Warum gibt es überhaupt Ethik-Kommissionen? Hintergründe zu deren Einrichtung

Die Verurteilung der Verbrechen von Ärzten in der Nazi-Zeit durch die Nürnberger Prozesse leitete ab 1947 einen weltweiten Nachdenkprozess über Grundsätze humanmedizinischer Forschung ein.

Die tragischen, durch Thalidomid/Contergan verursachten Missbildungen (1959-1962 mit weltweit fast 10.000 Opfern) lieferten dann den Impuls zur Einführung von „randomisierten kontrollierten klinischen Studien“ (sog. Randomised Clinical Trials, RCTs). Kontrolliert bedeutet dabei, dass ein neues Medikament mit einem Scheinmedikament, auch „Placebo“ genannt, verglichen wird; randomisiert bedeutet, dass Medikament und Placebo nach dem Zufallsprinzip auf die Studienteilnehmer verteilt werden.

1964 verfasste der Weltärztebund eine umfassende Forschungsrichtlinie für Ärzte, die inzwischen als „Deklaration von Helsinki“ international anerkannt ist. Diese Richtlinie verlangt vom forschenden Arzt jedes humanmedizinische Forschungsvorhaben „einem besonders berufenen, von Prüfer und Auftraggeber unabhängigen Ausschuss zur Beratung, Stellungnahme und Orientierung“ vorzulegen. Für diesen Ausschuss hat sich in Europa die Bezeichnung „Ethik-Kommission“ eingebürgert.

Prof. Jahns: „Unabhängige und interdisziplinär besetzte Ethik-Kommissionen sind von Universitäten, berufsständischen Vereinigungen oder Ländern einzurichten, um Wissenschaftler, die Forschung am Menschen planen, in ethischer und rechtlicher Hinsicht zu beraten.“ Das gilt für Forschung am lebenden genauso wie für Forschung am verstorbenen Menschen! Jahns weiter: „Darum legen alle Ethik-Kommissionen auch ein besonderes Augenmerk auf den Schutz der Patienten und Probanden, die an solchen Forschungsvorhaben teilnehmen.“

Arten von Ethik-Kommissionen

Die Ethik-Kommission der Universität Würzburg ist damit eine der insgesamt 52 forschungsbezogenen (öffentlich-rechtlichen) Ethik-Kommissionen in Deutschland, die die ethisch-rechtliche Vertretbarkeit einzelner Forschungsvorhaben beurteilen.

Daneben gibt es - beispielsweise auch am Uniklinikum Würzburg - sogenannte klinische Ethik-Komitees, die im Krankenhaus bei der individuellen Beratung und Entscheidung von Behandlungskonflikten mitwirken.

Eine besondere Art von Ethik-Kommissionen dienen als Institutionen der Politikberatung und geben dem Bundestag und der Bundesregierung Empfehlungen bei ethischen Fragen. Auf Bundesebene wurde hierfür 2001 der Nationalen Ethikrat (NER) eingerichtet, der 2008 durch den Deutschen Ethikrat (DER) ersetzt wurde.

Die Rolle der medizinischen Ethik-Kommission Würzburg

Die Ethik-Kommission der Universität Würzburg versteht sich als Einrichtung der gesamten Universität und berät in diesem Rahmen auch Mitglieder anderer Fachbereiche/Fakultäten wie Psychologie, Physik oder Epidemiologie bei ihren Forschungsvorhaben.

Unsere Ethik-Kommission begutachtet klinische Studien und Forschungsvorhaben. Diese Studien und Forschungsvorhaben kann man in zwei Gruppen unterteilen:

Gruppe A. Zum einen die Art von Studien/Vorhaben, die Bundesgesetzen bzw. europarechtlichen Verordnungen unterliegen, und in Deutschland erst begonnen werden dürfen, wenn das entsprechende „zustimmende Votum“ einer Ethik-Kommission vorliegt und ggf. die entsprechende Genehmigung der Bundesoberbehörde. Das betrifft Studien nach dem Arzneimittelgesetz (AMG), wenn es z.B. um den Einsatz neuer Medikamente oder Impfstoffe am Menschen geht, aber auch Studien nach dem Medizinproduktegesetz (MPG alt), wenn z.B. neue Herzschrittmacher oder auch neue Handy-Apps zur Therapiesteuerung eigesetzt werden sollen. In beiden Fällen übernimmt unsere in Bayern gemäß Artikel 18 Gesundheitsdienstgesetz (GDG) gebildete öffentlich-rechtliche Würzburger Ethik-Kommission die Funktion einer Behörde. Die zustimmende Bewertung unserer Ethik-Kommission stellt einen Verwaltungsakt dar, wie man ihn aus anderen Bereichen kennt, z.B. den Steuerbescheid, die Baugenehmigung, etc. Die bei der Ethik-Kommission einzureichenden Unterlagen sind dabei gesetzlich vorgegeben, egal ob nun ein großes pharmazeutisches Unternehmen dahintersteht oder ob es eine vom Wissenschaftler initiierte Studie (Investigator Initiated Trial, auch IIT abgekürzt) ist.

Seit Juni 2021 wurde das MPG in der ganzen Europäischen Union durch die sogenannte Medical Device Regulation (MDR) und das deutsche Medizinprodukte-Durchführungsgesetz (MPDG) ersetzt; ab Februar 2022 wird das AMG in der ganzen EU durch die sogenannte Clinical Trials Regulation (CTR) abgelöst. 

Das hat erhebliche Folgen für die Mitglieder und Gutachter der Ethik-Kommission, da die Anträge gemeinsam von der Bundesoberbehörde (also dem BfArM oder dem PEI) und den Ethik-Kommissionen online auf Englisch bearbeitet werden müssen. Die Bearbeitungsfristen wurden deutlich reduziert, so dass die Belastung für die Kommissions-Mitglieder und die Geschäftsstelle der Ethik-Kommission erheblich zunehmen wird.

Gruppe B. Die andere Gruppe von Studien und Forschungsvorhaben unterliegt einer Beratungspflicht auf Grundlage der Deklaration von Helsinki(aktuellste Version: WMA-Declaration of Taipei Oktober 2016). 

Für die Ärzte am Uniklinikum Würzburg gelten aktuell zudem auch die Berufsordnung der Ärzte Bayerns (BOÄ), sowie weitere bayerische Gesetze wie z.B. Art. 27 des Bayerischen Krankenhausgesetzes.

Gemäß Deklaration von Helsinki und aktuell geltender BOÄ muss sich jeder Arzt vor der Beteiligung an einem Forschungsvorhaben von einer nach Landesrecht gebildeten unabhängigen und interdisziplinär besetzten Ethik-Kommission – wie unserer Ethik-Kommission – beraten lassen.

Aufgaben und Sicht der Geschäftsstelle der Ethik-Kommission

Auf Grund der gesetzlichen Vorgaben ist der Blick der Geschäftsstelle einer Ethik-Kommission auf die Antragsunterlagen zunächst ein anderer als der des einreichenden Forschers.

Für eine ordnungsgemäße Beratung des Forschers ist es wichtig, dass jede Studie in dem für sie passenden Kontext bearbeitet wird. Denn wer z.B. eine klinische Prüfung gem. AMG durchführt, ohne dass er eine Genehmigung hat, macht sich strafbar. 

Daher ist die Trennung zwischen den beiden oben genannten großen Gruppen von Studien sehr wichtig- auf der einen Seite die klinischen Prüfungen nach bundesgesetzlichen bzw. europarechtlichen Vorgaben, auf der anderen die klinischen Studien, die nach Deklaration von Helsinki beraten werden. Die Unterscheidung erfolgt als Negativ-Abgrenzung: alle Vorhaben, die nicht unter das AMG (bzw. zukünftig die CTR) oder die MDR/das MPDG fallen, sind klinische Studien, die nach der Deklaration von Helsinki beraten werden. 

Die Abgrenzung ist an vielen Stellen weder für die Forscher noch für die Ethik-Kommissionen oder Bundesoberbehörden einfach.

Arbeitsablauf

Bei der Ethik-Kommission der Universität Würzburg gehen alle Anfragen und Anträge zunächst in der Geschäftsstelle ein. Klinische Prüfungen nach gesetzlichen Vorgaben werden auf formale Vollständigkeit überprüft. Auch für die Beratungen nach der Deklaration von Helsinki gibt es (auf der Homepage unserer Ethik-Kommission) Vorgaben für die Unterlagen, die sich so oder in ähnlicher Form bei jeder Ethik-Kommission finden lassen.

In Würzburg wird dann jedes Vorhaben, abhängig von der Antragsart, in einem größeren Kreis (Kommissions-Sitzung) oder kleinerem Kreis (Umlaufverfahren) durch die Mitglieder der Ethik-Kommission beraten. Dabei ist es immer sehr wichtig, dass sich aus den eingereichten Unterlagen klar ergibt, was für ein Vorhaben geplant ist (Vorlage eines Studienprotokolls), wie viele Patienten/Probanden daran teilnehmen sollen (Fallzahlberechnung), wie sie rekrutiert und aufgeklärt werden sollen (Teilnehmer-Information und Einwilligungserklärung), wie der Schutz der Privatsphäre der Teilnehmer und ihrer Daten sichergestellt wird, etc. 

Für die Kommission ist das Vorhaben bis zur Einreichung ggf. völlig unbekannt und beraten werden kann nur, was sich aus den vorgelegten Unterlagen direkt ergibt. Bei der Mehrzahl der Vorhaben ist deshalb eine vorherige telefonische Beratung durch die Geschäftsstelle sinnvoll bzw. anzustreben, ein Service, den auch viele Antragsteller nutzen.

Die Geschäftsstelle dient u.a. dazu, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb insbesondere im Hinblick auf klinische Prüfungen gem. gesetzlicher Vorgaben (Gruppe A) aufrecht zu erhalten. Die gesetzlichen Fristen, die für die Bearbeitung durch die Ethik-Kommission gelten, sind eng gesteckt und werden durch gesetzliche Änderungen, wie ab Februar 2022 durch die Umsetzung der Clinical Trial Regulation (CTR), noch weiter verkürzt.

Zum Arbeitsumfang der Geschäftsstelle und der ganzen Ethik-Kommission gehören also die Beratung der Forschenden, auch zu Vorfragen, die Umsetzung europarechtlicher Vorgaben, die Schulung der eigenen Mitglieder, Information der Antragsteller, Zusammenarbeit mit den Bundesoberbehörden und den jeweiligen Aufsichtsbehörden, Abstimmungen mit den Datenschutzbeauftragten, aber auch gemeinsam mit der Geschäftsstelle die eigene Personal- und Raumplanung, die Ethik-Kommissions-interne IT (inkl. Datenbanken), Korrespondenz mit den eigenen Aufsichtsbehörden, die Rechnungsstellung und das Zahlungsmanagement, Fristen-kontrollen, Zusammenarbeit mit den beteiligten Ethik-Kommissionen bei multizentrischen Vorhaben, Abstimmungen und Besprechungen mit der ZKS oder anderen zentralen Einrichtungen des UKW, und Fortbildungen für junge Ärztinnen und Ärzte zu der Rolle und Funktionsweise unserer Ethik-Kommission.

Aktuell beträgt das Antragsvolumen in Würzburg ca. 300 neue Studien pro Jahr (AMG/MDPG und Deklaration von Helsinki (BOÄ)), ca. 250 sonstige Beratungsanfragen/Kurzanträge, und ca. 1400 Änderungsanträge zu bestehenden Studien.

Die Patienteninformation und Einwilligungserklärung – das wiederkehrende Streitthema

Ein immer wiederkehrendes Problem ist die vorgelegte schriftliche Studien- oder Teilnehmerinformation. Dieses Dokument dient dem forschenden Arzt/Verantwortlichen dazu, nachzuweisen, dass er den Patienten/Probanden über das geplante (Studien-) Vorhaben ordnungsgemäß aufgeklärt hat. Denn nur mit einer korrekten und verständlichen Information kann der Betroffene auch wirksam einwilligen. Fehlen also wichtige Informationen wie mögliche, wenn auch seltene Gefahren/Risiken oder ist der Text insgesamt nicht (laien-)verständlich, kann es letztlich passieren, dass die eingeholte Einwilligung überhaupt nicht rechtswirksam ist. Wird dann dem Patienten im Rahmen der Studie Blut abgenommen oder eine Biopsie durchgeführt, für die der Forscher KEINE wirksame Einwilligung hat, handelt es sich streng genommen um eine Körperverletzung.

Die Information dient also primär dazu, einem potenziellen Studienteilnehmer das Vorhaben so verständlich darzulegen, dass er am Ende wirksam einwilligen; darüber hinaus dient die schriftliche Version auch dazu, dass der Arzt oder Forscher eine entsprechende Aufklärung nachweisen kann. 

Die Ethik-Kommission legt auf die vorgelegten schriftlichen Informationen also aus zwei Gründen Wert: a.) zum Schutz der Patienten/Probanden, damit über das jeweilige Vorhaben richtig und umfassend aufgeklärt wird, und b.) zum Schutz der Ärzte/Forscher, die im Streitfall nur diese Schriftstücke als Nachweis über die erfolgte Aufklärung haben.

Wenn Sie ein Forschungsvorhaben planen, informieren Sie sich bitte unbedingt auf der Webseite der Ethik-Kommission. Hier finden Sie auch die Mindestvorgaben der Würzburger Ethik-Kommission an ein Studien-Protokoll, ein Positionspapier zu Fallzahlberechnungen, einen Mustertext zur Umsetzung der DSGVO und viele weitere Informationen. Zusätzliche wertvolle Informationen und Mustertexte zu bestimmten Themengebieten erhalten Sie auch auf der Webseite des Arbeitskreises medizinischer Ethik-Kommissionen.

 

Kontaktdaten

  • Frau Ass. jur. Reith, Frau Dr. Dreykluft, Frau Meister, Frau Metzger und Frau Schmidt helfen Ihnen bei Fragen zu Anträgen weiter
  • Beachten Sie bitte die telefonischen Sprechzeiten auf unserer Website, sowie unsere neue Adresse:
    Ethik-Kommission der Universität Würzburg
    Josef-Schneider-Straße 4, C12,
    97080 Würzburg