Uniklinikum Würzburg sucht zitternde Menschen

Zittern Ihre Hände oder Arme? Vielleicht sogar Ihr Kopf, Ihre Stimme oder Ihre Beine? Dann sind Sie eventuell von einem essentiellen Tremor betroffen und ein potenzieller Teilnehmer einer aktuellen Studie der Neurologischen Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums Würzburg.

Patienten mit einem essentiellen Tremor leiden an einem rhythmischen Zittern, das bei bestimmten Bewegungen auftritt. Durch das Zittern und Beben geht die Kontrolle über den Körper verloren. Die Krankheit ist zwar nicht lebensbedrohlich, kann aber die Lebensqualität deutlich verschlechtern: Schon einfache Tätigkeiten, wie Essen und Trinken, sind eine Herausforderung, manche Patienten können nicht mehr Autofahren, andere werden sogar berufsunfähig. Betroffen sind etwa vier Prozent der über 60-Jährigen, bezogen auf die deutsche Gesamtbevölkerung leidet etwa ein Prozent unter essentiellem Tremor.

Genetische Ursachen?
„Mit dem vorangestellten Wort ‚essentiell‘ drücken wir Mediziner im Prinzip nur aus, dass wir die genaue Ursachen der Krankheit noch nicht kennen“, erläutert PD Dr. Stephan Klebe, Oberarzt an der Neurologischen Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums Würzburg (UKW). Einen bedeutenden Schritt weitergekommen im Erkenntnisprozess ist die neurologische Forschung durch die Ergebnisse einer im Sommer dieses Jahres veröffentlichten Studie: Kieler Wissenschaftler haben eine Genvariante entdeckt, die das Risiko für einen essenziellen Tremor erhöht. Prof. Gregor Kuhlenbäumer, Leiter des Instituts für experimentelle Medizin an der Universität Kiel, und seine Kollegen kommen zu dem Schluss, dass durch die Genvariante der Nervenbotenstoff Glutamat in einer bestimmten Region des Hirnstamms nicht richtig abtransportiert wird. Das fördert die Erregbarkeit der Nervenzellen, was wiederum das Zittern begünstigt.

Folgestudie mit Würzburger Beteiligung
Für die Studie haben die Wissenschaftler 1.000 Betroffene untersucht. Um die Ergebnisse zu untermauern und möglicherweise weiteren Genen, die an der Entstehung des Zitterns beteiligt sind, auf die Spur zu kommen, sollen jetzt in einer Folgestudie zusätzliche Betroffene getestet werden. Dafür werden auch in Würzburg noch Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer gesucht. „Ziel ist es, zusammen mit den Kollegen aus Kiel und weiteren Städten auf eine Stichprobe mit 5.000 Patienten zu kommen", sagt Dr. Klebe. Dass die Würzburger Uniklinik-Neurologen das ursprünglich Kieler Projekt unterstützen, ist kein Zufall: Dr. Klebe und sein Chef, Klinikdirektor Prof. Jens Volkmann, waren bis zu ihrem Wechsel ans UKW im Jahr 2011 an der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein in der Ostseestadt tätig.

Schmerzfreie Untersuchung
Auf die Probanden aus Mainfranken kommt eine etwa halbstündige Untersuchung in der Neurologischen Klinik und Poliklinik an der Josef-Schneider-Straße in Würzburg zu. „Bis auf den Pieks einer Blutentnahme sind alle dabei durchgeführten Tests vollkommen schmerzfrei“, verspricht Dr. Klebe.
Sollte sich die Diagnose „essentieller Tremor“ dabei bestätigen, können die Ärzte den Patienten eine adäquate medikamentöse Therapie anbieten. Für schwere Fälle mit entsprechend hohem Leidensdruck und Einschränkung der Lebensqualität steht darüber hinaus die tiefe Hirnstimulation zur Verfügung. Dabei implantieren Neurochirurgen eine Elektrode in ein bestimmtes Hirnstammareal ein. Sie ist verbunden mit einem Schrittmacher, der, ähnlich einem Herzschrittmacher, unter die Haut implantiert wird. Schaltet man diesen ein, wird über einen schwachen Strom das Hirnstammareal stimuliert. Dadurch wird die zu starke Erregung herunter geregelt und das Zittern hört auf. Bei den Medikamenten und der Operation sind allerdings auch Nebenwirkungen bekannt. So kommt es bei einigen Medikamenten zu Müdigkeit und Depressionen, beim Eingriff vor allem zu den bekannten Operationsrisiken, beispielsweise  einer Infektion. Außerdem behandeln beide Methoden nur die Folgen und nicht die Ursache des essentiellen Tremors.
Die Mediziner hoffen, aus dem in der aktuell anlaufenden Studie gewonnenen Grundlagenwissen in der Zukunft neue Therapien entwickeln zu können. „Wenn wir über die noch zu identifizierenden Gene die Signal- und Stoffwechselwege noch besser kennen, könnten wir sie durch Medikamente punktgenau beeinflussen“, beschreibt Dr. Klebe das übergeordnete Ziel der Forschungsarbeiten.
Mit einer Reihe von Kontrollfragen und einem kleinen Zeichentest kann jeder selbst ermitteln, ob er als Studienteilnehmer in Frage kommt (siehe Kastentext).



Test: Zittern Sie?

Sollten Sie zwei Fragen oder mehr der folgenden Fragen mit Ja beantworten, ist es möglich, dass bei Ihnen ein essenzieller Tremor besteht:
•    Zittern Ihre Hände oder Arme?
•    Zittern andere Körperteile wie zum Beispiel der Kopf, die Stimme oder die Beine bei Ihnen?
•    Sagen Ihnen andere Personen öfters, dass Sie zittern?
•    Haben Sie aufgrund des Zitterns Probleme beim Trinken oder Einschenken?
•    Haben Sie aufgrund des Zitterns Probleme beim Knöpfen?
•    Zittern andere Personen in Ihrer Familie?
•    Hat bei Ihnen schon einmal ein Arzt die Diagnose essenzieller Tremor gestellt?

Spiralentest
Fahren Sie in der rechten Spirale mit einem Stift vom inneren Punkt bis zum äußeren. Leichtes Zittern zeigt sich durch eine Zeichnung wie der linken, schweres Zittern durch die Variante in der Mitte.
Wenn Sie wissen möchten, ob die Diagnose essentieller Tremor bei Ihnen zutrifft, und wenn Sie an der Studie teilnehmen wollen, können Sie sich an der Neurologischen Klinik in Würzburg kostenlos untersuchen lassen. Für die Vereinbarung eines Termins melden Sie sich bitte ab 7. Januar 2013 in der Zeit von 9:00 bis 14:00 Uhr unter der Telefonnummer 09 31/2 01-2 36 76.


Bild hierzu: Spirale

Bild: Universitätsklinikum Würzburg