Aktuelle Pressemitteilungen

Vom Bluthochdruck geheilt

CHIRACIC-Studie zeigt überraschend positive Ergebnisse auf den Blutdruck nach operativer Entfernung eines einseitigen Nebennieren-Zufalltumors mit leicht erhöhter Kortisolproduktion

Die beiden Wissenschaftler posieren vor einer Stellwand beim Kongress der ESPE und ESE mit Logos
Prof. Martin Fassnacht (links) und Prof. Antoine Tabarin präsentierten ihre aktuelle Studie beim Gemeinsamen Kongress der European Society for Paediatric Endocrinology (ESPE) und European Society of Endocrinology (ESE) im Mai 2025 in Kopenhagen. © privat
MRT-Aufnahme eines Nebennierentumors - ein roter Pfeil zeigt auf den Tumor
Das MRT zeigt einen drei Zentimeter großen Nebennierentumor auf der rechten Seite. Drei Prozent der über 50-Jährigen und zehn Prozent der über 80-Jährigen haben Nebennieren-Zufallstumore, die meist bei einer bildgebenden Untersuchung des Bauchraums entdeckt werden. © UKW

Würzburg. Ein Schwerpunkt der Endokrinologie am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) sind bösartige Tumoren der Nebenniere. Für die Diagnose, Behandlung und Erforschung des seltenen, aber äußerst aggressiven Nebennierenkarzinoms hat sich das UKW als internationales Referenzzentrum etabliert. Bei eindeutig gutartigen Tumoren der Nebenniere ging es jahrelang laut Prof. Dr. Martin Fassnacht, Leiter des Würzburger Lehrstuhls für Endokrinologie und Diabetologie, vor allem darum, die wenigen Patientinnen und Patienten herauszufiltern, die massiv unter der vom Tumor verursachten Überproduktion bestimmter Hormone leiden. „Diese Krankheitsbilder wie das Cushing- oder Conn-Syndrom oder Phäochromozytome sind aber ebenfalls sehr selten. Bei der Mehrheit der Patientinnen und Patienten mit Nebennierentumoren ging es uns darum, niemanden unnötig krank zu machen", sagt Fassnacht mit Blick auf einen relevanten Anteil der Bevölkerung über 50 Jahre.

Risiken des Nebennieren-Zufallstumors mit erhöhter Kortisol-Produktion

Denn drei Prozent der über 50-Jährigen und zehn Prozent der über 80-Jährigen haben Nebennieren-Zufallstumore, auch Nebennieren-Inzidentalom genannt. Diese Tumoren werden per Definition zufällig bei einer bildgebenden Untersuchung des Bauchraums entdeckt, zum Beispiel bei Gallenbeschwerden, Verdacht auf Nierensteine oder Rückenschmerzen. Weniger als zehn Prozent dieser Nebennieren-Zufallstumore sind bösartig, weitere zehn Prozent führen zu einem starken Hormonüberschuss, die restlichen 80 Prozent wurden lange Zeit zur Gruppe der klinisch hormoninaktiven Tumoren gezählt. „Schon länger war allerdings bekannt, dass fast jeder Zweite aus dieser Gruppe eine leicht erhöhte Produktion des Hormons Kortisol aufweist. Ob dieser leichte Kortisolüberschuss krank macht, war unklar“, berichtet Martin Fassnacht. Der Endokrinologe schätzt, dass circa eine halbe Million Bundesbürgerinnen und Bundesbürger betroffen sein dürften.

Dass diese leicht erhöhte Kortisolproduktion nicht so harmlos ist, wie er einst dachte, zeigte Fassnacht bereits in einer internationalen, multizentrischen Studie, die er 2014 selbst initiierte und deren überraschende Ergebnisse er im Jahr 2022 in der Fachzeitschrift The Lancet Diabetes & Endocrinology publizierte: Bei mehr als 3.500 Betroffenen mit Nebennieren-Inzidentalom war damals eine erhöhte Kortisolausschüttung mit vermehrten Herz-Kreislauf-Erkrankungen und einer erhöhten Sterblichkeit assoziiert, vor allem bei Frauen unter 65 Jahren. „Seitdem wir das wissen, achten wir natürlich verstärkt auf unsere Patientinnen und Patienten mit gutartigen Nebennierentumoren und prüfen mit dem Dexamethason-Test, ob eine erhöhte Kortisolproduktion und damit ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes vorliegt“, sagt Fassnacht.

CHIRACIC bewertet Auswirkungen der Entfernung des Inzidentaloms auf den Bluthochdruck

Dennoch blieb unklar, ob der Tumor operativ entfernt werden soll oder nicht? Prof. Antoine Tabarin, Leiter der Endokrinologie am Universitätsklinikum Bordeaux in Frankreich, initiierte deshalb die Interventionsstudie CHIRACIC, in der die Auswirkungen der chirurgischen Entfernung des Inzidentaloms auf den Blutdruck untersucht wurde.

Insgesamt wurden 78 Patientinnen und Patienten an 17 Universitätskliniken in Frankreich, Deutschland und Italien rekrutiert, wobei das Universitätsklinikum Würzburg (UKW) nach Bordeaux das zweitgrößte Studienzentrum war. Die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer mussten über einen Zeitraum von bis zu knapp zwei Jahren alle vier Wochen an fünf Tagen jeweils dreimal morgens und dreimal abends ihren Blutdruck messen. Vor der Randomisierung, also der Zuteilung zu den Studiengruppen nach dem Zufallsprinzip, wurden alle Teilnehmenden mit standardisierten Medikamenten auf einen „idealen Blutdruck“ von 125 zu 80 eingestellt.
Dabei stellte sich heraus, dass zehn Prozent der Rekrutierten bei den Messungen daheim gar keinen Bluthochdruck hatten. „Die hätten wir völlig unnötig behandelt“, sagt Fassnacht. Das Blutdruckmanagement sei in der methodisch starken Studie ohnehin supergenau und absolut lehrreich gewesen. Insgesamt 52 Personen kamen letztendlich für die Studie in Frage. Die eine Hälfte erhielt eine Nebennierenresektion, die andere weiter die medikamentöse Therapie.

Überraschend eindeutige Ergebnisse im Journal Lancet Diabetes & Endocrinology veröffentlicht

Die geringe Probandenzahl sei sicherlich eine Schwäche dieser zeitaufwändigen Studie - die „schockierend“ eindeutigen Ergebnisse, die jetzt ebenfalls im Journal The Lancet Diabetes & Endocrinology veröffentlicht wurde, seien aber hoch signifikant und veränderten die Situation grundlegend, so Fassnacht, der auch zu Beginn dieser Studie skeptisch war und entsprechend vom Ergebnis überrascht wurde. „Aber das sind eben die wissenschaftlich interessantesten Studien“, schmunzelt Fassnacht.

Studie hat Sicht auf Krankheit maßgeblich verändert

Im Schnitt führte die Operation dazu, dass die Anzahl der Blutdruckmedikamente von 3 auf 0,8 reduziert werden konnte. Und selbst die Reduktion um ein Medikament sei für einige Betroffene ein Vorteil, zumal der Blutdruck mit zunehmendem Alter automatisch weiter ansteige und mehr Medikamente benötigt würden. Fassnacht, der sich mit Philippe Gosse die Letztautorenschaft teilt, resümiert: „Dass wir in der Studie bei einem relevanten Teil der operierten Patientinnen und Patienten, nämlich bei etwa der Hälfte, für perfekte Blutdruckwerte nun gar keine Medikamente mehr benötigen, gewissermaßen den Blutdruck geheilt haben, hat meine Sicht auf diese Krankheit entscheidend verändert“. Das UKW bietet inzwischen allen Menschen mit gutartigem Nebennierentumor und einer Kortisolüberproduktion zumindest die Operation als potentiell sehr gute Therapieoption an.

Publikation: 
Antoine Tabarin, Stéphanie Espiard, Timo Deutschbein, Laurence Amar, Delphine Vezzossi, Guido Di Dalmazi, Yves Reznik, Jacques Young, Rachel Desailloud, Bernard Goichot, Delphine Drui, Guillaume Assié, Hervé Lefebvre, Knut Mai, Frédéric Castinetti, Sandrine Laboureau, Massimo Terzolo, Amandine Ferriere, Aurore Georget, Eric Frison, Marie-Christine Vantyghem, Martin Fassnacht & Philippe Gosse, and the CHIRACIC Collaborators. Surgery for the treatment of arterial hypertension in patients with unilateral adrenal incidentalomas and mild autonomous cortisol secretion (CHIRACIC): a multicentre open-label superiority randomized controlled trial. The Lancet Diabetes & Endocrinology. Published Online May 12, 2025. doi.org/10.1016/ S2213-8587(25)00062-2

Text: KL / Wissenschaftskommunikation
 

Die beiden Wissenschaftler posieren vor einer Stellwand beim Kongress der ESPE und ESE mit Logos
Prof. Martin Fassnacht (links) und Prof. Antoine Tabarin präsentierten ihre aktuelle Studie beim Gemeinsamen Kongress der European Society for Paediatric Endocrinology (ESPE) und European Society of Endocrinology (ESE) im Mai 2025 in Kopenhagen. © privat
MRT-Aufnahme eines Nebennierentumors - ein roter Pfeil zeigt auf den Tumor
Das MRT zeigt einen drei Zentimeter großen Nebennierentumor auf der rechten Seite. Drei Prozent der über 50-Jährigen und zehn Prozent der über 80-Jährigen haben Nebennieren-Zufallstumore, die meist bei einer bildgebenden Untersuchung des Bauchraums entdeckt werden. © UKW

Wie und warum entstehen psychische Störungen?

Auf dem 4. Gemeinsamen Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Biologische Psychiatrie (DGBP) und der Arbeitsgemeinschaft für Neuropsychopharmakologie und Pharmakopsychiatrie (AGNP) erhielt Prof. Dr. Lorenz Deserno am 8. Mai 2025 in Berlin den mit 5.000 Euro dotierten Nachwuchsforschungspreis der DGBP und der Stiftung Nervenheilkunde. Deserno, der seit 2020 die W2-Professur für Experimentelle Neurowissenschaften in der Entwicklungspsychiatrie am Zentrum für Psychische Gesundheit des Uniklinikums Würzburg (UKW) innehat, teilt sich den Preis mit Dr. Frederike Stein von der Philipps-Universität Marburg.

Porträtfoto von Lorenz Deserno, der ein dunkles Jacket und blaues Jeanshemd trägt.
Lorenz Deserno, Professor für Experimentelle Neurowissenschaften in der Entwicklungspsychiatrie am Zentrum für Psychische Gesundheit des Uniklinikums Würzburg (UKW) erhielt den Nachwuchsforschungspreis 2025 der Deutschen Gesellschaft für Biologische Psychiatrie und der Stiftung Nervenheilkunde. © Daniel Peter / UKW
Vertreter der DGBP und Preisträger stehen auf der Bühne und lächeln für die Fotografen
Prof. Dr. Tilo Kircher (links), Präsident der Deutschen Gesellschaft für Biologische Psychiatrie (DGBP), und Prof. Dr. Jürgen Deckert (rechs), Schatzmeister der DGBP, gratulieren Prof. Dr. Lorenz Deserno zum Nachwuchsforschungspreis 2025. © Jens Wiltfang / Tilo Kircher

Würzburg. Bereits gegen Ende seines Medizinstudiums entwickelte Lorenz Deserno ein besonderes Interesse an der Hirnforschung bei psychischen Erkrankungen. Spätestens seit seiner Promotion über kognitive Defizite bei Patientinnen und Patienten mit Schizophrenie ist seine Forschung fest in der biologischen Psychiatrie verankert. Dieses Teilgebiet der Psychiatrie untersucht, wie biologische Veränderungen mit psychischen Erkrankungen zusammenhängen. Prof. Dr. Lorenz Deserno geht zum Beispiel am Zentrum für Psychische Gesundheit (ZEP) des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) der Frage nach, wie sich bestimmte Denk- und Handlungsweisen in den Aktivierungsmustern des Gehirns widerspiegeln und verfolgt dabei einen transdiagnostischen entwicklungspsychiatrischen Ansatz mit dem er unterschiedliche Erkrankungsbilder wie ADHS, Schizophrenie, Alkoholabhängigkeit, Essstörungen sowie zuletzt auch Angststörungen und Depression untersucht und vergleicht. Dazu nutzt er funktionelle Bildgebung und Methoden der sogenannten Computational Psychiatry.

Erforschung menschlichen Verhaltens und kognitiver Prozesse mit Hilfe der Computational Psychiatry

Computational Psychiatry verbindet Erkenntnisse aus der Psychiatrie, den Neurowissenschaften, der Informatik, der Mathematik und den Kognitionswissenschaften, um die komplexen Mechanismen des Gehirns und des Verhaltens bei psychischen Erkrankungen zu beschreiben. Während dieser Ansatz in den letzten Jahren viel Beachtung und Anerkennung gefunden hat, gibt es nur wenige Arbeitsgruppen, die diesen Forschungsansatz in der Entwicklungspsychiatrie anwenden.

Desernos Arbeiten haben beispielsweise zu einem neuen Verständnis des populären Neurotransmitters Dopamin beigetragen. Dieser ist nicht nur an der Verarbeitung von Belohnungen beteiligt, sondern steuert auch die gezielte Planung von Handlungen, um Belohnungen zu erhalten. Weiterhin konnte er mit seinem Team durch spezifische Modellierungen herausfinden, dass inkonsistente Entscheidungen keineswegs als Messfehler anzusehen sind, sondern dass eine altersabhängige Zunahme spezifischer und komplexer kognitiver Prozesse mit einer Abnahme dieser „verrauschten“ inkonsistenten Entscheidungen einhergeht und sogar davon abhängt. Darüber hinaus konzentriert sich sein Team auf die Anwendung in Studiendesigns mit potenzieller klinischer Relevanz, zum Beispiel zur Vorhersage der Wirksamkeit von Psychopharmaka bei ADHS in einer von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Studie.

Nachwuchsforschungspreis der Deutschen Gesellschaft für Biologische Psychiatrie (DGBP) und der Stiftung Nervenheilkunde

Auf der 4. gemeinsamen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Biologische Psychiatrie (DGBP) und der Arbeitsgemeinschaft für Neuropsychopharmakologie und Pharmakopsychiatrie (AGNP) wurden seine bisherigen Forschungsleistungen nun mit dem Nachwuchsforschungspreis der DGBP und der Stiftung Nervenheilkunde ausgezeichnet. Deserno teilt sich den mit 5.000 Euro dotierten Preis mit Dr. Frederike Stein von der Philipps-Universität Marburg.

Die Auszeichnung ist für ihn in mehrfacher Hinsicht bedeutsam: „Sie würdigt meinen bisherigen Werdegang, in dem ich durch die Kombination von wissenschaftlicher und klinischer Tätigkeit meine eigenständige Arbeitsgruppe aufgebaut habe, und sie stärkt mich persönlich in einer entscheidenden Phase meiner Karriere und Etablierung innerhalb der deutschsprachigen biologisch-psychiatrischen Forschungsgemeinschaft. Aus meiner Sicht ist die entwicklungspsychiatrische und neurowissenschaftliche Forschungsperspektive mit Methoden der ‚Computational Psychiatry‘ für die Beantwortung klinisch relevanter Forschungsfragen in der biologisch-psychiatrischen Forschung extrem aufschlussreich“.

Psychische Störungen besser verstehen, diagnostizieren und behandeln

Mit biologisch realistischen Methoden des „Computational Imaging“ und durch mobile Messungen im Alltag will Lorenz Deserno der Entstehung psychiatrischer Symptome weiter auf den Grund gehen. Wie und warum entstehen bestimmte Störungen auf der Ebene von Hirnprozessen, Informationsverarbeitung und Lernen? Welche Faktoren erhöhen das Risiko für psychische Störungen oder schützen davor? Seine Erkenntnisse sollen helfen, bestehende Behandlungen zu verbessern und neue, auch digitale Therapien zu entwickeln.

Werdegang von Lorenz Deserno
Lorenz Deserno wurde 1985 in Frankfurt am Main geboren und studierte von 2005 bis 2012 Humanmedizin an der Charité - Universitätsmedizin Berlin. In seiner preisgekrönten Doktorarbeit untersuchte er kognitive Defizite bei Schizophrenie mittels funktioneller Bildgebung. Nach seiner Approbation als Arzt arbeitete er zunächst wissenschaftlich an der Charite Universitätsmedizin Berlin und dann am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig. Dort beschäftigte er sich zunehmend mit impulsivem Verhalten, wie es zum Beispiel bei der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS), bei Substanzmissbrauch und bei Essanfällen mit Kontrollverlust auftritt. Es zeigte sich, dass viele dieser Verhaltensweisen ihre Wurzeln in der Kindheit der Betroffenen haben, was Lorenz Deserno in die Kinder- und Jugendpsychiatrie führte. Seine klinische Weiterbildung in Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie begann er 2016 in Leipzig, die er später am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) abschloss. Von 2018 bis 2020 vertiefte er am University College London am Max Planck UCL Centre for Computational Psychiatry and Ageing Research seine methodischen Kenntnisse auf dem noch jungen interdisziplinären Gebiet der ‚Computational Psychiatry‘. Im Jahr 2020 nahm Deserno einen Ruf nach Würzburg auf die neu geschaffene W2-Professur für Experimentelle Neurowissenschaften in der Entwicklungspsychiatrie an der Kinder- und Jugendpsychiatrie des UKW an. Deserno hat zwei Kinder (*2019, *2023) für die er jeweils sechs Monate Elternzeit im ersten Lebensjahr nahm.

Text: KL / Wissenschaftskommunikation

Porträtfoto von Lorenz Deserno, der ein dunkles Jacket und blaues Jeanshemd trägt.
Lorenz Deserno, Professor für Experimentelle Neurowissenschaften in der Entwicklungspsychiatrie am Zentrum für Psychische Gesundheit des Uniklinikums Würzburg (UKW) erhielt den Nachwuchsforschungspreis 2025 der Deutschen Gesellschaft für Biologische Psychiatrie und der Stiftung Nervenheilkunde. © Daniel Peter / UKW
Vertreter der DGBP und Preisträger stehen auf der Bühne und lächeln für die Fotografen
Prof. Dr. Tilo Kircher (links), Präsident der Deutschen Gesellschaft für Biologische Psychiatrie (DGBP), und Prof. Dr. Jürgen Deckert (rechs), Schatzmeister der DGBP, gratulieren Prof. Dr. Lorenz Deserno zum Nachwuchsforschungspreis 2025. © Jens Wiltfang / Tilo Kircher

Auszeichnung für Prof. Dr. Sebastian Walther

UKW-Klinikdirektor für seine Forschungsarbeit zur Behandlung von motorischen Störungen bei Schizophrenie durch Hirnstimulation geehrt

Prof. Dr. Sebastian Walther (Mitte) erhielt am 8. Mai den „Peter Müller Preis für Forschung im Bereich Schizophrenie“. Foto: UKW / privat
Prof. Dr. Sebastian Walther (Mitte) erhielt am 8. Mai den „Peter Müller Preis für Forschung im Bereich Schizophrenie“. Foto: UKW / privat

Würzburg. Prof. Dr. Sebastian Walther, Direktor der Klinik für Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) wurde am 8. Mai mit dem „Peter Müller Preis für Forschung im Bereich Schizophrenie“ ausgezeichnet. Der Preis wurde bei der gemeinsamen Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für Neuropsychopharmakologie und Pharmakopsychiatrie (AGNP) und der Deutschen Gesellschaft für biologische Psychiatrie (DGBP) verliehen.

Prof. Dr. Sebastian Walther ist seit Oktober 2024 Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Würzburger Uniklinikum. Die Erforschung motorischer Störungen bei psychiatrischen Erkrankungen wie z.B. Schizophrenie, zählt zu seinen Schwerpunkten.

Das Verfahren der transkraniellen Hirnstimulation, bei der gezielt Areale des Gehirns angeregt oder auch gehemmt werden, ist ein vielversprechender Behandlungsansatz bei psychischen Erkrankungen. Diese Form der Hirnstimulation wird in der Regel in Kombination mit den Möglichkeiten der Psychotherapie und der medikamentösen Therapie angeboten. Psychomotorische Veränderungen bei psychischen Erkrankungen beeinträchtigen die Lebensqualität und sagen komplexere Krankheitsverläufe voraus. Auch deshalb ist der genaue Blick auf die Motorik für die Patientinnen und Patienten wichtig, so Prof. Walther.

Dieser Preis wurde zum insgesamt 3. Mal im Rahmen des diesjährigen gemeinsamen Kongresses der AGNP und DGBP verliehen.

Prof. Dr. Sebastian Walther (Mitte) erhielt am 8. Mai den „Peter Müller Preis für Forschung im Bereich Schizophrenie“. Foto: UKW / privat
Prof. Dr. Sebastian Walther (Mitte) erhielt am 8. Mai den „Peter Müller Preis für Forschung im Bereich Schizophrenie“. Foto: UKW / privat

„Pflege, weil ich´s kann“: Ausstellung am UKW zeigt Werte, Kompetenz und Berufsstolz

Zehn Motive mit authentischen Einblicken / Eröffnung am internationalen Tag der Pflege

Sarah Schuster (l.) und Jasmin Sauer arbeiten zusammen in der Kinderintensivpflege am UKW. Die Ausstellung zeigt sie bei der gemeinsamen Arbeit mit den kleinsten Patienten. Foto: UKW / Stefan Dreising
Sarah Schuster (l.) und Jasmin Sauer arbeiten zusammen in der Kinderintensivpflege am UKW. Die Ausstellung zeigt sie bei der gemeinsamen Arbeit mit den kleinsten Patienten. Foto: UKW / Stefan Dreising
Alena Grümmer (l.) und Cindy Glanert vor den Motiven, die sie bei der Arbeit am UKW zeigen. Foto: UKW / Stefan Dreising
Alena Grümmer (l.) und Cindy Glanert vor den Motiven, die sie bei der Arbeit am UKW zeigen. Foto: UKW / Stefan Dreising
Stefan Rehberger, Projektleiter und Klinikpflegedienstleitung, UKW-Pflegedirektor Marcus Huppertz, Cindy Glanert aus der UKW-Pflege, Prof. Dr. Christoph-Thomas Germer (Klinikdirektor Chirurgie I) und Lena Ossiander, Leiterin der Stabsstelle Marketing (v.l.) beim Start der Ausstellung „Pflege, weil ich´s kann.“ Foto: UKW / Kim Sammet
Stefan Rehberger, Projektleiter und Klinikpflegedienstleitung, UKW-Pflegedirektor Marcus Huppertz, Cindy Glanert aus der UKW-Pflege, Prof. Dr. Christoph-Thomas Germer (Klinikdirektor Chirurgie I) und Lena Ossiander, Leiterin der Stabsstelle Marketing (v.l.) beim Start der Ausstellung „Pflege, weil ich´s kann.“ Foto: UKW / Kim Sammet

Würzburg. „Pflege, weil ich´s kann“: Das ist der Titel einer Ausstellung mit zehn Motiven, die am heutigen Tag der Pflege (12. Mai) im Universitätsklinikum Würzburg (UKW) eröffnet wurde. Die Ausstellung zeigt Fotografien, die einen authentischen Einblick in die Pflege an der Uniklinik geben. Das Besondere: Die Fotografien wurden von Mitarbeitenden der Würzburger Uniklinik erstellt, u.a. aus der Pflege.

So zeigt ein Motiv etwa eine Aufnahme aus der Neonatologie an einem Inkubator für Neugeborene, der Titel: „Ein Händchen für Händchen haben.“ Abgebildet sind Sarah Schuster und Jasmin Sauer, beide tätig in der Kinderintensivpflege. Sie sind sich einig: „Das Motiv passt genau. Es zeigt unsere Arbeit und hat eine tolle Wirkung. Ein starkes Bild.“ Ein weiteres Motiv zeigt Alena Grümmer bei ihrer Arbeit auf der Intensivstation: „Es ist wichtig, nach außen zu zeigen, was wir können und was wir leisten. Die Bilder und die Ausstellung kommen genau zum richtigen Zeitpunkt.“ Cindy Glanert arbeitet in der Chirurgie, auch sie ist auf einem der Bilder zu sehen. Für sie steht fest: „Es ist schön, mit seinem Gesicht für unsere Arbeit am UKW zu stehen. Das macht mich durchaus auch stolz.“

Die Motive sind im Rahmen einer gemeinsamen Projektarbeit der Pflege und Stabsstelle Marketing entstanden. Kreativen Support leistete die bekannte Spoken Word Künstlerin Leah Weigand.

„Eigene Sicht der Berufsgruppe darstellen“

Der Ausgangspunkt waren u.a. die Fragen: „Wie können wir die Sicht der Pflegenden auf ihren eigenen Beruf darstellen? Was können wir der leider häufig negativen öffentlichen Darstellung des Berufsbildes entgegensetzen und die Werte, die Kompetenz und den Stolz der Profession Pflege darstellen, ohne dass es eine einfache Rekrutierungskampagne wird?“, erklärt Marcus Huppertz, Pflegedirektor am UKW. Eine Antwort auf diese Fragen mündete im Slogan der Kampagne und dem Namen der Ausstellung: „Pflege – weil ich’s kann!“. 

Beteiligt waren Pflegende aus den verschiedenen Bereichen am UKW, in verschiedenen Positionen und mit unterschiedlicher Berufserfahrung. Über ein Jahr hatte ein Projektteam aus der Pflege mit rund 50 Personen an verschiedenen Themen gearbeitet, koordiniert von einer zehnköpfigen Lenkungsgruppe. Die aktuelle Ausstellung ist ein Ergebnis dieser Arbeit.

„Botschafter“ der Pflege

Die Ausstellung ist dabei nur ein Ergebnis des Projektes. Zudem wurden „Botschafter“ der Pflege gefunden, die künftig auch weitere Themen innerhalb des UKW interprofessionell vorantreiben werden. Dazu zählen etwa die Zusammenarbeit mit der IT, der Verwaltung oder der Apotheke des Klinikums, um hier den direkten Austausch und die Interaktion innerhalb der Uniklinik weiter zu intensivieren.

Die Ausstellung ist in der Magistrale des ZIM/ZOM (Oberdürrbacher Straße) zu sehen bis Ende Juni. Im Anschluss ist geplant, die Bilder auch anderen Orten zu zeigen.

Sarah Schuster (l.) und Jasmin Sauer arbeiten zusammen in der Kinderintensivpflege am UKW. Die Ausstellung zeigt sie bei der gemeinsamen Arbeit mit den kleinsten Patienten. Foto: UKW / Stefan Dreising
Sarah Schuster (l.) und Jasmin Sauer arbeiten zusammen in der Kinderintensivpflege am UKW. Die Ausstellung zeigt sie bei der gemeinsamen Arbeit mit den kleinsten Patienten. Foto: UKW / Stefan Dreising
Alena Grümmer (l.) und Cindy Glanert vor den Motiven, die sie bei der Arbeit am UKW zeigen. Foto: UKW / Stefan Dreising
Alena Grümmer (l.) und Cindy Glanert vor den Motiven, die sie bei der Arbeit am UKW zeigen. Foto: UKW / Stefan Dreising
Stefan Rehberger, Projektleiter und Klinikpflegedienstleitung, UKW-Pflegedirektor Marcus Huppertz, Cindy Glanert aus der UKW-Pflege, Prof. Dr. Christoph-Thomas Germer (Klinikdirektor Chirurgie I) und Lena Ossiander, Leiterin der Stabsstelle Marketing (v.l.) beim Start der Ausstellung „Pflege, weil ich´s kann.“ Foto: UKW / Kim Sammet
Stefan Rehberger, Projektleiter und Klinikpflegedienstleitung, UKW-Pflegedirektor Marcus Huppertz, Cindy Glanert aus der UKW-Pflege, Prof. Dr. Christoph-Thomas Germer (Klinikdirektor Chirurgie I) und Lena Ossiander, Leiterin der Stabsstelle Marketing (v.l.) beim Start der Ausstellung „Pflege, weil ich´s kann.“ Foto: UKW / Kim Sammet

Virtuelle Begleiter gegen reale Ängste

ANWESENHEIT VIRTUELLER CHARAKTERE MIT BESTIMMTEN EIGENSCHAFTEN KANN KÖRPERLICHE ANGSTREAKTIONEN ABMINDERN

Eine aktuelle Kooperationsstudie der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik und dem Lehrstuhl für Mensch-Computer Interaktion der Universität Würzburg zeigt, dass virtuelle Charaktere Angstreaktionen deutlich abmildern können, vorausgesetzt sie haben eine soziale Relevanz. Neben einer gleichgeschlechtlichen virtuellen Figur entfaltete auch eine einfache Holzpuppe eine beruhigende Wirkung, wenn sie als empathischer Partner wahrgenommen wurde. Die im Fachjournal Computers in Human Behavior veröffentlichten Ergebnisse eröffnen neue Perspektiven für den gezielten Einsatz virtueller Charaktere in digitalen Gesundheitsanwendungen.

 

die Collabe zeigt oben zwei Bilder vom virtuellen Labor, links Vogelperspektive, rechts zwei leere Stühle, unten sind vier Bilder von einzelnen Charakteren, die mit dem Rücken zum Betrachter gewandt sind.
Die Verkörperungen der im Experiment verwendeten virtuellen Figur. Oben Ansichten vom leeren Raum, unten v.l.n.r.: Wolke, Holzfigur, weiblich, männlich. Im ersten Versuch wurden die Probandinnen mit einem neutralen Klang konfrontiert, im zweiten Versuch mit einem aversiven Geräusch. © Weiß, Krop et al., Computers in Human Behavior, 2025.
Zwei Bildausschnitte aus dem VR-Labor nebeneinander, VR-Frau und Holzfigur Woody sitzen mit dem Rücken dem Betrachter zugewandt in der schallisolierten VR-Kabine.
Als die Holzfigur Woody eine soziale Bedeutung erhielt, hatte sie einen ähnlich signifikanten Social Buffering Effekt auf die Probandinnen wie die virtuelle Frau und wirkte beruhigend. © Weiß, Krop et al., Computers in Human Behavior, 2025.

Würzburg. Du bist nicht allein. Ob bei Menschen oder Tieren - die Nähe zu Artgenossen kann in Angstsituationen beruhigend wirken. Dieser als Social Buffering bezeichnete Mechanismus wurde ursprünglich in der Tierforschung entdeckt. Selbst Zebrafische zeigen in Gegenwart von Artgenossen weniger Angstverhalten (Faustino et al., Scientific Reports, 2017). Dabei spielt die Größe des sichtbaren Schwarms keine Rolle. Schon der Sichtkontakt zu einzelnen Artgenossen in benachbarten Aquarien können bedrohliche Reize, in diesem Fall ausgelöst durch eine Alarmsubstanz im Wasser, abschwächen. Prof. Dr. Grit Hein, Professorin für Translationale Neurowissenschaften am Uniklinikum Würzburg (UKW), ließ sich von diesem einfachen Versuchsaufbau mit beeindruckendem Ergebnis inspirieren und untersuchte mit ihrem Team, ob der Effekt der bloßen sozialen Anwesenheit auch beim Menschen messbar ist, zunächst in der realen Welt und in einer aktuellen Studie in der virtuellen Welt. 

„Soziale Interaktionen finden heute oft virtuell statt, aber die Auswirkungen von Social Buffering in der virtuellen Welt sind noch wenig bekannt“, erklärt Grit Hein. 

Anwesenheit eines Artgenossen kann autonome Reaktionen auf aversive Reize abschwächen

Zunächst zum Studiensetting in der realen Welt, welches in Vorgängerstudien (Qi Y et al., Proc Biol Sci, 2020 und Qi Y et al., Translational Psychiatry, 2021) verwendet wurde: Die Studienteilnehmerinnen befanden sich in einer schallisolierten Kabine und hörten angsteinflößende Schreie, sowohl allein als auch in Anwesenheit einer realen Person. Neben den emotionalen Bewertungen wurde auch der so genannte Hautleitwert untersucht und damit das autonome Angstmaß bestimmt, also die Aktivität des peripheren Nervensystems - übrigens ein Wert, der nicht beeinflusst werden kann und deshalb auch oft in der Lügendetektion eingesetzt wird. Wenn wir aversiven Reizen ausgesetzt sind, also Reizen, die unangenehm, schmerzhaft, angst- oder stressauslösend sind, werden unsere Schweißdrüsen aktiviert. Die Haut wird feuchter, ihre Leitfähigkeit verändert sich, der Hautleitwert steigt. 
Es zeigte sich, dass die bloße Anwesenheit einer realen Person die autonome Reaktion auf den aversiven Reiz abschwächen und den Hautleitwert senken kann. Wobei die Personen, die eher sozial ängstlich sind, wie erwartet weniger von der Anwesenheit einer realen Person profitierten. Anders in der virtuellen Welt. 

Angst auslösende Geräusche allein oder in Anwesenheit eines virtuellen Charakters mit unterschiedlichem Grad an menschenähnlichen Eigenschaften

Um ein vergleichbares virtuelles Setting zu haben, kooperierte Hein mit dem Team von Prof. Dr. Marc Erich Latoschik am Lehrstuhl für Mensch-Computer-Interaktionen (HCI) am Center for Intelligence and Data Science (CAIDAS) der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). Die schalldichte Kabine wurde in der virtuellen Realität nachgebaut und von den weiblichen und männlichen Statisten aus dem realen Studiensetting wurden Ganzkörperscans angefertigt, so dass auch sie 1:1 in die virtuelle Welt übertragen werden konnten. Und tatsächlich zeigte sich in der Studie der Social Buffering-Effekt in der virtuellen Welt auch bei sozial ängstlicheren Personen. „Total verrückt“, sagt Grit Hein. „Den Testpersonen war bewusst, dass es sich um virtuelle Charaktere handelte, die sie durch die VR-Brille wahrnahmen, und trotzdem wirkten sie beruhigend auf sie, was sich an der Senkung des Hautleitwerts zeigte.“

Unheimlich menschlich: Vermeidung des Uncanny Valley-Effekts 

Das Team frage sich daraufhin: Wie menschlich muss ein virtueller Charakter idealerweise sein, damit er beruhigend wirkt und nicht ins Gegenteil umschlägt? Es gibt Forschungen, unter anderem von der Würzburger HCI-AG, die einen Fall in ein unheimliches Tal beschreiben, wenn ein künstliches Wesen zu menschlich aussieht, den so genannten Uncanny Valley-Effekt. Das heißt: Je menschlicher ein künstliches Wesen aussieht, desto sympathischer finden wir es - bis zu einem gewissen Punkt: Ist es zu menschenähnlich aber eben nicht perfekt genug, kann es unplausibel wirken und so Verwirrung, eine so genannte kognitive Dissonanz, sowie unangenehme oder gar beängstigende Gefühle auslösen. 
Und so kamen in der aktuellen Studie zu der weiblichen und der männlichen Figur noch zwei Charaktere mit unterschiedlichen menschenähnlichen Merkmalen hinzu: eine einfache gesichts- und geschlechtslose, hautfarbene Holzpuppe und eine Punktwolke mit den groben Umrissen eines menschlichen Körpers. Ferner wurden die Studienteilnehmerinnen den Schreien allein, ohne virtuelle Figur, ausgesetzt.

Social Buffering mit Social Framing: Gleichgeschlechtliche virtuelle Figur und Holzpuppe wirken beruhigend, wenn sie als soziale Partner wahrgenommen werden

Zur großen Überraschung des Studienteams zeigte Woody, wie die Holzpuppe intern genannt wurde, einen ähnlich signifikanten Social Buffering Effekt wie die virtuelle Frau, während der männliche Charakter eher den gegenteiligen Effekt hatte. Bei der Wolke gab es kein Social Buffering, die Ergebnisse waren vergleichbar mit einem leeren Raum. Auch das sei ein wichtiges Ergebnis, so Grit Hein. Denn es zeige, dass der Social Buffering-Effekt durch mehr als nur Ablenkung hervorgerufen werde.

Aber: Die Holzfigur mit menschenähnlichen Zügen funktionierte nur mit sozialer Bedeutung. Das heißt: Den Probandinnen wurde vorher gesagt, dass der virtuelle Charakter ein Alarmsignal empfangen könne, wenn es ihnen nicht gut geht. Ohne dieses so genannte Social Framing hatte Woody keine beruhigende Wirkung. „Ein menschenähnlicher Charakter kann also durchaus Stress und Ängste reduzieren, sofern er eine soziale Bedeutung hat“, fasst Grit Hein die Ergebnisse der Studie zusammen, die jetzt in der Fachzeitschrift „Computers in Human Behaviour“ veröffentlicht wurde. Diese Erkenntnisse seien vor allem für psychiatrische Patientengruppen interessant, deren Behandlung durch eine virtuelle Therapie ergänzt werden könnte. In einem nächsten Schritt müsse nun herausgefunden werden, wer bei welchem Krankheitsbild auf welchen Charakter anspricht. 

Nur zu wissen, dass ich die Situation verlassen kann, wie etwa mit einem Notfallknopf oder einem Notausgang, würde nicht ausreichen, das wäre zu abstrakt. „Ich brauche ein Gegenüber, was ich als ‚Rettungsanker‘ sehen kann und was mich nicht bewertet, wie eben Woody“, interpretiert Grit Hein die Ergebnisse. Der männliche Charakter habe bei den ausschließlich weiblichen Probandinnen diese Funktion anscheinend nicht erfüllt, obwohl er genau wie Woody oder der weibliche Charakter eingeführt wurde. 

„Unsere größte Erkenntnis war, dass unsere Angstreaktion nicht von der optischen Detailtreue eines virtuellen Charakters abhängt, sondern davon, ob wir ihn als echten sozialen Partner betrachten“, resümiert Dr. Martin Weiß, Postdoktorand in der Arbeitsgruppe für Translationale Soziale Neurowissenschaften am UKW und gemeinsam mit Philipp Krop Erstautor der Studie. „Selbst eine stilisierte Figur kann – wenn wir ihr diese Rolle zuschreiben – unsere physiologischen Furchtreaktionen wirksam abpuffern. Das macht virtuelle Interventionen gegen Angst, wie zum Beispiel virtuelle Agenten oder KI-basierte Lösungen, wesentlich einfacher und günstiger zugänglich“, ergänzt Philipp Krop, wissenschaftlicher Mitarbeiter am CAIDAS.

Relevant für medizinische und gesellschaftliche Apps

Die kooperative Forschung zwischen dem Würzburger Zentrum für Psychische Gesundheit (ZEP) und dem Lehrstuhl für Mensch-Computer-Interaktion (HCI) ist besonders relevant für den boomenden Markt der medizinischen Apps, die oft mit virtuellen Charakteren arbeiten und nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum (Trial and Error) entwickelt werden. Wem folgen wir am liebsten auf dem Weg zu einem gesunden Lebensstil? Wer motiviert uns zu täglichen Übungen? Wem vertrauen wir unsere Ängste und Sorgen an? „Mit unserer Art der Forschung können wir diese medizinischen Anwendungen auf empirische Füße stellen“, sagt Grit Hein. Die Basis ist gelegt, in weiteren Experimenten sollen die Charaktere mit weiteren Eigenschaften aufgeladen werden, etwa mit der Fähigkeit, soziale Signale auszusenden.

Publikation: 
Martin Weiß, Philipp Krop, Lukas Treml, Elias Neuser, Mario Botsch, Martin J. Herrmann, Marc Erich Latoschik, Grit Hein. The buffering of autonomic fear responses is moderated by the characteristics of a virtual character. Computers in Human Behavior. Volume 168, 2025, 108657, ISSN 0747-5632, https://doi.org/10.1016/j.chb.2025.108657.

Vorgängerstudien in PubMed:
Qi Y, Herrmann MJ, Bell L, Fackler A, Han S, Deckert J, Hein G. The mere physical presence of another person reduces human autonomic responses to aversive sounds. Proc Biol Sci. 2020 Jan 29;287(1919):20192241. doi: 10.1098/rspb.2019.2241. Epub 2020 Jan 22. PMID: 31964306; PMCID: PMC7015327.
Qi Y, Bruch D, Krop P, Herrmann MJ, Latoschik ME, Deckert J, Hein G. Social buffering of human fear is shaped by gender, social concern, and the presence of real vs virtual agents. Transl Psychiatry. 2021 Dec 20;11(1):641. doi: 10.1038/s41398-021-01761-5. PMID: 34930923; PMCID: PMC8688413.

Text: KL / Wissenschaftskommunikation
 

die Collabe zeigt oben zwei Bilder vom virtuellen Labor, links Vogelperspektive, rechts zwei leere Stühle, unten sind vier Bilder von einzelnen Charakteren, die mit dem Rücken zum Betrachter gewandt sind.
Die Verkörperungen der im Experiment verwendeten virtuellen Figur. Oben Ansichten vom leeren Raum, unten v.l.n.r.: Wolke, Holzfigur, weiblich, männlich. Im ersten Versuch wurden die Probandinnen mit einem neutralen Klang konfrontiert, im zweiten Versuch mit einem aversiven Geräusch. © Weiß, Krop et al., Computers in Human Behavior, 2025.
Zwei Bildausschnitte aus dem VR-Labor nebeneinander, VR-Frau und Holzfigur Woody sitzen mit dem Rücken dem Betrachter zugewandt in der schallisolierten VR-Kabine.
Als die Holzfigur Woody eine soziale Bedeutung erhielt, hatte sie einen ähnlich signifikanten Social Buffering Effekt auf die Probandinnen wie die virtuelle Frau und wirkte beruhigend. © Weiß, Krop et al., Computers in Human Behavior, 2025.

Uni Würzburg: zwei Neubauten am Hubland-Campus eröffnet

Feierlich hat die Universität Würzburg zwei neue Gebäude am Hubland-Campus Süd eröffnet: den Forschungsneubau „Center of Polymers for Life“ und ein Praktikumsgebäude der Chemie.

Durchschneiden des Bandes zur Eröffnung
Beim Durchschneiden des Bandes zur Eröffnung des Center of Polymers for Life (von links): Dekanin Leane Lehmann, Oberbürgermeister Christian Schuchardt, Unipräsident Paul Pauli, Wissenschaftsminister Markus Blume, CPL-Leiter Jürgen Groll, Grit Liebau vom Staatlichen Bauamt und CPL-Leiter Lutz Nuhn. (Foto: Rudi Merkl / Uni Würzburg)

Würzburg. Im „Center of Polymers for Life“ (CPL) werden innovative Kunststoffe für medizinische Anwendungen entwickelt und erforscht. Unter anderem werden dort künstliche Gewebemodelle hergestellt, die einmal als maßgeschneiderte Implantate dem Wiederaufbau zerstörter Knorpel oder Knochen dienen könnten. In der Pharma- und Krebsforschung könnten diese Gewebe außerdem Tierversuche ersetzen. 

Im CPL arbeiten die Fachdisziplinen Chemie, Medizin, Materialwissenschaft, Biologie, Informatik und Ingenieurwesen eng zusammen.. Der Neubau bietet Arbeitsplätze für rund 60 Personen. Er beheimatet einen Großteil des neu gegründeten Instituts für Funktionsmaterialien und Biofabrikation unter der Leitung der Professoren Jürgen Groll und Lutz Nuhn.

Die Baukosten für das CPL betrugen 29,6 Millionen Euro inklusive Ersteinrichtung und Großgeräten. Der Bund übernahm davon 11,4 Millionen Euro, den Rest finanzierte der Freistaat Bayern. Spatenstich für das Gebäude war im Oktober 2021; die Bauzeit betrug gut drei Jahre.

Praktikumsgebäude Chemie: 500 Plätze für Studierende

Das neue Praktikumsgebäude der Fakultät für Chemie und Pharmazie bietet Platz für bis zu 500 Studierende vieler unterschiedlicher naturwissenschaftlicher Fächer. Die jungen Leute werden hier in den ersten drei Semestern ihres Studiums in Anorganischer Chemie, Biochemie, Lebensmittelchemie, Medizinischer und Physikalischer Chemie ausgebildet.

Die Baukosten von knapp 58,8 Millionen Euro wurden vom Freistaat Bayern getragen. Der Neubau ist ein Projekt der Hightech Agenda Bayern: In diesem Forschungs- und Investitionsprogramm des Freistaats werden neben Spitzentechnologien auch dringend nötige Sanierungen und Neubauten beschleunigt finanziert. Die Bauzeit für das Praktikumsgebäude betrug gut dreieinhalb Jahre.

Warum das Praktikumsgebäude nötig war

Das Chemiezentrum am Hubland entstand ab 1965. Es besteht aus einem Zentralbau mit satellitenförmig angebundenen Instituts- und Forschungsbauten. Alle diese Satelliten wurden inzwischen von Grund auf saniert oder durch Neubauten ersetzt – nur der Zentralbau ist noch im Originalzustand erhalten. Er beheimatet Praktikumsräume, Hörsäle und zentrale Einrichtungen.

Damit der Zentralbau saniert oder neu gebaut werden kann, müssen Ausweichflächen geschaffen werden. Das jetzt eröffnete Praktikumsgebäude enthält einen Teil davon. Den Rest wird ein weiteres Laborgebäude liefern, dessen Planung in Kürze angestoßen werden soll. Erst wenn auch dieser Neubau bezugsfertig ist, kann die Sanierung des Zentralbaus starten.

Eröffnung mit Wissenschaftsminister Markus Blume

Zur Eröffnung der Neubauten war auch Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume gekommen. Er überreichte vor Ort die Hightech Agenda-Plakette für das Praktikumsgebäude Chemie: 

„Doppelpack in Würzburg! Wir eröffnen das neue Praktikumsgebäude und den Forschungsbau CPL für die Chemie der JMU.. In Summe wurden rund 95 Millionen Euro investiert – und das ist nur der vorläufige Höhepunkt einer ganzen Reihe von Baumaßnahmen für die exzellente Würzburger Chemie. Die JMU hat in der Chemie und Pharmazie ein extrem starkes Profil entwickelt – in beiden Disziplinen strahlt sie weit über Bayern hinaus. Das zeigt sich gerade beim Forschungsbau für das CPL. Denn den gibt es nicht frei Haus, den muss man sich hart verdienen – ein Beleg für die tolle Arbeit unserer gefühlten Exzellenzuniversität.“

Universitätspräsident Paul Pauli: „Exzellente Forschung und exzellente Lehre bilden das Herzstück unserer Universität. Daher freue ich mich, dass wir heute das Center of Polymers for Life für die Spitzenforschung und das Praktikumsgebäude für die Spitzenlehre einweihen. Das wird unsere ohnehin schon herausragende Stellung im Bereich der Chemie und Pharmazie festigen.“

Pauli verwies in diesem Zusammenhang auf das neueste „World University Ranking by Subjects“ von Times Higher Education (THE): Im Bereich der Lebenswissenschaften, zu denen Biochemie und Biotechnologie gehören, zählt die JMU demnach zu den besten elf Prozent der Universitäten weltweit; in Bayern belegt sie Rang drei. Beim Leistungsindikator „Forschungsqualität“ liegt die JMU mit 96,1 von 100 möglichen Punkten auf Rang 16 weltweit und auf Platz eins in Deutschland. „Zu dieser Bewertung hat die zukunftsweisende Forschung, die im CPL eine hervorragende Heimat gefunden hat, entscheidend beigetragen“, so der Präsident.

Symbolische Schlüssel überreicht

Die symbolischen Schlüssel für die Neubauten übergab Grit Liebau, stellvertretende Amtsleitung des Staatlichen Bauamts Würzburg: „Mit dem Bau dieser zwei hochinstallierten Laborgebäude zeigen wir, dass staatliches Bauen Forschung und Lehre zukunftsgerichtet und nachhaltig unterstützt.“

Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt: „Die neuen Gebäude werden dazu beitragen, den Uni-Standort weiter zu stärken und die Region zu einem noch attraktiveren Standort für Forschung und Lehre zu machen. Die enge Zusammenarbeit zwischen der Uni und der Stadt ist ein wichtiger Faktor für ein lebenswertes und erfolgreiches Würzburg.“

Leane Lehmann, Dekanin der Fakultät für Chemie und Pharmazie: „Mit den Neubauten setzen wir ein Zeichen für die wissenschaftliche Innovationskraft unserer Fakultät.“ Sie präsentierte in ihrer Rede die ansehnliche Leistungsbilanz der Würzburger Fakultät. Dann stellten die Leiter des CPL, Lutz Nuhn und Jürgen Groll, die Forschungsarbeiten vor, die im CPL laufen.

Gerüste für Herzpflaster und künstliche Blutgefäße

Nach dem offiziellen Durchschneiden des Bands stand für die prominenten Gäste eine kurze Führung im CPL auf dem Programm. Dabei wurden ihnen hochmoderne 3D-Drucker sowie Polymergerüste für Herzpflaster, künstliche Blutgefäße und andere Anwendungen gezeigt. Nach einem Mittagsimbiss konnten auch die anderen Gäste bei Führungen das neue Gebäude und die Forschungen näher kennenlernen.

Pressemeldung der Universität Würzburg vom 9. Mai 2025

Durchschneiden des Bandes zur Eröffnung
Beim Durchschneiden des Bandes zur Eröffnung des Center of Polymers for Life (von links): Dekanin Leane Lehmann, Oberbürgermeister Christian Schuchardt, Unipräsident Paul Pauli, Wissenschaftsminister Markus Blume, CPL-Leiter Jürgen Groll, Grit Liebau vom Staatlichen Bauamt und CPL-Leiter Lutz Nuhn. (Foto: Rudi Merkl / Uni Würzburg)

Aktionstag mit Schwerpunkt „Schmerztherapie im Alter“

Am Mittwoch, den 4. Juni 2025 findet der bundesweite „Aktionstag gegen den Schmerz“ statt. Aus diesem Anlass veranstaltet das Zentrum für interdisziplinäre Schmerzmedizin des Uniklinikums Würzburg einen Informationsnachmittag, der sich schwerpunktmäßig mit der Schmerztherapie im Alter beschäftigt.

Gebäude Zentrum Schmerzmedizin
Der Tag der offenen Tür findet in den modernen Räumen des Zentrums für interdisziplinäre Schmerzmedizin im Gebäude A9 des Uniklinikums Würzburg statt. Bild: Monika Fischer / UKW

Würzburg. Anlässlich des bundesweiten „Aktionstags gegen den Schmerz“ organisiert das von Prof. Dr. Heike Rittner geleitete Zentrum für interdisziplinäre Schmerzmedizin (ZiS) des Uniklinikums Würzburg am Mittwoch, den 4. Juni 2025 erneut einen öffentlichen Informationstag. In den Räumen des Zentrums am Straubmühlweg 2a (Haus A9) erwartet die Besucherinnen und Besucher ein vielfältiges Programm. Im Fokus stehen diesmal die Herausforderungen und Möglichkeiten der Schmerzbehandlung im höheren Lebensalter. 

Kurzvorträge und Info-Inseln

Ab 15:20 Uhr greifen Expertinnen und Experten aus verschiedenen Fachrichtungen in Kurzvorträgen hierzu zentrale Themen auf: Gehört der Schmerz zum Alter? Wie lässt sich die medikamentöse Schmerzbehandlung bei älteren Menschen gestalten? Wie werden Schmerzen bei Gürtelrose behandelt? Welche Physiotherapie hilft bei Osteoporose? Wie bekomme ich im Alter Hilfe von der Sozialversicherung? Und was leistet die Vital+ Schmerzgruppe des ZiS? 

Bereits ab 15:00 Uhr stehen zudem Info-Inseln bereit, an denen unter anderem über das multimodale Behandlungskonzept sowie aktuelle klinische und experimentelle Forschungsprojekte des Zentrums informiert wird. 

Der kostenlose Aktionstag endet gegen 18:00 Uhr.

Weitere Details zum Programm gibt es unter www.ukw.de/zis 
 

Text: Pressestelle / UKW

Gebäude Zentrum Schmerzmedizin
Der Tag der offenen Tür findet in den modernen Räumen des Zentrums für interdisziplinäre Schmerzmedizin im Gebäude A9 des Uniklinikums Würzburg statt. Bild: Monika Fischer / UKW