform für die Target-Validierung ist im Aufbau“, informiert Nicolas Schlegel. 

Plattform für Target-Validierungen

Mit der zentralen Einheit für Target-Validierungen sollen Ansatzpunkte für neue Arzneimittel erforscht werden. „Hier etablieren wir gerade mit dem Auxin-System ein präklinisches Modell, das uns hilft, bestimmte, bisher unzugängliche Zielstrukturen in Tumorzellen zu charakterisieren. Dies ist eine Validierungsmöglichkeit für die Entwicklung von PROTACs, eine neue Klasse von Arzneistoffen, die krankmachende Proteine im Körper gezielt abbauen kann“, berichtet Prof. Dr. Gabriele Büchel. Die Molekularbiologin im Biozentrum der Julius-Maximilians-Universität Würzburg ist ebenfalls Teil des Leuchtturms. Die Etablierung läuft derzeit im Tiermodell und in humanen Organoiden.

Datenbank mit derzeit 100 humanen Tumor-Organoiden

Die Organoid-Technologie ist ein großer Schwerpunkt der Klinik und Poliklinik für Allgemein-, Viszeral-, Transplantations-, Gefäß- und Kinderchirurgie am UKW. Aus Gewebespenden von Patientinnen und Patienten baut das Team Organoid-Modelle. „Wir züchten Organoide aus Tumoren, aus entzündlichem Gewebe, aber auch aus gesundem Gewebe“, schildert Anne Rech. Die Wissenschaftlerin ist im Leuchtturm für die Organoid-Datenbank zuständig, welche bereits 100 patientenabgeleitete Organoide (PDO für Patient-Derived Organoids) aus den bayerischen BZKF-Standorten umfasst. Zusätzlich sind Protokolle zur Kultivierung und zum Austausch der PDOs hinterlegt.“ Kooperationen mit anderen BZKF-Translationsgruppen wie CaR-EpiSafe, Pädiatrische Hirntumoren und Omis/Genomics sollen die Implementierung weiterer PDOs ermöglichen. Die Erweiterung der Datenbank um Informationen zu Maus-Organoiden ist ebenfalls geplant.

Datenbank mit aktuell 13 Tiermodellen

Die Datenbank „Onkologische Tiermodelle“ sammelt Informationen über Tiermodelle, die an den BZKF-Standorten durchgeführten werden. Derzeit sind die Beschreibungen von 13 Tiermodellen aus den BZKF-Standorten hinterlegt. Die Eingabe weiterer etablierter Modelle ist in Vorbereitung. Darüber hinaus soll die Datenbank auch um Modelle für tumorfördernde Erkrankungen wie Adipositas oder chronische Entzündungen erweitert werden. „Unsere Datenbank für onkologische Tiermodelle dient dazu, relevante Angaben zum Versuchsvorhaben zu standardisieren und damit den Weg zum Erkenntnisgewinn zu beschleunigen Außerdem sind Schulungsvideos für diese Modelle geplant“, erläutert Dr. Mahasen Saati, die für die onkologischen Tiermodelle zuständig ist. „Insgesamt wollen wir mit unserem Projekt den Informationsaustausch zwischen Genehmigungsbehörde, Tierschutzbeauftragen und Antragstellern informativer und transparenter machen.“ Eine Optimierung und der Austausch, die letztlich die Reduktion solcher Versuche ermöglichen ist hierbei ein wichtiges Ziel.

Verknüpfung der Datenbanken, um mit umfangreichem Repertoire an humanen und murinen Organoiden in Verbindung mit Tiermodellen ein optimales Vorgehen im Sinne des 3R-Prinzips zu ermöglichen

Langfristiges Ziel ist die inhaltliche Verknüpfung beider Datenbanken, die auf der webbasierten Plattform REDCap (Research Electronic Data Capture) entwickelt wurden. Die Kombination von humanen und murinen Organoiden in Verbindung mit Tiermodellen soll eine optimale Strategie für die präklinische Krebsforschung ermöglichen. „Mit diesen Maßnahmen leisten wir einen entscheidenden Beitrag zur Weiterentwicklung innovativer Krebsforschung und zur Umsetzung des 3R-Prinzips: Vermeiden von Tierversuchen, Replace, Minimieren der Anzahl von Versuchen und Versuchstieren, Reduce, und die Vermeidung der Belastung, Refine“, kommentiert Christoph Otto, stellvertretender Sprecher des Leuchtturms. 

Zur Veranschaulichung führt Nicolas Schlegel ein Beispiel an: In Modell- oder Zellkulturexperimenten wurde eine potenziell interessante Zielstruktur für eine neue oder ergänzende Therapie in einem bestimmten Tumor entdeckt. Diese kann ex vivo in einem Tumor-Organoid auf ihre Wirksamkeit getestet und gegebenenfalls im nächsten Schritt im lebenden Organismus im Tiermodell validiert werden. Damit nicht alles neu etabliert werden muss, informiert die Datenbank, wo welche Modelle vorgehalten werden und wer für die Durchführung der Experimente kontaktiert werden kann.

„Je mehr sich registrieren, desto besser wird das Netzwerk“

Die Daten und Modelle kommen bislang von den BZKF-Standorten in Augsburg, Erlangen, München, Regensburg und Würzburg. „In erster Linie ist die Datenbank für alle Kooperationspartner des BZKF gedacht, aber natürlich können sich auch andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlerinnen registrieren, die translational forschen und sich einen standortübergreifenden Überblick über die Verfügbarkeit humaner Organoid-Modelle verschiedener Tumorentitäten und Tiermodelle verschaffen möchten“, sagt Nicolas Schlegel. „Je mehr sich registrieren, desto besser wird das Netzwerk“

Ein Kontaktformular für die Registrierung gibt es auf der Webseite des Lehrstuhls für Experimentelle Viszeralchirurgie.
 

Nicolas Schlegel, Anne Rech, Mahasen Saati und Christoph Otto stehen in weißen Kittel in einer Reihe an einem Geländer
Das Team des BZKF-Leuchtturms Präklinische Modelle am UKW v.l.n.r. Prof. Dr. Nicolas Schlegel (Sprecher), Anne Rech (Organoid-Datenbank), Dr. Mahasen Saati (Präklinische Tiermodelle), Prof. Dr. Christoph Otto (stellvertretender Sprecher). © Ulrich Bender
Collage aus drei mikroskopischen Bildern von Organoiden.
Organoid aus gesundem Gewebe (links), aus einem Darmpolypen (Mitte) sowie rechts ein Tumor-Organoid aus dem Gewebe eines Patienten mit kolorektalem Karzinom. © UKW