paper place Archiv 4. Quartal 2024

Ein Wechsel zwischen fettreicher und normaler Ernährung kann für die Blutgefäße schädlicher sein als eine dauerhaft fettreiche Ernährung

Chronisch erhöhte Cholesterinwerte können das Immunsystem aktivieren und so die Entstehung, das Fortschreiten und mögliche Komplikationen von Arteriosklerose begünstigen. Da Menschen ihre Ernährungsgewohnheiten im Laufe der Zeit häufig ändern, ist es wichtig zu verstehen, wie sich eine veränderte fettreiche Ernährung auf die Atherosklerose auswirkt.

Quantifizierung und repräsentative Mikrofotografien atherosklerotischer Läsionen entlang der thorakoabdominalen Aorta von weiblichen Ldlr-/- Mäusen. n = 5 pro Gruppe. Skalenbalken, 1 mm. Quelle: https://doi.org/10.1038/s41586-024-07693-6

Um diese Frage zu beantworten, hat ein internationales Team um Hafid Ait-Oufella, Paris, unter Beteiligung der Experimentellen Biomedizin II und des HIRI ein Protokoll entwickelt, in dem Mäuse, die zu Atherosklerose neigen, einer alternierenden und einer kontinuierlichen fettreichen Diät ausgesetzt wurden.

Die in der renommierten Fachzeitschrift Nature veröffentlichten Ergebnisse zeigten, dass die alternierende Diät die Atherosklerose stärker beschleunigte als die kontinuierliche fettreiche Diät. Der Grund dafür liegt im Knochenmark: Durch das ständige Auf und Ab der fettreichen Ernährung werden Vorläuferzellen des Immunsystems umprogrammiert.

Dieser Effekt trat auch bei Mäusen auf, denen bestimmte Immunzellen (T-, B- und natürliche Killer-T-Zellen) fehlten, so dass das so genannte adaptive Immunsystem nicht die Ursache sein konnte. Die Unterbrechung der fettreichen Diät in der Gruppe mit der alternierenden Diät veränderte die Aktivität eines Gens namens RUNX1, wodurch die Entzündungsprozesse im Knochenmark verstärkt wurden. Sobald die Mäuse wieder fettreiches Futter bekamen, reagierte ihr Körper mit einer überschießenden Entzündungsreaktion. Vor allem das Molekül IL-1β spielte dabei eine Schlüsselrolle. Die vermehrten Neutrophilen wanderten in die Gefäßablagerungen ein, setzten entzündungsfördernde Substanzen frei und verstärkten die Atherosklerose. 

Als die Forschenden die Neutrophilen gezielt entfernten oder den IL-1β-Signalweg blockierten, verschwanden die negativen Effekte der wechselnden fettreichen Ernährung. Folglich können nicht nur eine dauerhaft ungesunde Ernährung, sondern auch häufige Ernährungswechsel das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen.

 

Lavillegrand JR, Al-Rifai R, Thietart S, Guyon T, Vandestienne M, Cohen R, Duval V, Zhong X, Yen D, Ozturk M, Negishi Y, Konkel J, Pinteaux E, Lenoir O, Vilar J, Laurans L, Esposito B, Bredon M, Sokol H, Diedisheim M, Saliba AE, Zernecke A, Cochain C, Haub J, Tedgui A, Speck NA, Taleb S, Mhlanga MM, Schlitzer A, Riksen NP, Ait-Oufella H. Alternating high-fat diet enhances atherosclerosis by neutrophil reprogramming. Nature 634, 447–456 (2024). https://doi.org/10.1038/s41586-024-07693-6

Quantifizierung und repräsentative Mikrofotografien atherosklerotischer Läsionen entlang der thorakoabdominalen Aorta von weiblichen Ldlr-/- Mäusen. n = 5 pro Gruppe. Skalenbalken, 1 mm. Quelle: https://doi.org/10.1038/s41586-024-07693-6
AMG193 zeigt beeindruckende Behandlungserfolge in MTAP-deletierten Tumoren

In etwa 10–15 % aller soliden Tumoren kommt es zu einer homozygoten Deletion der Methylthioadenosinphosphorylase (MTAP). Das heißt: Beide Kopien des MTAP-Gens fehlen in den Zellen.

Das MTAP-Gen ist normalerweise für die Produktion eines Enzyms verantwortlich, das bei der Verwertung von Methylthioadenosin (MTA) beteiligt ist, welches eine wichtige Rolle in der Aufrechterhaltung des normalen Zellstoffwechsels spielt. Die homozygote MTAP-Deletion macht Tumorzellen anfälliger für spezifische Medikamente, ohne gesunde Zellen stark zu beeinträchtigen, da diese die MTAP-Funktion weiterhin besitzen.

Eine neue Behandlung mit dem oralen Medikament AMG 193 zeigt vielversprechende Ergebnisse bei bestimmten soliden Tumoren mit MTAP-Deletion. AMG 193 hemmt gezielt das Protein (PRMT5), wodurch Tumorzellen abgetötet werden, ohne gesunde Zellen stark zu beeinträchtigen. Die AMG 193 First-in-Human Dosiseskalationsstudie konnte zeigen, dass eine Monotherapie mit AMG 193 bei Patienten mit MTAP-deletierten soliden Tumoren verträglich und vor allem wirksam ist. Bei 21,4 % der Patienten führte die Therapie zu einer messbaren Verkleinerung des Tumors. Besonders beeindruckend war, dass bei höheren Dosen die Tumorzellen vollständig gehemmt und Tumor-DNA im Blut reduziert wurde.

 

Rodon J, Prenen H, Sacher A, Villalona-Calero M, Penel N, El Helali A, Rottey S, Yamamoto N, Ghiringhelli F, Goebeler ME, Doi T, Postel-Vinay S, Lin CC, Liu C, Chuang CH, Keyvanjah K, Eggert T, O'Neil BH. First-in-human study of AMG 193, an MTA-cooperative PRMT5 inhibitor, in patients with MTAP-deleted solid tumors: results from phase I dose exploration. Ann Oncol. 2024 Dec;35(12):1138-1147. doi: 10.1016/j.annonc.2024.08.2339. Epub 2024 Sep 16. PMID: 39293516.

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Hohe Rate erektiler Dysfunktion unter Tyrosinkinaseinhibitor Selpercatinib

Die Medikamente Selpercatinib (RETSEVMO™) und Praseltinib (GAVRETO™) sind neue, hochwirksame Inhibitoren der Rezeptor-Tyrosinkinase RET (Rearranged During Transfection).

Für verschiedene Krebserkrankungen mit molekularpathologisch identifizierbaren, treibenden Mutationen in RET, die sehr häufig beim Medullären Schilddrüsenkarzinom, häufig beim Papillären Schilddrüsenkarzinom und selten beim Nicht-kleinzelligen Lungenkrebs vorkommen, wurden diese Substanzen kürzlich unter Würzburger Beteiligung zugelassen (Markham A, Drugs 2021). Durch diese neuen Substanzen hat sich die Lebenserwartung dieser Krebspatientinnen und -patienten teilweise um Jahre verlängert.

Jetzt zeigte sich in einer systematischen, multizentrischen, retrospektiven Evaluation von 25 männlichen Patienten, die aufgrund eines RET-alterierten Schilddrüsenkarzinoms mit Selpercatinib behandelt worden waren, dass 23 Patienten (92%) über erektile Funktionsstörungen berichteten. Bei 5 dieser 23 Patienten (22%) bestand diese Störung schon vor der Behandlung mit Selpercatinib, aber bei 18 dieser 23 Patienten (78%) war sie unter Selpercatinib neu aufgetreten. Die Nebenwirkung wurde häufig erst nach gezieltem ärztlichem Nachfragen berichtet. Eine Behandlung mit PDE-5-Inhibitoren (z. B. Viagra) zeigte in den meisten Fällen gute Erfolge, ohne die onkologische Therapie zu beeinträchtigen.

 

Matrone A, Kroiss M, Gild ML, Hamidi S, Sayehli CM, Siddal R, Gambale C, Prete A, Hu MI, Robinson BG, Elisei R. Erectile Dysfunction in Patients Treated with Selpercatinib for RET-Altered Thyroid Cancer. Thyroid. 2024 Sep;34(9):1177-1180. doi: 10.1089/thy.2024.0129. Epub 2024 Jul 19. PMID: 38984927.

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GDF-15-Blockade: Ein Türöffner für die Immuntherapie

Erste klinische in Nature publizierte Studie mit dem anti-GDF-15-Antikörper Visugromab in Kombination mit dem Immun-Checkpoint-Inhibitor Nivolumab bei fortgeschrittenem Krebs bestätigt den Erfolg der Forschung „from bench to bedside“.

Wichtige Vorarbeiten leistete die Arbeitsgruppe von Prof. Jörg Wischhusen am (UKW) mit der Erkenntnis, dass der Wachstums- und Differenzierungsfaktor 15 (GDF-15) die Wirkung von Immuntherapien wie anti-PD-1 hemmt, mit dem Konzept zur Verbesserung der Immuninfiltration in Tumore durch GDF-15-Blockade sowie mit der Entwicklung und Patentierung von anti-GDF-15-Antikörpern. 

 

Melero, I., de Miguel Luken, M., de Velasco, G. et al. Neutralizing GDF-15 can overcome anti-PD-1 and anti-PD-L1 resistance in solid tumours. Nature (2024). https://doi.org/10.1038/s41586-024-08305-z

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Spirituelle Bedürfnisse wahrnehmen und beachten, wenn die Zeit drängt

Nicht alle Sterbeprozesse sind vorhersehbar und bieten ausreichend Zeit, um spirituelle Bedürfnisse umfassend zu erfassen und darauf einzugehen. Ziel dieser Arbeit ist es, Gesprächsleitfäden und Kurzkonzepte zusammenzustellen, die primär behandelnden Teams eine effektive spirituelle Begleitung ermöglichen.

Basierend auf einer gezielten Literaturrecherche und den Erfahrungen der Autorinnen wurden zwei Gesprächsleitfäden, das SPIR-Konzept und die Patientenwürdefrage, sowie zwei Kurzkonzepte, die CALM-Intervention und die Würdetherapie, identifiziert. Diese Ansätze werden im Artikel vorgestellt und diskutiert, um ihre Anwendbarkeit und Relevanz in der palliativen Begleitung zu beleuchten.

 

Jentschke, E., van Oorschot, B. Spirituelle Bedürfnisse wahrnehmen und beachten, wenn die Zeit drängt. Onkologie 31, 75–79 (2025). https://doi.org/10.1007/s00761-024-01630-y

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Studienprotokoll der YINOTA-O-Studie: Online-Yoga-Intervention bei hochgradigem Gliom und ihren Betreuern

Diese randomisierte, kontrollierte multizentrische Studie untersucht die Wirkung achtsamkeitsbasierter Online-Yoga-Interventionen für Patienten mit hochgradigem Gliom (WHO-Grad 3 und 4) und deren Angehörige im Vergleich zu einer Warte-Kontrollgruppe (WKG).

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Ziel ist es, emotionale Belastung, Lebensqualität und stressassoziierte physiologische Parameter zu bewerten. Die 8-wöchige Intervention wird wöchentlich von zertifizierten Yoga-Lehrern per Videokonferenz durchgeführt, während die WKG in dieser Zeit Standardversorgung erhält. Primärer Endpunkt ist die Reduktion generalisierter Angst, sekundäre Endpunkte umfassen Progressangst, Depression, Lebensqualität sowie Biomarker wie BDNF, DHEA/DHEAS, Ferritin und Haar-Cortisol. Die Studie umfasst 70 Patienten und 70 Angehörige mit Datenerhebungen vor, nach und 3 Monate nach der Intervention. Ergebnisse sollen auf Konferenzen präsentiert und in Fachzeitschriften veröffentlicht werden.

 

Antonia Rabe, Almuth Friederike Keßler, Carsten Hagemann, Jörg Schubert, Elisabeth Jentschke. Study protocol for a multicentre randomised controlled trial evaluating the efficacy of an online yoga intervention in high-grade glioma patients and their caregivers: the YINOTA-O-trial. BMJ Open. 2024 Oct 16;14(10):e075698. doi: 10.1136/bmjopen-2023-075698. PMID: 39414288; PMCID: PMC11487817.

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Unterstützende Pflege und Informationsbedarf in Bezug auf die Lebensqualität bei Therapie von Brustkrebs und gynäkologischem Krebs

Diese prospektive deutsche Studie untersuchte Bedürfnisse und Lebensqualität von 292 Patientinnen mit Brust- und gynäkologischen Krebserkrankungen während ihrer Behandlung.

51,5 % hatten ungedeckte Informationsbedürfnisse, 75,7 % einen hohen Unterstützungsbedarf und 31,2 % benötigten psychologische Unterstützung. Ältere Frauen zeigten tendenziell weniger Unterstützungsbedürfnisse.

Zufriedenheit mit Informationen korrelierte positiv mit physischer, sozialer und globaler Lebensqualität, während ungedeckte Bedürfnisse diese negativ beeinflussten. Nach einer Operation waren Informationsbedürfnisse höher als während der Chemotherapie.

Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung individuell angepasster Informations- und Unterstützungsangebote, um Lebensqualität und Behandlungsergebnisse zu verbessern.

 

Saskia-Laureen Herbert, AS Payerl, M Prange, S Löb, J Büchel, A Scherer-Quenzer, M Kiesel, A Wöckel, H Faller, K Meng. Supportive care and information needs in relation to quality of life among patients with breast cancer and gynaecological cancer during the time of treatment. Arch Gynecol Obstet. 2024 Nov 22. doi: 10.1007/s00404-024-07805-7. Epub ahead of print. PMID: 39576340.

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