Gesponnene Barrieren

Spinnenseide soll Silikonimplantate besser verträglich machen. In industriellem Maßstab von Bakterien produziert, kommt die Substanz jetzt in die klinische Erprobung. Daran beteiligt sind Universitätsklinikum und Universität Würzburg.

Nach Unfällen, nach Krebserkrankungen, in der ästhetischen Chirurgie: Für Implantate aus Silikon gibt es vielfältige Einsatzmöglichkeiten. In Form von Dauerkathetern, bei Ernährungssonden, bei Gefäßprothesen, als Brustimplantat und in vielen anderen Fällen mehr findet der Stoff heutzutage in der Medizin weltweit Verwendung. Dabei bleiben Nebenwirkungen nicht immer aus.

Eine Kapsel um das Implantat

Bei Brustimplantaten reagiert der Körper beispielsweise in bis zu einem Fünftel der Fälle auf den Fremdkörper. Er bildet eine feste Gewebekapsel um das Implantat herum, die Schmerzen verursachen und eine Verformung und Zerstörung des Implantates nach sich ziehen können. Dann bleibt den Medizinern nichts anderes übrig als eine erneute Operation, in der sie sowohl die Kapsel als auch das Implantat entfernen müssen.

Einen neuen Ansatz, solche Reaktionen zu verhindern, erprobt in den kommenden Jahren Philip H. Zeplin am Würzburger Universitätsklinikum. Zeplin ist Assistenzarzt an der Klinik für Unfall-, Hand-, Plastische und Wiederherstellungschirurgie. Dort kommen Implantate regelmäßig zum Einsatz; ebenso regelmäßig laufen Studien, in denen neue Materialien und neue Operationsverfahren untersucht werden– immer mit dem Ziel, die Patienten möglichst optimal zu versorgen. In Zeplins Studie kommt ein besonderer Stoff zum Einsatz: Spinnenseide.

Positive Eigenschaften der Spinnenseide

„Spinnenseide hat eine ganze Reihe positiver Eigenschaften“, sagt Philip Zeplin. Die Substanz ist hypoallergen, umweltverträglich und biologisch abbaubar. Außerdem ist sie extrem reißfest und kann bei Bedarf mit weiteren Eigenschaften versehen werden.

Gewonnen wird Spinnenseide auf keiner Spinnenfarm. Lieferant ist die junge Firma AMSilk aus Martinsried bei München. Dort produzieren Bakterien vom Typ Escherichia Coli die Seidenproteine, nachdem ihnen zuvor das entsprechende Spinnengen in ihr Erbgut eingebaut wurde. Entwickelt hat diese Technik Professor Thomas Scheibel, Inhaber des Lehrstuhls für Biomaterialien an der Universität Bayreuth.

Veränderte Oberflächeneigenschaften

„Die Spinnenseide liegt dann in Form einer scheinbar ganz gewöhnlichen Flüssigkeit vor“, sagt Zeplin. Taucht man die Implantate in diese Flüssigkeit, bleibt ein hauchdünner Film an ihnen hängen. „Die Spinnenseide soll im Körper eine Barriere zwischen dem Silikon und dem umgebenden Gewebe bilden und dem Implantat somit andere Oberflächeneigenschaften verleihen.“

Das Forschungsprojekt

Bis die Spinnenseide Implantate für Menschen verträglicher macht, wird jedoch noch einige Zeit vergehen. Momentan befindet sich die Substanz in der präklinischen Erprobung. Das entsprechende Forschungsprojekt von Philip Zeplin ist auf drei Jahre angelegt; es wird vom Interdisziplinären Zentrum für klinische Forschung der Würzburger Universität mit 250.000 Euro gefördert.

An den Untersuchungen ebenfalls beteiligt sind der Lehrstuhl für Tissue Engineering und Regenerative Medizin der Uni Würzburg unter der Leitung der Professorin Heike Walles sowie Thomas Scheibel in Bayreuth. Dabei muss die Spinnenseide den Beweis antreten, dass sie für den Einsatz am Menschen tatsächlich geeignet ist. Erst wenn diese Untersuchungen positiv verlaufen sind, darf sie ihr Können auch bei Patienten zeigen.

Kontakt: Dr. Philip H. Zeplin, T: (0931) 201-0, E-Mail: zeplin_p@ chirurgie.uni-wuerzburg.de

(Pressemeldung der Universität Würzburg vom 16.3.2010)