Klinikumsgrenzen überwinden: Innovative neurologisch-neurochirurgische Kooperation in Würzburg

Durch eine neue Kooperation haben angehende Neurologinnen und Neurologen des Würzburger Juliusspitals Gelegenheit, für mindestens sechs Monate auf der Neurochirurgischen Intensivstation des Uniklinikums Würzburg zu arbeiten. Der temporäre Arbeitsplatzwechsel sorgt für ein noch besseres gegenseitiges Verständnis der jeweiligen Behandlungskonzepte sowie eine noch größere Kontinuität und Qualität in der Patientenversorgung.

Seit rund einem Jahr arbeiten Assistenzärztinnen und -ärzte der Klinik für Neurologie und Neurologische Frührehabilitation des zum Klinikum Würzburg Mitte (KWM) gehörenden Juliusspitals für einen begrenzten Zeitraum an der Neurochirurgischen Klinik des Uniklinikums Würzburg (UKW). Basis dieses innovativen Pro-jekts ist ein zum 1. April 2017 in Kraft getretener Kooperationsvertrag. „Mit diesem ganz neuen Ansatz vertie-fen und optimieren wir eine schon seit vielen Jahren bestehende, äußerst fruchtbare Zusammenarbeit unserer Kliniken“, sagt Prof. Dr. Ralf-Ingo Ernestus, der Direktor der Neurochirurgischen Klinik und Poliklinik am UKW.

Etablierte Zusammenarbeit nach dem Phasen-Modell

So gehört es seit langem zum Standard, dass die Neurologie des Juliusspitals UKW-Patienten zur Frühreha-bilitation übernimmt. „Wir folgen damit einem bundesweit praktizierten neurologischen Phasenmodell“, schil-dert Prof. Dr. Mathias Mäurer, der Chefarzt der Klinik für Neurologie und Neurologische Frührehabilitation am Juliusspital. Laut diesem Modell werden Patienten mit schweren Hirnschäden, die beispielsweise durch Un-fälle oder Blutungen verursacht wurden, unmittelbar nach dem Ereignis in einer Phase A-Einrichtung akutme-dizinisch behandelt – in diesem Fall auf der Neurochirurgischen Intensivstation des UKW. Sobald es der Zustand der Patienten erlaubt, werden sie zur sogenannten Frührehabilitation an eine Phase B-Einrichtung übergeben – hier an die Klinik für Neurologie und Neurologische Frührehabilitation des Juliusspitals. „Der Begriff Reha darf hier nicht täuschen – wir haben es mit nach wie vor schwerkranken Menschen zu tun, die unter massiven neurologischen Ausfallerscheinungen leiden und teilweise sogar noch künstlich beatmet wer-den müssen“, unterstreicht Prof. Mäurer. Sobald die Patienten soweit „wiederhergestellt“ sind, dass sie bei Therapien selbstständig mitarbeiten können, aber noch kurativ-medizinisch und pflegerisch betreut werden müssen, werden sie an eine Phase C-Einrichtung zur „weiterführenden Reha“ übergeben. Hier bestehen zahl-reiche Kooperationen mit entsprechenden Einrichtungen in der Region.

Gegenseitiger Know-how-Transfer
„Der erfolgreich angelaufene, zeitweise Personaltransfer sorgt dafür, dass wir in einem sehr engen Erfah-rungsaustausch die jeweiligen Standards und Konzepte noch besser kennenlernen“, sagt Prof. Ernestus und fährt fort: „Die in ihrer Ausbildung bereits fortgeschrittenen Assistenzärztinnen und -ärzte des Juliusspitals bringen ihr neurologisches Wissen mit, während sie bei uns zusätzliche Kompetenzen, wie zum Beispiel Si-cherheit im Umgang mit den oftmals hochkomplexen Problemen der betroffenen Patienten, erhalten.“ Schließlich könne es auch in einer Phase B-Einrichtung immer noch zu Komplikationen kommen, die frühzei-tig erkannt und dann richtig behandelt werden müssten.
„Auch die beim Austausch geschlossenen persönlichen Kontakte zwischen den Beschäftigten der beiden Kliniken fördern die weitere harmonische Zusammenarbeit“, ergänzt Prof. Mäurer.

Patienten und Angehörige schätzen Behandlungskontinuität

Eine kontinuierliche, eng verzahnte und damit gleichbleibend höchste Behandlungsqualität ist für die Patien-ten, wie auch für deren Angehörige, essentiell. „Wir wissen aus eigenen Studien, dass gerade die Phase des Verlassens der Intensivstation von vielen als besonders kritisch und belastend empfunden wird. Umso schöner ist es da, wenn man sich als Patient oder besorgter Verwandter darauf verlassen kann, dass trotz einer – wenn auch kleinen – räumlichen Distanz zwischen Phase A- und Phase B-Klinik praktisch wie in einem Zentrum weiterbehandelt wird“, betont Dr. Ekkehard Kunze, der Geschäftsführende Oberarzt der Neurochi-rurgischen Klinik des UKW.
Prof. Mäurer freut sich ferner über die durch den Kooperationsvertrag weiter gewachsene Reputation seiner Klinik, denn es ist bundesweit eine Seltenheit, dass eine Klinik zur neurologischen Frührehabilitation so eng an ein Klinikum der höchsten Versorgungsstufe angebunden ist.

Chance zur noch effizienteren Nutzung der Intensivstation

Diese enge Vernetzung und die optimierte Kontinuität in der Behandlung beinhalten die Chance, dass die Phase B so früh wie möglich begonnen werden kann. „Wie bei jeder operativen Klinik ist auch bei uns in der Neurochirurgie die Intensivstation das Nadelöhr“, weiß Prof. Ernestus und fährt fort: „Deshalb sind wir froh, wenn sich medizinisch vertretbare Wege auftun, um unsere begrenzten Intensivbetten noch besser nutzen zu können.“
Durch das innovative Kooperationsmodell kommt das UKW auch seinem Auftrag zur Lehre nach. Die Ko-operation bietet laut Prof. Ernestus den beteiligten Medizinerinnen und Medizinern eine hervorragende Gele-genheit, die für ihre Facharztausbildung erforderlichen intensivmedizinischen Weiterbildungszeiten mit ent-sprechenden Kenntnissen und Fähigkeiten zu erlangen.

Der Ablauf im Detail

Im Detail ist der Einsatz am UKW ab dem dritten Jahr der Fachweiterbildung möglich. Er dauert zwischen sechs Monaten und einem Jahr. Es gibt zeitgleich immer nur einen Platz für eine/n Austauschärztin oder
-arzt. Sie oder er wird etwa sechs Wochen lang auf der Neurochirurgischen Intensivstation des Uniklinikums eingelernt und dann tagsüber in den Schichtdienst eingegliedert. Um auch die Abläufe an der Klinik für Neu-rologie und Neurologische Frührehabilitation aufrechtzuerhalten, erbringen die Mediziner/innen pro Monat zusätzlich etwa vier Nachtdienste im Juliusspital.
Manuela Heuchler ist die zweite, die das Austauschprogramm nutzt. Die Assistenzärztin im vierten Jahr ihrer Facharztausbildung arbeitet seit Anfang Januar dieses Jahres am UKW und lobt den sehr kollegialen Um-gang an der Neurochirurgischen Klinik. „Neben dem vermittelten Wissen sowie dem Austausch mit den Kol-leginnen und Kollegen ist für mich auch der Perspektivwechsel eine persönliche Bereicherung“, sagt die an-gehende Neurologin.
Nach den überaus positiven Erfahrungen des Pilotjahres spricht laut Prof. Mäurer und Prof. Ernestus alles dafür, die Kooperation in dieser Form fortzusetzen.

Pressemitteilung als PDF zum Download.

Die Assistenzärztin Manuela Heuchler, umrahmt von Prof. Dr. Ralf-Ingo Ernestus, dem Direktor der Neurochirurgischen Klinik und Poliklinik des Uniklinkums Würzburg (links), und Prof. Dr. Mathias Mäurer, dem Chefarzt der Klinik für Neurologie und Neurologische Frührehabilitation am Würzburger Juliusspital. Bild: Doris Krammel / Uniklinikum Würzburg