paper place Archiv 3. Quartal 2025

Ein viraler Sensor zur geschmacksbasierten Erkennung von Influenza

Grippeviren mit einem Kaugummi oder Lutscher schnell und einfach nachweisen? Wie das funktionieren kann, zeigen Forschende aus Würzburg, Braunschweig und Köln mit einem neuen Diagnostik-Tool.

Drei schwarze Zeichnungen auf gelbem Hintergrund. Man sieht auf der ersten Zeichnung ein Gesicht und eine Hand, die einen Kaugummi in den Mund schiebt, auf der zweiten Grafik eine chemische Formel und auf der dritten, wie sich der Mund bzw. das gesamte Gesicht aufgrund der Geschmacksveränderung verzieht.
So funktioniert der Grippe-Sensor: 1. Eine infizierte oder erkrankte Person kaut einen Kaugummi. 2. Enzyme der Viren setzen die darin enthaltenen Geschmacksstoffe frei. 3. Die Person nimmt die Stoffe wahr und erkennt die Infektion. Bild: Christoph Mett
Die Grafik zeigt, wie der Aromastoff funktioniert und wie der Selbsttest Epidemien weltweit eingedämmt werden können.
Prinzipgrafik des geschmacksbasierten Influenzanachweises: Virale Neuraminidase spaltet eine modifizierte Sialinsäure-Aromastoff-Bindung; der freigesetzte Aromastoff wird sensorisch wahrgenommen (typisch 10–30 Minuten). © Autorenteam, ACS Central Science (2025), Lizenz: CC BY 4.0, doi:10.1021/acscentsci.5c01179.

In der vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt geförderten Studie wird ein Konzept für einen geschmacksbasierten Nachweis von Influenza beschrieben.

Ein Aromastoff (zum Beispiel Thymol) wird an eine leicht veränderte Zuckerverbindung (Sialinsäure) gebunden. Diese Verbindung ist so aufgebaut, dass sie den Aromastoff erst dann freisetzt, wenn das Enzym Neuraminidase des Grippevirus sie spaltet. Durch gezielte chemische Veränderungen, sogenannte O-Methylierungen, wird die Spaltung durch bakterielle Neuraminidasen reduziert. Kommt der Thymol-Zuckerbaustein also mit aktiven Grippeviren in Kontakt, setzen diese ihn frei und es entsteht ein klar erkennbarer Geschmack im Mund.

In Speichelproben aus zwei Grippesaisons wurden Neuraminidase-Aktivitäten gemessen, die eine Geschmacksfreisetzung in der Regel innerhalb von 10 bis 30 Minuten ermöglichten. Molekulare Modellierungen und die Hemmbarkeit durch Oseltamivir stützen die Adressierung des viralen Enzyms, d. h., das virale Enzym wird tatsächlich angesprochen.

Die Studie zeigt demnach, dass das Grundprinzip funktioniert. Wie zuverlässig, sicher und praktisch das Verfahren außerhalb des Labors ist, muss jedoch noch untersucht werden.

Das Prinzip ist übrigens flexibel: Sowohl der Geschmacksträger als auch der Erkennungsbaustein lassen sich anpassen. So kann das System beispielsweise mit süßen, bitteren oder salzigen Geschmacksrichtungen ausgestattet werden, was auch für Kinder geeignet ist. Ebenso lässt es sich auf unterschiedliche Krankheitserreger übertragen.

Somit eröffnet die Methode neue Möglichkeiten für die niederschwellige Diagnostik viraler und bakterieller Infektionen – von Influenza bis hin zu zukünftigen, heute noch unbekannten Erregern.

Zum Würzburger Beitrag: Das Institut für Organische Chemie der Universität Würzburg hat die Synthese des Sensormoleküls mitentwickelt. An der HNO-Klinik des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) wurden die klinischen Proben gesammelt, der Gesundheitszustand der Patienten festgestellt und dokumentiert.

Zur Pressemeldung

Martina Raschig, Marcus Gutmann, Josef Kehrein, Eberhard Heller, Michael Bomblies, Marcel Groß, Oskar Steinlein, Peggy Riese, Stephanie Trittel, Tessa Lühmann, Carlos A. Guzmán, Jürgen Seibel, Heinrich Jehle, Christian Linz, Stephan Hackenberg, and Lorenz Meinel. A Viral Neuraminidase-Specific Sensor for Taste-Based Detection of Influenza. ACS Central Science Article ASAP. https://doi.org/10.1021/acscentsci.5c01179

 

 

Drei schwarze Zeichnungen auf gelbem Hintergrund. Man sieht auf der ersten Zeichnung ein Gesicht und eine Hand, die einen Kaugummi in den Mund schiebt, auf der zweiten Grafik eine chemische Formel und auf der dritten, wie sich der Mund bzw. das gesamte Gesicht aufgrund der Geschmacksveränderung verzieht.
So funktioniert der Grippe-Sensor: 1. Eine infizierte oder erkrankte Person kaut einen Kaugummi. 2. Enzyme der Viren setzen die darin enthaltenen Geschmacksstoffe frei. 3. Die Person nimmt die Stoffe wahr und erkennt die Infektion. Bild: Christoph Mett
Die Grafik zeigt, wie der Aromastoff funktioniert und wie der Selbsttest Epidemien weltweit eingedämmt werden können.
Prinzipgrafik des geschmacksbasierten Influenzanachweises: Virale Neuraminidase spaltet eine modifizierte Sialinsäure-Aromastoff-Bindung; der freigesetzte Aromastoff wird sensorisch wahrgenommen (typisch 10–30 Minuten). © Autorenteam, ACS Central Science (2025), Lizenz: CC BY 4.0, doi:10.1021/acscentsci.5c01179.
Hochgradiger Hörverlust verzögert Lautbildung bereits bei Säuglingen

Bisher gibt es nur wenige Erkenntnisse darüber, wie sich die Sprache bei Babys mit starkem Hörverlust in den ersten Lebensmonaten entwickelt. In einem interdisziplinären Kooperationsprojekt mehrerer Kliniken am UKW wurden die melodisch-rhythmischen Eigenschaften der Gurrlaute von Säuglingen mit hochgradigem Hörverlust im Alter von zwei bis vier Monaten untersucht und mit denen gesunder Säuglinge verglichen.

Das Bild zeigt ein liegendes Baby, das in die Kamera schaut - neben ihm ein Lautaufnahmegerät
Digitale Lautaufnahmen liefern die Basis für den frühzeitigen Nachweis von Entwicklungsauffälligkeiten. Am ZVES wurden die dafür geeigneten Methoden entwickelt und implementiert. © Kathleen Wermke /UKW
Hier ist ein Beispiel für eine kommentierte Gurrsequenz in PRAAT. Im oberen Teil des PRAAT-Fensters sieht man die Schwankungen der aufgezeichneten Töne. Der mittlere Teil zeigt das Frequenzspektrogramm (Frequenzbereich linear 0–4 kHz). Unten sieht man die Annotationsvariablen der einzelnen Ereignisse. Die Reihenfolge besteht aus Pausen und drei Gurrlauten, die durch Einatmungsintervalle getrennt sind. Der gelb markierte Gurrlaut enthält keine supraglottische Aktivität (Vocant).
Beispiel einer kommentierten Gurrsequenz in PRAAT. Der obere Teil des PRAAT-Ausgabefensters zeigt die Amplitude der aufgezeichneten Sequenz. Der mittlere Teil zeigt das Frequenzspektrogramm (Frequenzbereich linear 0–4 kHz). Der untere Bereich des Ausgabefensters zeigt die Annotationsvariablen der einzelnen Ereignisse. Hier besteht die Sequenz aus Pausen (p) und drei Gurrlauten (c), die durch Einatmungsintervalle (i) voneinander getrennt sind. Im Gegensatz zu den beiden anderen Gurrlauten enthält der gelb markierte Gurrlaut keine supraglottische Aktivität (Vocant).

Die in „Scientific Reports” veröffentlichte Publikation beschreibt Teilergebnisse des Gesamtprojektes und basiert auf der Analyse von mehr als 2.300 Lauten, die im Rahmen der Dissertation von Sarah Arnold ausgewertet wurden. Die Analysen erfolgten mit speziellen Methoden, die am Zentrum für vorsprachliche Entwicklung und Entwicklungsstörungen (ZVES) der Poliklinik für Kieferorthopädie entwickelt wurden. Dies ermöglichte erstmals den Nachweis von Auffälligkeiten in einer sehr frühen Phase der Sprachentwicklung, lange bevor Silben oder Wörter erzeugt werden können.

Die Forschenden untersuchten, wie sich die Tonhöhe der Laute im Verlauf änderte und ob die Melodie eines Lauts einfach (ein Bogen) oder komplex (mehrere Bögen) war. Außerdem betrachteten sie bei den Gurrlauten die Aktivität des Kehlkopfs der Babys, also wie die Töne gebildet wurden. Mithilfe spezieller Tonanalysen prüften sie auch, ob die Babys beim Gurren zusätzlich Mund- und Zungenbewegungen, also artikulatorische Aktivität, nutzten. Für die statistische Auswertung kamen mathematische Modelle zum Einsatz, die verschiedene Einflussfaktoren wie Alter und Geschlecht berücksichtigten. Dabei zeigte sich: Mit zunehmendem Alter wurden die Laute aller Babys komplexer, wobei das Geschlecht keine Rolle spielte.

Allerdings hatte der eingeschränkte Hörsinn einen deutlichen Einfluss: Babys mit starkem Hörverlust zeigten eine deutlich geringere melodisch-rhythmische Komplexität und weniger artikulatorische Aktivität in ihren Lauten, das heißt, sie produzierten einfachere Melodien. Eine stark eingeschränkte auditive Rückkopplung wirkt sich insbesondere auf das Wechselspiel zwischen laryngealer und präartikulatorischer Aktivität, also zwischen Kehlkopf und Mund, aus. Ein fehlendes oder vermindertes Hörfeedback kann somit bereits sehr früh die Sprachentwicklung beeinflussen.

Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung eines funktionierenden Hörsystems für die ersten Phasen der Sprachentwicklung. Zugleich wird deutlich, wie wichtig weitere objektive Studien zur prälingualen Lautbildung bei Kindern mit einem medizinischen Risiko für den Spracherwerb sind. Sie tragen dazu bei, Entwicklungsverzögerungen besser zu verstehen und bereits im Säuglingsalter nachzuweisen.

Kathleen Wermke, Sarah Arnold, Wafaa Shehata-Dieler, Mario Cebulla, Johannes Wirbelauer & Philip J. Schluter. Melodic and articulatory development is delayed in deaf infants aged 2–4 months. Sci Rep 15, 31357 (2025). https://doi.org/10.1038/s41598-025-16820-w

Das Bild zeigt ein liegendes Baby, das in die Kamera schaut - neben ihm ein Lautaufnahmegerät
Digitale Lautaufnahmen liefern die Basis für den frühzeitigen Nachweis von Entwicklungsauffälligkeiten. Am ZVES wurden die dafür geeigneten Methoden entwickelt und implementiert. © Kathleen Wermke /UKW
Hier ist ein Beispiel für eine kommentierte Gurrsequenz in PRAAT. Im oberen Teil des PRAAT-Fensters sieht man die Schwankungen der aufgezeichneten Töne. Der mittlere Teil zeigt das Frequenzspektrogramm (Frequenzbereich linear 0–4 kHz). Unten sieht man die Annotationsvariablen der einzelnen Ereignisse. Die Reihenfolge besteht aus Pausen und drei Gurrlauten, die durch Einatmungsintervalle getrennt sind. Der gelb markierte Gurrlaut enthält keine supraglottische Aktivität (Vocant).
Beispiel einer kommentierten Gurrsequenz in PRAAT. Der obere Teil des PRAAT-Ausgabefensters zeigt die Amplitude der aufgezeichneten Sequenz. Der mittlere Teil zeigt das Frequenzspektrogramm (Frequenzbereich linear 0–4 kHz). Der untere Bereich des Ausgabefensters zeigt die Annotationsvariablen der einzelnen Ereignisse. Hier besteht die Sequenz aus Pausen (p) und drei Gurrlauten (c), die durch Einatmungsintervalle (i) voneinander getrennt sind. Im Gegensatz zu den beiden anderen Gurrlauten enthält der gelb markierte Gurrlaut keine supraglottische Aktivität (Vocant).
CRISPR-basierte T-Zell-Therapien der nächsten Generation: Chancen und Herausforderungen

T-Zellen können umprogrammiert werden, um Krebszellen gezielt zu erkennen und auszuschalten. Derartige T-Zell-Therapien sind wirksam bei Patientinnen und Patienten mit bestimmten hämatologischen Krebserkrankungen.

Hier ist dargestellt, welche Probleme es bei der zellulären Immuntherapie gegen Krebs gibt. Diese Probleme könnte man mit neuen CRISPR 2.0-basierten Gen-Editierungsstrategien angehen.
Schematische Darstellung der größten Herausforderungen der zellulären Immuntherapie in der Onkologie, die jeweils mit neuartigen CRISPR 2.0-basierten Gen-Editierungsstrategien angegangen werden könnten. BCMA, B-Zell-Reifungsantigen; PE, Prime Editing; TALEN, Transkriptionsaktivator-ähnliche Effektor-Nuklease; TCR, T-Zell-Rezeptor; ZFN, Zinkfinger-Nuklease.

Es bestehen jedoch weiterhin Herausforderungen, darunter primäre und sekundäre Resistenzen, eine mangelnde Wirksamkeit bei soliden Tumoren, ein begrenztes Spektrum an ansteuerbaren Antigenen sowie zeitaufwändige und komplexe Herstellungsprozesse.

Die CRISPR-basierte Genomeditierung hat das Potenzial, die Wirksamkeit von T-Zellen gegen Tumoren zu verbessern. Base- und Prime-Editing, das sogenannte CRISPR 2.0, sind leistungsstärker und präziser als konventionelle CRISPR-Techniken. Statt Doppelstrangbrüche in der DNA zu erzeugen, ermöglichen Base- und Prime-Editing eine gezielte und effiziente Umschreibung von Gensequenzen.

In einem Review im Journal Nature Reviews Clinical Oncology beleuchten Forschende vom Uniklinikum Würzburg gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen anderer Forschungseinrichtungen die Herausforderungen als auch die vielversprechenden Chancen, die mit der Anwendung von CRISPR 2.0 in der T-Zell-Therapie einhergehen. 

Sie diskutieren aufkommende CRISPR-2.0-Technologien und deren Fortschritte auf dem Weg zur klinischen Anwendung und beschreiben Strategien für den Einsatz von CRISPR 2.0 zur Weiterentwicklung zellulärer Immuntherapien für hämatologische Malignome und solide Tumoren in der Zukunft.

Karl Petri, Elvira D’Ippolito, Annette Künkele, Ulrike Köhl, Dirk H. Busch, Hermann Einsele & Michael Hudecek. Next-generation T cell immunotherapies engineered with CRISPR base and prime editing: challenges and opportunities. Nat Rev Clin Oncol (2025). https://doi.org/10.1038/s41571-025-01072-4

Hier ist dargestellt, welche Probleme es bei der zellulären Immuntherapie gegen Krebs gibt. Diese Probleme könnte man mit neuen CRISPR 2.0-basierten Gen-Editierungsstrategien angehen.
Schematische Darstellung der größten Herausforderungen der zellulären Immuntherapie in der Onkologie, die jeweils mit neuartigen CRISPR 2.0-basierten Gen-Editierungsstrategien angegangen werden könnten. BCMA, B-Zell-Reifungsantigen; PE, Prime Editing; TALEN, Transkriptionsaktivator-ähnliche Effektor-Nuklease; TCR, T-Zell-Rezeptor; ZFN, Zinkfinger-Nuklease.
Atemwegsinfektionen bei Patienten mit hämatologischen Malignomen oder nach hämatopoetischer Zelltransplantation

Menschen mit Blutkrebs oder nach einer Stammzelltransplantation haben ein stark geschwächtes Immunsystem und sind dadurch besonders anfällig für Infektionen mit Atemwegsviren, die man sich im Alltag leicht einfangen kann – etwa Grippeviren, RSV (Respiratory Syncytial Virus), Rhinoviren oder Coronaviren.

10. Europäischen Konferenz zu Infektionen bei Leukämie (ECIL-10)

Der Artikel aus der 10. Europäischen Konferenz zu Infektionen bei Leukämie (ECIL-10) fasst den aktuellen Wissensstand aus den Jahren 2014 bis 2024 zusammen und gibt neue Empfehlungen, wie solche Virusinfektionen bei diesen Hochrisikopatientinnen und -patienten besser verhindert, erkannt und behandelt werden können.

Empfohlen wird ein einheitlicher Ansatz für die Vorbeugung, Diagnostik und Behandlung aller wichtigen Atemwegsviren – einschließlich SARS-CoV-2. Besonders betont wird die Bedeutung einer jährlichen Grippeimpfung mit einem inaktivierten Impfstoff. Wenn eine Influenza-Infektion festgestellt wird, sollte die antivirale Therapie so früh wie möglich beginnen. Eine vorbeugende Medikamentengabe wird dagegen in der Regel nicht empfohlen. Beim RSV-Virus stehen inzwischen Impfstoffe zur Verfügung, die bei besonders gefährdeten Personen, zum Beispiel nach einer Transplantation, in Betracht gezogen werden können. Für Kinder unter zwei Jahren wird außerdem der Schutz durch spezielle Antikörper (z. B. Palivizumab oder Nirsevimab) empfohlen, während für ältere Kinder und Erwachsene noch zu wenige Daten vorliegen.

Für viele andere Atemwegsviren gibt es bislang keine wirksamen Medikamente oder Impfstoffe. Daher konzentriert sich die Behandlung meist darauf, das geschwächte Immunsystem zu unterstützen – etwa durch den Ausgleich eines Antikörpermangels oder die vorsichtige Reduktion von Medikamenten, die das Immunsystem zusätzlich unterdrücken.

Insgesamt zeigt der Bericht, dass Atemwegsinfektionen bei Menschen mit Blutkrebs oder nach Stammzelltransplantation weiterhin ein großes Risiko darstellen. Fortschritte bei Impfungen und antiviralen Therapien gibt es zwar, doch bestehen noch erhebliche Forschungslücken. Die aktualisierten Empfehlungen der ECIL-10 sollen Ärztinnen und Ärzten helfen, diese Infektionen frühzeitig zu erkennen und die Behandlung besser auf die besonderen Bedürfnisse immungeschwächter Patientinnen und Patienten abzustimmen.

Marie von Lilienfeld-Toal, Fareed Khawaja, Francesca Compagno, Christine Robin, José-Luis Piñana, Simone Cesaro, Hermann Einsele, Per Ljungman, David Navarro, Michael Boeckh, Roy F Chemaly, Hans H Hirsch. Community-acquired respiratory virus infections in patients with haematological malignancies or undergoing haematopoietic cell transplantation: updated recommendations from the 10th European Conference on Infections in Leukaemia. The Lancet Infectious Diseases, 2025, ISSN 1473-3099, https://doi.org/10.1016/S1473-3099(25)00365-2.

 

10. Europäischen Konferenz zu Infektionen bei Leukämie (ECIL-10)
Optimierung der T-Zell-Immuntherapie bei Patienten mit multiplem Myelom

In dieser Übersicht gibt das European Myeloma Network unter der Leitung von Letztautor Hermann Einsele Empfehlungen zur Optimierung der Sicherheit und Wirksamkeit der T-Zell-Immuntherapie bei Patientinnen und Patienten mit Multiplem Myelom.

Die Grafik zeigt vereinfacht, wie zwei moderne Immuntherapien Krebszellen bekämpfen. In beiden Fällen (CAR-T-Zellen und bispezifische Antikörper) führt die Aktivierung der T-Zellen dazu, dass sie giftige Stoffe (Granzyme und Perforine) freisetzen. Diese Stoffe durchlöchern und zerstören die Tumorzelle.
CAR-T-Zellen und T-Zell-umleitende bispezifische Antikörper eliminieren zielpositive Tumorzellen. CAR-T-Zellen werden aktiviert, wenn ihr CAR mit einem auf der Tumorzelle exprimierten Zielantigen interagiert. T-Zell-bindende bispezifische Antikörper binden gleichzeitig an ein Antigen auf Multiplen Myelomzellen und an die CD3-Untereinheit auf T-Zellen. Beide Interaktionen führen zur Degranulation der T-Zellen und zur Freisetzung von Granzymen und Perforinen in die Immunsynapse, wodurch die Zielzelle schließlich eliminiert wird. CAR = chimärer Antigenrezeptor.

Zu diesen modernen Behandlungsformen, die das körpereigene Immunsystem nutzen, um Krebszellen gezielt anzugreifen, gehören CAR-T-Zell-Therapien und bispezifische Antikörper. Sie haben in den letzten Jahren zu beeindruckenden Behandlungserfolgen geführt, stellen Ärztinnen und Ärzte jedoch auch vor neue praktische und medizinische Herausforderungen.

Die Autorinnen und Autoren empfehlen bei Patienten, die sowohl für eine CAR-T-Zell-Therapie als auch für bispezifische Antikörper infrage kommen, aufgrund der hohen Ansprechrate und des dauerhaften progressionsfreien Überlebens, begleitet von einer verbesserten Lebensqualität, zunächst die CAR-T-Zell-Therapie. Eine vorherige Behandlung mit bispezifischen Antikörpern wirkt sich negativ auf die Wirksamkeit der nachfolgenden CAR-T-Zelltherapie aus. Dagegen gibt es zunehmend Hinweise darauf, dass ein Rückfall nach einer auf B-Zell-Reifungsantigene gerichteten (BCMA-) CAR-T-Zelltherapie mit bispezifischen Antikörpern wirksam behandelt werden kann. Eine rechtzeitige Überweisung und Planung vor Beginn der T-Zell-Immuntherapie ist von entscheidender Bedeutung, um die Auswahl der Behandlung zu optimieren, geeignete diagnostische Tests (z. B. zum Ausschluss latenter Infektionen) durchzuführen und modifizierbare Risikofaktoren zu identifizieren. So lassen sich die klinischen Ergebnisse verbessern. Eine unterstützende Behandlung ist für alle Patienten, die eine T-Zell-Immuntherapie erhalten, von entscheidender Bedeutung, um eine Rückfallmortalität zu verhindern.

Niels W C J van de Donk, Philippe Moreau, Jesús F San-Miguel, Maria-Victoria Mateos, Meletios A Dimopoulos, Sonja Zweegman, Francesca Gay, Monika Engelhardt, Roberto Mina, Elena Zamagni, Michel Delforge, Meral Beksac, Andrew Spencer, Fredrik Schjesvold, Christoph Driessen, Martin Kaiser, Aurore Perrot, Ralph Wäsch, Charlotte LBM Korst, Annemiek Broijl, Cyrille Touzeau, Salomon Manier, Roman Hajek, Heinz Ludwig, Carlos Fernandez de Larrea, Rakesh Popat, Pellegrino Musto, Paula Rodriguez-Otero, Kwee Yong, Leo Rasche, Evangelos Terpos, Marc S Raab, Mario Boccadoro, Pieter Sonneveld, Hermann Einsele. Optimising T-cell immunotherapy in patients with multiple myeloma: practical considerations from the European Myeloma Network, The Lancet Haematology, Volume 12, Issue 8, 2025, Pages e635-e649, ISSN 2352-3026, https://doi.org/10.1016/S2352-3026(25)00117-6.

Die Grafik zeigt vereinfacht, wie zwei moderne Immuntherapien Krebszellen bekämpfen. In beiden Fällen (CAR-T-Zellen und bispezifische Antikörper) führt die Aktivierung der T-Zellen dazu, dass sie giftige Stoffe (Granzyme und Perforine) freisetzen. Diese Stoffe durchlöchern und zerstören die Tumorzelle.
CAR-T-Zellen und T-Zell-umleitende bispezifische Antikörper eliminieren zielpositive Tumorzellen. CAR-T-Zellen werden aktiviert, wenn ihr CAR mit einem auf der Tumorzelle exprimierten Zielantigen interagiert. T-Zell-bindende bispezifische Antikörper binden gleichzeitig an ein Antigen auf Multiplen Myelomzellen und an die CD3-Untereinheit auf T-Zellen. Beide Interaktionen führen zur Degranulation der T-Zellen und zur Freisetzung von Granzymen und Perforinen in die Immunsynapse, wodurch die Zielzelle schließlich eliminiert wird. CAR = chimärer Antigenrezeptor.
CAR-T-Zellen schlagen bispezifische Antikörper bei der Behandlung des extramedullären Myeloms

Die Zahl der Patientinnen und Patienten mit einem extramedullären Myelom steigt. Dabei handelt es sich um eine besonders aggressive Form von Knochenmarkkrebs, bei der sich die Krebszellen außerhalb des Knochenmarks, beispielsweise in der Haut, ansiedeln.

zu sehen ist ein kleines extramedulläres Myelom auf dem Oberschenkel eines Patienten. Sein Finger zeigt auf den kleinen roten, leicht erhobenen Punkt, der wie eine Blase aussieht.
Beim extramedullären Myelom handelt es sich um eine besonders aggressive Form von Knochenmarkkrebs, bei der sich Tumorherde außerhalb des Knochenmarkes bilden, wie hier in der Haut. © Leo Rasche / UKW

Die extramedulläre Erkrankung gilt als besonders schwierig zu behandeln – selbst mit den neuen Immuntherapien. In einer Kooperation der Universitätskliniken Würzburg, Hamburg-Eppendorf und der Charité Berlin konnte nun gezeigt werden, dass CAR-T-Zellen, die gegen das Oberflächenmolekül BCMA gerichtet sind, eine höhere Ansprechrate und ein längeres progressionsfreies Überleben erzielen als bispezifische Antikörper.

Konkret lag die Ansprechrate bei CAR-T-Zell-Therapien (cilta-cel und ide-cel) bei 82–100 %, während sie bei Antikörperbehandlungen nur bei 29–36 % lag. Eine vollständige Rückbildung der Tumore wurde bei bis zu 50 % der mit CAR-T-Zellen behandelten Patienten erreicht, aber nur bei etwa 15 % der mit Antikörpern behandelten Patienten. Auch die Krankheitsfreiheit hielt bei CAR-T-Patienten länger an. Bei cilta-cel war der Rückfallzeitpunkt noch gar nicht erreicht, bei ide-cel lag er bei rund sieben Monaten und bei den Antikörper-Patienten nur bei 2,6 bis vier Monaten. Patienten, die vor der CAR-T-Therapie eine wirksame „Vorbehandlung“ zur Tumorreduktion erhalten hatten, blieben länger krankheitsfrei.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass CAR-T-Zell-Therapien bei dieser schwierigen Myelomform wirksamer sind als bispezifische Antikörper. Sie weisen höhere Erfolgsraten, ein tieferes Ansprechen und eine längere Wirkung auf und sollten deshalb, falls möglich, bevorzugt zum Einsatz kommen.

Maximilian J. Steinhardt, Christoph Schaefers, Lisa B. Leypoldt, Igor-Wolfgang Blau, Marie Harzer, Xiang Zhou, Christine Riedhammer, Abdulaziz Kamili, Ricardo Kosch, Laura S. Topp, Isabel Molwitz, Nils-Ole Gross-Fengels, Yasmin Fede Melzer, Jule Artzenroth, Maximilian Al-Bazaz, Winfried Alsdorf, Max S. Topp, Johannes Duell, Julia Mersi, Johannes Waldschmidt, Carsten Bokemeyer, Hermann Einsele, K. Martin Kortüm, Katja Weisel & Leo Rasche. Activity of CAR-T cells and bispecific antibodies in multiple myeloma with extramedullary involvement. Blood Cancer J. 15, 126 (2025). https://doi.org/10.1038/s41408-025-01330-9

zu sehen ist ein kleines extramedulläres Myelom auf dem Oberschenkel eines Patienten. Sein Finger zeigt auf den kleinen roten, leicht erhobenen Punkt, der wie eine Blase aussieht.
Beim extramedullären Myelom handelt es sich um eine besonders aggressive Form von Knochenmarkkrebs, bei der sich Tumorherde außerhalb des Knochenmarkes bilden, wie hier in der Haut. © Leo Rasche / UKW
Häufigkeit, Letalität und demografische Trends akuter Atemwegsviren bei hospitalisierten Patienten

In dieser Studie wurden Faktoren untersucht die den Krankheitsverlauf und die Sterblichkeit bei hospitalisierten Erwachsenen, die im Zeitraum 2022 bis April 2023 positiv auf einen oder mehrere Atemwegsviren getestet wurden.

Besonders interessant ist der direkte Vergleich zwischen den acht verschiedenen Atemwegsviren, darunter SARS-CoV-2, Influenza und RSV. 

Im Vergleich zur Grippe (Influenza) war die Sterblichkeit bei Adenovirus, Coronavirus und RSV (Respiratorisches Synzytial-Virus) höher. Besonders Adenovirus zeigte ein stark erhöhtes Risiko. Auch Infektionen mit mehreren Viren gleichzeitig waren gefährlicher.

Hier zeigt sich, dass Alter und Vorerkrankungen einen deutlich größeren Einfluss auf die Sterblichkeit an respiratorischen Erkrankungen haben als die Art des hervorrufenden Virus. Von 1657 Patienten starben 89 (5,5 Prozent).

Juliane Mees, Michael Eisenmann, Anna Höhn, Sina Ebert, Tamara Pscheidl, Nina Roth, Gülmisal Güder, Nils Petri, Isabell Wagenhäuser & Manuel Krone. Frequency, lethality, and demographic trends of acute respiratory viruses in hospitalized patients: insights from a German tertiary care hospital from july 2022 to april 2023. BMC Infect Dis 25, 1110 (2025). https://doi.org/10.1186/s12879-025-11521-1